Muss es immer Neues sein, das Menschen kleidet? Manchmal helfen kleine Kniffe, dass vermeintlich Altes wieder tragbar wird. Foto: Gottfried Stoppel

Eine neue Ausstellung im Stadtmuseum greift das Thema Nachhaltigkeit in der Mode auf. Es geht in „Neu eingefädelt“ auch um die Wiederverwertung von Kleidungsstücken. Dabei zeigt sich, dass alte Techniken eine Renaissance erleben.

Früher wurde Kleidung gestopft, geflickt und abgeändert. Entsorgt wurde wenig. Es gab fast immer eine zweite Chance für Socken, durchgescheuerte Kinderhosen oder Arbeitskleidung, abgewetzte Kragen und Manschetten an Hemden und Blusen. Dann kamen die Zeiten des Wirtschaftswunders und mit ihr die Wegwerfgesellschaft.

In den letzten Jahren ist ein Umdenken zu beobachten. Kleidungsstücken wird wieder eher eine zweite Chance gegeben, Upcycling heißt das dann. Im Stadtmuseum Fellbach beschäftigt sich die neue Sonderausstellung just mit diesem Thema. Neue Techniken begegnen hier Fundstücken aus der Vergangenheit, junge Leute zeigen und entwickeln ihre Ideen mit Nadel und Faden und verwenden für diese handwerklichen Arbeiten Materialien vom Dachboden oder aus dem Kleiderschrank der Großmutter.

Kooperation mit der Hochschule Pforzheim

Die Schau im Stadtmuseum, die am Freitag, 25. November, eröffnet und bis 30. April nächsten Jahres gezeigt wird, hat eine lange Vorlaufzeit. Vor fast vier Jahren hatte die Museumsleiterin Ursula Teutrine die Idee, Handarbeit im Wandel der Zeit zu zeigen. „Wir haben als Museum die umfangreiche Sammlung von Magdalena Kolerski übertragen bekommen“, erzählt sie. Und dass ihr sofort, als sie die vielen ungewöhnlichen und einmaligen textilen Sammlerstücke der Fellbacherin zum ersten Mal sichtete, klar war, „dass das etwas ganz Besonderes ist und ich damit und dazu eine Ausstellung kreieren werde“. Dann kam Corona, viele Verschiebungen und Verzögerungen, aber auch immer mehr Aspekte, die zum Thema passen könnten bis hin zur Kooperation mit der Hochschule Pforzheim. Dort wurde der Untertitel der Ausstellung „Handarbeit zwischen Tradition und Slow Fashion“ zum eigenen Studienprojekt.

Ursula Teutrine war auf vielen Feldern zum Thema Handarbeiten unterwegs, lernte junge Leute kennen, die in eigenen Läden und Ateliers, auch in der Region, Dachbodenschätze aufarbeiten, besticken und verfremden. Manche stricken auf Bestellung. Andere entwerfen neue Modelle und verwenden dafür mehrere andere Kleidungsstücke, setzen alte Häkel- und Sticktechniken in modernes Design um oder wenden die japanische Sticktechnik Sashiko an, um Jeans zu reparieren. Wie das aussieht, ist in der Ausstellung zu sehen. Die Sticktechnik wird Susanne Bäuerle in einem Workshop im Begleitprogramm zeigen.

Die Schau ist eine Hommage an die Techniken, die Großmüttern in der Schule beigebracht wurden, und ein Ausflug in die Welt der jungen Designer, die Ehrfurcht zeigen, vor Leinenstoffen, Stricknadeln und der Kreuzstichtechnik. Sie erinnert an die Fellbacher Arbeitsschule, wo Mädchen auf die Arbeiten im Haushalt vorbereitet wurden. Sie geht zurück in die Zeit, wo die Aussteuer mit dem gestickten Monogramm der Braut versehen wurde. Sie zeigt neue Kleider aus alten Krawatten und hat eine Gruppe von Fellbacherinnen dazu veranlasst, als Gemeinschaftsarbeit ein „Wandelkostüm“ aus vielen Quadraten zu häkeln.

Ursula Teutrine ist es gelungen, viele typisch Fellbacher Fundstücke aus der Bevölkerung zu erhalten und in die Ausstellung zu integrieren. „Ich kann gar nicht alles zeigen.“ Dennoch ist die Ausstellung rund und bunt geworden, verteilt sich auf drei Stockwerke und enthält viele neue Botschaften zum heutigen Umgang mit Materialien und über den Zugang zu Mode und deren Wertigkeit. Mit der Galerie Renz gibt es eine Kooperation, dort werden ebenfalls Sammlerstücke gezeigt. Ingrid Renz hat sie mit moderner Kunst zusammengebracht.

Gearbeitet wird an einer geerbten Nähmaschine

Bei ihrer Spurensuche ist Ursula Teutrine auch Marco Blazevic begegnet. Er stammt aus Fellbach und ist als Designer in der Modewelt angekommen, lebt mittlerweile in den Niederlanden, macht unter anderem Taschen aus Leder und ist unheimlich stolz, „dass ihm sein Großvater aus Kroatien dafür seine Leder-Nähmaschine überlassen hat“, erzählt Ursula Teutrine. Auch einer selbst genähten Herrenweste des jungen Fellbachers Luis Widmann begegnet man, ebenso wie einem Kriegskleid aus Futterstoff, das der Stuttgarter Kleider-Sammler Christian Bräu zur Verfügung stellt.

Neben Bewunderung für die große Vielfalt, mit der das Thema „Neu eingefädelt“ bespielt wird, dürfte die Ausstellung bei Besuchern wohl Ehrfurcht vor dem historischen Umgang mit Mode und Handarbeit auslösen, aber auch das Selbstbewusstsein stärken, dass viele Techniken von früher und Kleidung insgesamt eine zweite Chance verdient haben. Das ist der rote Faden, der sich durch die Ausstellung zieht.

Volles Programm bis Ende April

Start
 Die Ausstellung „Neu eingefädelt – Handarbeit zwischen Tradition und Slow Fashion“ im Stadtmuseum Fellbach wird am Freitag, 25. November, um 19 Uhr im Großen Saal des Fellbacher Rathauses von Oberbürgermeisterin Gabriele Zull eröffnet. Musikalisch-literarische Kommentare dazu liefern Rosa Wielandt und Luis Widmann in Begleitung von Poldy Tagle am Flügel und Iván Palomá an der Querflöte. Der Verein Kreativ Handeln bringt Fingerfood und Wein. Danach kann die Ausstellung gleich besichtigt werden.

Eintritt
Kostenlose Karten für die Eröffnung gibt es beim i-Punkt Fellbach. Die Ausstellung wird bei freiem Eintritt bis 30. April gezeigt, dienstags bis samstags von 14 bis 18 Uhr, sonntags bereits ab 11 Uhr. Es gibt ein Begleitprogramm, das viele Aspekte aufgreift, angefangen bei Workshops über Vorträge und Präsentationen. Ein Programmheft, es liegt auch beim i-Punkt auf, liefert Einzelheiten.