Perus Präsident Castillo ist abgesetzt und verhaftet worden. Foto: AFP/Ernesto Benavides

Perus entmachteter Präsident Pedro Castillo hat sich verpokert – und stand am Ende einsam und verlassen da. Nun muss die bisherige Vizepräsidentin den Scherbenhaufen aufkehren – als erste Frau an der Spitze Perus.

Das vorerst letzte Bild des Tages von Pedro Castillo zeigt ihn eingepfercht zwischen zwei Uniformierten auf der Rückbank eines Kleintransporters. Bei den Sicherheitsleuten soll es sich um seine Leibwächter gehandelt haben. Auch die stellten sich am Ende eines historischen wie turbulenten Tages gegen den peruanischen Präsidenten, der nicht nur die Macht, sondern auch noch die Freiheit verlor.

Der Tag begann mit einem Paukenschlag: Castillo eröffnete der verdutzten Öffentlichkeit, dass er das frei gewählte Parlament aufzulösen gedenke – wenige Stunden bevor es über einen Misstrauensantrag abstimmen sollte. Doch die Aktion war so schlecht vorbereitet, dass ihm nicht nur seine erschrockene Vizepräsidentin Dina Boluarte, sondern auch nahezu das gesamte Kabinett sofort den Rücktritt erklärte. Der übereinstimmende Tenor: Da machen wir nicht mit. Nun begann ein Wettrennen gegen die Uhr: Castillo wusste, dass seine Felle davonschwimmen. Er verlor die Abstimmung im Parlament und versuchte, in die mexikanische Botschaft zu fliehen. Vergeblich, auch seine Leibwächter spielten nicht mit und verhinderten die Flucht.

Einst Hoffnungsträger der Armen

Dabei begann Castillo seine Amtszeit als ein Hoffnungsträger der Armen. Den hauchdünnen Sieg in der Stichwahl über die rechtsgerichtete Diktatorentochter Keiko Fujimori verdankte Castillo vor allem den Stimmen aus den ländlichen Regionen, die von der etablierten Politik alleingelassen wurde. Castillos Wahlkampf war holprig, er machte in Interviews haarsträubende Fehler, doch der „Dorfschullehrer“, wie er sich selbst nannte, kam gut an bei denen, die von der Politik schwer enttäuscht waren. Castillo war anders als die bis dahin herrschende Elite.

In insgesamt 17 Monaten tauschte Castillo die Ministerinnen und Minister praktisch im Wochentakt aus, am Ende waren es sage und schreibe 80 verschiedene Kabinettsmitglieder. Es folgten schwere Korruptionsvorwürfe der Behörden gegen Castillo, enge Familienmitglieder und Mitstreiter. Ende Oktober forderte der populäre Kardinal Pedro Barreto: „Der große Gefallen, den er tun könnte, besteht darin beiseitezutreten, angesichts der Realität, in der wir leben, und der Beweise für Korruption.“

Schwere Attacken auf die Presse

Neben dem Chaos im Kabinett kamen schwere Attacken auf die Presse. Minister und Castillo-Vertrauter Anibal Torres beleidigte die TV-Journalistin Sol Carreno, weil diese über Missstände berichtet hatte. „Die Frau hat ein schlechtes Herz, sie ist eine schlechte Mutter, eine schlechte Ehefrau, eine schlechte Tochter“, wurde Torres persönlich. „Die Castillo-Regierung ist zu einem Feind der Meinungs- und Pressefreiheit geworden“, kommentierte die Interamerikanische Pressegesellschaft. Frauenrechtsorganisationen warfen Castillo und Torres daraufhin Frauenfeindlichkeit vor.

Vizepräsidentin als neue Staatspräsidentin vereidigt

Castillos Ende reiht sich damit nahezu reibungslos in das stets unschöne Nachspiel seiner Vorgänger ein. Rechtsaußen Alberto Fujimori (1999–2000) sitzt wegen schwerster Menschenrechtsverletzungen im Gefängnis. Alan Garcia (Korruptionsvorwürfe) entzog sich vor wenigen Jahren einer Festnahme durch Selbstmord, auf Alejandro Toledo wartet derzeit in Peru eine mögliche Haftstrafe von 35 Jahren, wenn er denn aus den USA ausgeliefert wird.

Noch am Nachmittag wurde die bisherige Vizepräsidentin Dina Boluarte im Kongress als neue Staatspräsidentin vereidigt. In ihrer ersten Rede kündigte Boluarte an, nicht die gleichen Fehler wiederholen zu wollen wie ihr Vorgänger. „Die Sicherheit des Landes hängt nicht nur von der Präsidentin ab, sondern von allen.“ Peru müsse nun zusammenarbeiten, um das Land voranzubringen. Dazu sei ein politischer Waffenstillstand notwendig. Die erste Frau an der Spitze des Landes muss nun einen Scherbenhaufen zusammenkehren, der ihr von überforderten Vorgängern hinterlassen wurde.