Ein Spielwarengeschäft aus Remshalden punktet statt mit Standortvorteilen lieber mit Auswahl und außergewöhnlichen Aktionen. Jetzt wird die Ladenfläche von zwölf großformatigen Steiff-Tieren bevölkert.
Laufkundschaft gibt es so gut wie keine in der Spielzeugwelt – sieht man mal von ein paar Drittklässlern ab, die sich auf dem Heimweg von der Schule mit ein paar Brausestäbchen eindecken. Ansonsten aber hat das in einer schmalen Wohnstraße in Geradstetten liegende Geschäft von E + E Spielwaren ein ganzes Paket von Standortnachteilen. Einen Einkaufsbummel machen in der Wilhelm-Enßle-Straße wohl nicht mal Menschen, die in Remshalden leben. Und dass der Zufall einen Kunden erst zum Schaufenster und dann in den Laden zieht, kann mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen werden.
Nein, wer bei E + E Spielwaren durch die Eingangstür tritt, will ganz bewusst hier einkaufen – etwa weil er die besondere Auswahl oder auch die kompetente Beratung schätzt. Vor allem aber fährt die Kundschaft an, weil es in der knapp 1000 Quadratmeter großen Spielzeugwelt eine Vielzahl von Produkten gibt, die auch im Zeitalter des Onlinehandels sonst nur schwer zu finden sind. Einen für die Märklin-Eisenbahn passenden Portalkran aus Metall beispielsweise, bedeckt mit einer fast schon museumsreifen Patina und gut und gern 5000 Euro teuer. Oder einen Holz-Kaufladen, in dem es vom Mini-Apfel bis zur Waschmittel-Box von anno dazumal alles gibt, was das Kinderherz begehrt. Oder den ferngesteuerten Allrad-Boliden, der mit einer so leistungsstarken Batterie ausgestattet ist, dass er an der Ampel jeden noch so schnellen Sportwagen stehen lassen würde.
Ein Portalkran für die Modelleisenbahn kann schon mal 5000 Euro kosten
„Die Auswahl ist bei uns schon ein Alleinstellungsmerkmal, bei 150 000 Artikeln“, sagt Peter Kübler, der 70 Jahre junge Seniorchef des Unternehmens, über das Geheimnis seines Erfolgs. Während viele andere Spielzeughändler geschluckt worden sind und trotz oft bester Einkaufsstraßenlage dichtmachen mussten, freut sich der Familienbetrieb aus Remshalden über Kundschaft aus Wuppertal und Wien, Bayreuth und Tuttlingen. Die macht in erster Linie wegen des hochkarätigen Eisenbahnsortiments weite Wege. Ganze Nachlässe kauft die Familie Kübler auf, um eingefleischten Fans von Schmalspur-Loks und Miniatur-Güterwaggons auch historische und im regulären Handel längst vergriffene Modelle bieten zu können. Und klar ist auch, dass es neben Dampfzügen mit einem schon deutlich fünfstelligen Verkaufspreis auch die passenden Modellbau-Utensilien gibt – vom Tannenbaum bis zur Miniatur-Freibad und vom Schwarzwald-Regionalhalt bis zum auch im Modell noch nicht in der Erde verschwundenen Stuttgarter Hauptbahnhof.
Dass zu so viel Leidenschaft auch ein gewisser Spieltrieb gehört, liegt auf der Hand. Bei Peter Kübler und seinen längst ebenfalls ins Geschäft eingestiegenen Kindern äußert der sich darin, dass für treue Kunden regelmäßig Männerabende mit einer Tischkicker-Runde und einem Showdown an der Carrera-Rennbahn veranstaltet werden. Auch die rund um die mächtige Treppe ins Obergeschoss kreisende Eisenbahn darf als Beleg dienen, dass es bei den Küblers nicht nur ums Verkaufen, sondern auch um den Spaß an der Freud geht. Neuester Einfall des Spielzeug-Beschwörers aus Remshalden ist die Idee, sich und der Kundschaft einen Streichelzoo zu gönnen. Kreuz und quer sind lebensgroße Tierfiguren aus dem Steiff-Sortiment im Geschäft: Pferd, Eisbär und Giraffe sind ebenso zu finden wie eine gemütlich vor sich hin mampfende Kuh, zwei Bisons im Originalformat und einem mit einer Körpergröße von 2,80 Metern schon etwas furchterregender Grizzly. „Unser verrückter Chef hat einen Zoo gekauft“, sagt Mitarbeiterin Jana Heinrich augenzwinkernd über das durch den Spielzeugladen trabende Plüsch-Ensemble.
„Es war ein Preis, bei dem ich einfach nicht Nein sagen konnte“
Wie es dazu kam, ist schnell erklärt: Bei Steiff in Gingen an der Brenz gilt das Remshaldener Handelshaus nach unzähligen Club-Abenden als Premium-Partner, dem für den Abverkauf der großformatigen Deko-Tiere ein besonderer Rabatt eingeräumt wurde. Peter Kübler ließ sich nicht lang vom Hersteller bitten, mietete einen Lastwagen und fuhr gleich zweimal, um insgesamt ein Dutzend großformatiger Tierfiguren von der Brenz an die Rems zu bringen. „Es war ein Preis, bei dem ich einfach nicht Nein sagen konnte“, bekennt der Remshaldener.
Ob die Arche Noah auch in absehbarer Zeit verkauft ist, das interessierte den 70-jährigen Spielzeughändler eher weniger – bei einem Listenpreis von 9500 Euro kann so ein Zwei-Meter-Bison schon auch mal zum Ladenhüter werden, auch die am Treppenaufgang wiederkäuende Kuh ist mit 8000 Euro nur unwesentlich günstiger. Andererseits hat E + E in der Vergangenheit durchaus auch schon großformatige Steiff-Figuren an den Mann gebracht – als Dekomaterial für ein Autohaus etwa oder auch an einen nicht näher genannten Kunden, der sogar sein Hausdach teilweise abdecken ließ, um einen lebensgroßen Elefanten per Autokran zur Sitzecke an den Kaminofen karren zu lassen.
Ein Kunde ließ für einen Elefanten sogar sein Hausdach abdecken
Wer vom Spieltrieb geküsst ist, scheut mitunter eben weder Kosten noch Mühen. Aus Sicht der Mitarbeiterschaft muss es mit dem Verkauf gar nicht allzu schnell gehen. „Wir haben in Remshalden jetzt ein wirklich einzigartiges Sortiment. Selbst in den besten Zeiten von Spielwaren Kurz gab es so etwas nicht zu sehen“, sagt Jana Heinrich.