Künstliche Intelligenz. (Symbolbild) Foto: imago images/Westend61/Style-Photography

Europa will bei der Anwendung künstlicher Intelligenz globale Standards setzen. Die EU-Kommission hat dafür Regeln vorgeschlagen. Das hat Folgen – auch für Forschung und Wirtschaft im Tüftlerländle Baden-Württemberg.

Karlsruhe/Ditzingen/Brüssel - Wissenschaft und Wirtschaft in Baden-Württemberg begrüßen die geplanten EU-einheitlichen Regeln für den Umgang mit künstlicher Intelligenz (KI) - haben aber auch einige kritische Fragen. „Regulierung allein wird nicht helfen“, sagte etwa Wissenschaftsministerin Theresia Bauer (Grüne) der Deutschen Presse-Agentur. Verhindert werden müsse, dass technisch nicht umsetzbare Regulierungen die Entwicklung von KI-Anwendungen verhindern oder mögliche Anwender entmutigt werden.

Europa will bei der Anwendung von KI globale Standards setzen. Die EU-Kommission hat vor kurzem Regeln vorgeschlagen, die vor allem das Vertrauen in die Technologie stärken sollen. Je höher die potenziellen Gefahren einer Anwendung, desto höher sind die Anforderungen. Für Regelverstöße sind hohe Strafen vorgesehen.

„Das Signal ist: Wir meinen es jetzt auch ernst.“

Dieses einheitliche Vorgehen - wenn wirklich alle Staaten mitziehen - könnte den Standort Europa stärken, sagte Michael Decker, Professor für Technikfolgenabschätzung, der am Karlsruher Institut für Technologie (KIT) den Bereich Informatik, Wirtschaft und Gesellschaft leitet. „Das Signal ist: Wir meinen es jetzt auch ernst.“ Die damit verbundene Bürokratie bremse vielleicht erst kurzfristig, auf lange Sicht aber fördere das Vorhaben Innovationen der Marke „Made in Europe“ - verbunden mit den hier geltenden Werten.

Beim Autozulieferer Bosch aus Gerlingen (Landkreis Ludwigsburg) heißt es: „KI wird sich nur durchsetzen, wenn der Mensch ihr vertraut, deshalb befürworten wir die Vorschläge der Kommission grundsätzlich.“ Im vergangenen Jahr haben sich die Schwaben einen internen KI-Kodex gegeben. Der Mensch soll demnach immer die Kontrollinstanz sein.

Export innerhalb der EU werde erleichtert und günstiger

Eine Regulierung wird aus Sicht des Wirtschaftsministeriums die Vertrauenswürdigkeit in europäische Hochrisiko-Anwendungen erhöhen, „was die generelle Akzeptanz der Technologie, aber auch die konkreten Absatzchancen und die Wettbewerbsfähigkeit europäischer Anbieter nachhaltig verbessern dürfte“. Auch der Export innerhalb der EU werde angesichts gleicher Standards wesentlich erleichtert und günstiger.

Die Maschinenbauer von Trumpf gehen davon aus, Chancengleichheit im Wettbewerb könne so gewahrt werden und es kämen hochwertige und sichere KI-Produkte auf den Markt. „Wir sollten allerdings vermeiden, dass aufgrund überbordender Regulierung in Europa Investitionen in vielversprechende KI-Lösungen außerhalb der EU stattfinden und notwendiges Know-how im Bereich der KI hierzulande nicht aufgebaut wird“, teilte ein Sprecher in Ditzingen (Landkreis Ludwigsburg) mit.

KIT-Forscher Decker sieht noch Klärungsbedarf

„Regulatorische Anforderungen können speziell für kleine und mittlere Unternehmen sowie Start-ups eine große Hürde darstellen“, heißt es aus dem Wirtschaftsministerium. KI-Innovationen dürften nicht unnötig erschwert oder verzögert werden. Die Regulierung solle sich daher auf jene Fälle beschränken, in denen der Einsatz von KI gravierende Auswirkungen auf Sicherheit und Gesundheit von Menschen und auf die Grundrechte haben kann, teilte eine Sprecherin mit. Der Großteil der möglichen KI-Anwendungen sei aber „absolut unkritisch“.

KIT-Forscher Decker sieht hier noch Klärungsbedarf, welche Anwendung wie einzustufen ist. So stehe Spielzeug bei der EU auf dem Index, das Kinder zu gefährlichem Verhalten animieren kann - ein KI-gestütztes Videospiel hingegen nicht. „Dabei könnte ein lernendes System den Spieler zu immer aggressiverem Verhalten antreiben.“

Bis die Regeln gelten, wird es noch einige Jahre dauern

Die EU-Staaten und das Europaparlament müssen über die Vorschläge verhandeln. Bis die Regeln gelten, wird es noch einige Jahre dauern.

Nachholbedarf sieht Jessica Heesen, Leiterin des Schwerpunkts Medienethik und Informationstechnik an der Uni Tübingen, auch beim Verbraucherschutz: „Individuelle Beschwerdemöglichkeiten und ein Ombudswesen spielen in der Verordnung praktisch keine Rolle“, heißt es in ihrem Statement für das Science Media Center.

Für Wissenschaftsministerin Bauer ist wichtig, dass KI keine Freiheitsrechte einschränken oder Diskriminierungen erzeugen darf. Für einen verantwortungsvollen Umgang mit Daten sieht sie vor allem die Grundlagenforschung gefordert: „KI-Methoden müssen höchsten Standards gerecht werden, sie müssen unter anderem robust und sicher sein.“ Aus Sicht Deckers hat die Diskussion die Forschung längst beeinflusst. Aspekte wie Datenschutz und -sicherheit würden viel früher mitgedacht als noch vor einigen Jahren. „Wir haben jetzt einen Diskussionsstand erreicht, wo es klare Regeln braucht.“