Zum Schuljahr 2026/27 greift der Rechtsanspruch für Grundschüler. An der Sophie-Scholl-Schule Leonberg wird derzeit um das passende Modell gestritten.
Soll die Ganztagsbetreuung in der Grundschule Pflicht für alle Schüler sein? Oder soll den Eltern die Wahl bleiben, ob sie das Angebot für ihre Kinder annehmen oder nicht? Genau das ist ein Streitthema zwischen der Sophie-Scholl-Schule und der Stadtverwaltung Leonberg auf der einen und einem Teil der Eltern der betroffenen Kinder auf der anderen Seite. Am Mittwoch, 9. Juli, könnte dazu eine endgültige Entscheidung im Sozialausschuss des Gemeinderates fallen.
Zum Schuljahr 2026/27 greift der Rechtsanspruch auf Ganztagsbetreuung, und bis zum 1. Oktober muss die gewählte Form von der Stadt beim Schulamt beantragt werden. Zurzeit wird von der Verwaltung die gebundene, also verpflichtende Ganztagsform empfohlen mit dem Verweis, dass Schulleitung und Lehrerkollegium dies befürworten – und ein Großteil der Eltern in einer Umfrage im vergangenen Jahr eine Ganztagsbetreuung gewünscht habe. Damit wäre die Sophie-Scholl-Schule, die im Stadtteil Ezach liegt, die erste Grundschule im Stadtgebiet, bei der diese Form eingeführt wird.
Elternbeiräte sprechen sich gegen Pflichtmodell aus
„Wir waren von dieser Entscheidung überrascht“, sagt Annabelle Hackert, die im Elternbeirat der Schule ist und deren Kind dort die erste Klasse besucht. Im Januar war dies den Eltern mitgeteilt worden, die bis dahin von einem sogenannten offenen Ganztag ausgegangen waren. Der Elternbeirat der Schule sowie der Gesamtelternbeirat der Stadt haben sich für das Wahlmodell ausgesprochen.
Im Leonberger Sozialausschuss wurden die Eltern bisher nicht persönlich gehört, berichtet Marita Raschke vom Gesamtelternbeirat der Stadt. Dem aktuellen Beschlussvorschlag seien die Stellungnahmen jetzt erstmals beigefügt, aber nur schriftlich. „Die im Anhang befindlichen Gegenargumente finden leider keine Beachtung“, sagt Annabelle Hackert enttäuscht.
„Ein Rechtsanspruch auf Ganztagsbetreuung heißt für mich, dass ich auch einen Anspruch auf Halbtag habe“, sagt die Mutter aus dem Ezach. Man sei nicht per se gegen Ganztagsbetreuung. „Wir wollen einfach die Wahl haben.“ Nicht jedes Kind könne so jung mit Nachmittagsschule umgehen. „Wenn ich den Ganztag für mein Kind nicht will, dann muss ich einen Antrag auf Umschulung stellen“, es müsste dann also in einen anderen Schulbezirk wechseln.
Der aktuelle Ausbau des Bildungscampus Ezach, zu dem die Sophie-Scholl-Schule gehört, sei kapazitätsmäßig auch auf das Wahlmodell ausgelegt. Für das Pflichtmodell würden zudem mehr Grundschullehrer benötigt, von denen es ohnehin nicht genug gebe, sagt Annabelle Hackert.
Unterstützung für Wahlform auch aus anderen Schulen
Die Eltern fühlen sich von der Schulleiterin, die nach diesem Schuljahr geht, sowie der Stadtverwaltung nicht gehört und nicht ernst genommen. „Den Gemeinderäten wurde gesagt, der gebundene Ganztag wäre der Wunsch der Eltern, aber das stimmt nicht,“ sagt Julia Feder, eine andere betroffene Mutter. Bei einer Umfrage, die die Elterninitiative selbst durchgeführt hat, gaben 55 Prozent der Eltern an, dass Schule bis Mittag beziehungsweise verlässliche Grundschule für sie ausreichend sind. Von den übrigen sprachen sich demnach nur 29 Prozent für eine verpflichtende Ganztagsschule aus.
Unterstützung bekommen die Ezacher Eltern aus vielen anderen Schulen. So wandte sich etwa das Lehrerkollegium der Schellingschule, wo seit 2013 die offene Ganztagsschule angeboten wird, in einem Brief gegen die gebundene Form. „Alle Grundschulen sollen so gestaltet sein, dass ein Schulbesuch im eigenen Schulbezirk selbstverständlich ist. Nur ein Ganztag in Wahlform ermöglicht das“, heißt es darin.
Die Lehrer der Schellingschule verweisen auf die vielen Herausforderungen, die ein Pflichtmodell mit sich bringe, angefangen bei der Zahl der Lehrer, genügend Räumen oder einem gesunden Mittagessen. Auch das Thema verlässliche Kommunikation wird angesprochen. „Wir fordern, die Entscheidung über die Veränderung der Schulform nicht unter Zeitdruck im Juli 2025 zu treffen.“ Stattdessen wird ein Termin mit einem Mediator in der unterrichtsfreien Zeit der Sommerferien vorgeschlagen.
Rückenwind für die Eltern könnte auch ein weiterer Punkt auf der Tagesordnung des Sozialausschusses bringen. An der Mörikeschule in Eltingen, die seit 2014 den Ganztag in Wahlform anbietet, sollen dafür die Stunden von acht an vier Tagen auf je sieben Stunden an drei Tagen reduziert werden. Es habe sich gezeigt, dass die längere Form „von der Schüler-, Eltern- und Lehrerschaft für einige Kinder als Be- und Überlastung wahrgenommen wird“.
Ganztag in Grundschule
Rechtsanspruch
Nach dem Anspruch auf Kinderbetreuung U3 und U6 wird zum Schuljahr 2026/27 stufenweise der Rechtsanspruch auf Ganztagsbetreuung in der Grundschule eingeführt. 2026 geht es mit den neuen Erstklässlern los. Möglich sind zwei Modelle.
Wahlform
Auch offener Ganztag wird die Wahlform genannt. Hier können Eltern wählen, ob sie die Ganztagsbetreuung annehmen oder nicht. Der Unterricht findet wie bisher bis Mittag statt. Kinder im Ganztag werden durch den Schulträger weiter betreut, zumeist ist das die Kommune. Kinder ohne Ganztag können hier aber auch weiter die Kernzeitbetreuung nutzen.
Verpflichtend
Auch gebundener Ganztag genannt. Der Unterricht erstreckt sich bis in den Nachmittag, meist bis 14 oder 15 Uhr, wird aber durch längere Pausen und Bewegungsangebote unterbrochen. Eingerechnet sind zudem Lernzeit und Hausaufgabenbetreuung. Die Betreuung erfolgt hier über die Schule. Hier gibt es vier Varianten: an drei oder vier Tagen über sieben oder acht Stunden. An den übrigen Tagen ist der Nachmittag unterrichtsfrei.