Bislang erfassten bei der Bäckerei Baier Mitarbeiter bei Großkundenbestellungen die Menge der Brötchen händisch. Jetzt macht das der Computer. Foto: dpa/Fabian Sommer

Datenbasierte Dienstleistungen sind für große Unternehmen meist selbstverständlich. Seit zwei Jahren unterstützt das Kompetenzzentrum Smart Services kleine Betriebe auf dem Weg in die Digitalisierung. Wie das geht, erzählt beispielhaft Jochen Baier.

Die Aufgabe war früher bei den Mitarbeitern nicht begehrt, sagt Jochen Baier, Chef der gleichnamigen Traditionsbäckerei in Herrenberg. Die Arbeit sei stressig gewesen, erzählt er im Gespräch mit unserer Zeitung. Dabei nimmt er Worte wie „hoher Mitarbeiterverschleiß“ in den Mund. Konkret redet Baier über die tägliche Bearbeitung der Großkundenbestellungen.

Bis 15 Uhr musste die Order im Haus sein – früher erfolgte dies meist per Fax oder Telefon. Händisch erfassten eine Mitarbeiterin oder ein Mitarbeiter dann alle Daten – also die Anzahl der bestellten Brote, Brötchen, Kuchen und Feingebäck. Die Liste war lang, schließlich musste jede der 23 Brot- und 13 Brötchensorten, die die Bäckerei laut Internet im Angebot hat, einzeln aufgeführt werden. Die Angaben wurden dann als digitaler Backzettel in die Backstube weitergeleitet – wo entsprechend der Kundenwünsche der Teig vorbereitet wurde.

Bestellabgabe ist um 15 Uhr

Bestellabgabe 15 Uhr gilt auch heute noch. Doch mittlerweile übernimmt der Computer die täglichen Rechenübungen. In Windeseile erstellt er die erforderlichen Listen – im Gegensatz zu früher garantiert fehlerfrei. Smart Services nennen Experten solche digitalen Dienstleistungen, die allen Beteiligten Vorteile bringen sollen. „Wenn wir in Zukunft unsere Kunden erfolgreich bedienen möchten, dann brauchen wir Digitalisierung. Sie macht unsere Prozesse klarer, einfacher und auch günstiger“, so Jochen Baier, der in sechster Generation das Unternehmen mit vier Filialen und insgesamt 120 Mitarbeitern leitet.

Nicht zuletzt die Coronapandemie hat dem Trend zur Digitalisierung einen weiteren Schub verliehen. „Jetzt stehen die Unternehmen vor der Herausforderung, mit Innovationen und Digitalisierung zukunftsfähige Geschäftsmodelle zu entwickeln oder bestehende Modelle auszubauen“, sagt die baden-württembergische Wirtschaftsministerin Nicole Hoffmeister-Kraut. Als Beispiele nannte sie die Online-Nachverfolgung von Bestellungen, Videosprechstunden sowie App-gestützte Services. Während dies in vielen Konzernen Alltag ist, hinken kleine und mittlere Unternehmen dieser Entwicklung meist hinterher.

Wenig Aktivitäten der Kleinen

Gerade mal 20 Prozent der Mittelständler stehen entweder kurz vor der Einführung von Smart Services oder wenden sie bereits an. Bei den großen Unternehmen liegt der Anteil bei 54 Prozent, hat eine Untersuchung des Kompetenzzentrums Smart Services ergeben, hinter dem unter anderem das Fraunhofer Institut für Arbeitswirtschaft und Organisation (IAO) in Stuttgart steht. Befragt wurden dafür 150 Unternehmen, die zumindest einen Standort in Baden-Württemberg haben. Experten sind sich sicher, dass Mittelständler im Wettbewerb mit den Großen nur mit innovativen digitalen Angeboten dauerhaft bestehen können.

Warum halten sich die Kleinen zurück? Den Mittelständlern fehlten häufig die Kompetenzen und das Kapital für solche Entwicklungen, sagt die Wirtschaftsministerin. Hinzu komme, dass die Kleinen weniger stark von den Erkenntnissen wissenschaftlicher Einrichtungen profitieren. Informationen aus der Wissenschaft seien häufig zu unstrukturiert, zu wenig praxisrelevant und für einen Mittelständler kaum übertragbar auf das eigene Geschäft, ist in der Untersuchung nachzulesen. Es mangele an der Verständlichkeit von Informationen, kritisieren viele kleine und mittlere Unternehmen.

Das Wirtschaftsministerium fördert

Da setzt das Kompetenzzentrum an, das vom Wirtschaftsministerium mit insgesamt 2,8 Millionen Euro gefördert wird. Im Fokus stehen dabei zum einen kleine Dienstleister, die keine eigene Infrastruktur für Forschung und Entwicklung haben, sagt Thomas Meiren, Leiter des Kompetenzzentrums Smart Services. Und zum anderen Dienstleister mit innovativen Ideen, für die es auf dem Markt noch keine Lösungen oder Anbieter gibt. Er verspricht praxisnahe und kostenlose Unterstützung. Und versichert, dass das Zentrum „nicht in Wettbewerb zu Beratungsunternehmen“ treten will.

Das Interesse an digitalen Lösungen scheint zuzunehmen. „Die baden-württembergischen Unternehmen haben erkannt, dass die Bedeutung von Smart Services für ihr Geschäft steigt“, so Meiren. Mehr als 150 kleine und mittelständische Firmen wurden in den vergangenen zwei Jahren unterstützt – die Bäckerei Baier, die eine Vielzahl digitaler Dienste eingeführt hat, gehört dazu, oder das Stuttgarter Bauunternehmen Rahm, das unter anderem im Bereich Altbausanierung tätig ist. „Die Investition hat sich bereits nach sechs Monaten auf jeden Fall gelohnt“, sagt der geschäftsführende Gesellschafter Axel Rahm. „Inzwischen bekommen wir Anfragen aus ganz Deutschland.“

3200 Beraterinnen und Berater wurden geschult

„Viele der entwickelten Lösungen sind im niederschwelligen Bereich, das heißt die betrieblichen Investitionen beginnen bei wenigen Tausend Euro“, erläutert Thomas Meiren. Er spricht von Mikroprojekten. Die Firmen kämen mit eigenen Ideen auf die 3200 geschulten Beraterinnen und Berater des Zentrums zu. Bedenken hätten sie oft wegen fehlender eigener personeller Ressourcen, fügt der Experte hinzu. Je nach Aufgabenstellung betrage die Dauer eines solchen Projektes zwischen einem und vier Monaten. Zur Amortisationszeit äußert Meiren sich nicht – „die werde bislang nicht systematisch erhoben“.

Für Smart Services gibt es viele Anwendungsmöglichkeiten

Definition
 Experten verstehen unter Smart Services datenbasierte Dienste, die rein physische Produkte ergänzen. Ziel ist, diese Dienste flexibel und individuell auf die Bedürfnisse der Kunden auszurichten.

Branchen
 Die Einsatzmöglichkeiten von Smart Services sind weitreichend – in der Produktion, im Vertrieb oder in der Verwaltung. Anwendungen findet man im Handel genauso wie im Handwerk oder in der Logistik, in den Bereichen Gesundheitswesen und Mobilität bis hin zu Medien und Finanzdienstleistungen, bei denen beispielsweise Fintech-Anbieter smarte Services entwickeln, um das bargeldlose Bezahlen im Geschäft oder Internet einfacher, schneller und sicherer zu machen.

Einsatzgebiete
Der Ansatz ermöglicht neue Geschäftsmodelle. Etwa im Bereich innerstädtischer Mobilität: Carsharing-Fahrzeuge können einfach per Smartphone-App lokalisiert, reserviert und geordert werden. Oder im privaten Haushalt: Dabei geht es etwa um den intelligenten Kühlschrank, der künftig nach bestimmten Kriterien selbstständig Lebensmittel bestellt.