Die Erstplatzierten Tobias Arlt und Tobias Wendl freuen sich nicht über das gemeinsame Bild mit IOC-Präsident Thomas Bach (von links). Foto: dpa/Michael Kappeler

Die umstrittenen Winterspiele in Peking haben weit vor der Eröffnungsfeier für kontroverse Diskussionen gesorgt, die mit dem Entzünden der Olympischen Flamme nicht abebben. Manches Ereignis ist dabei auch zum schmunzeln.

Peking - Die erste Woche der Olympischen Winterspiele in China war geprägt von strahlenden Siegern, großen Leistungen, spannenden Duellen. Es gab allerdings auch viele Tränen und Dramen, einige Skandale und Skurrilitäten. Eine Sammlung, die keinen Anspruch auf Vollständigkeit erhebt.

Uigurin entzündet Flamme

Bewusste Provokation? Oder doch eine Charmeoffensive? Bei der Eröffnungsfeier lassen die chinesischen Gastgeber die 20-jährige Skilangläuferin Dinigeer Yilamujiang die olympische Flamme entzünden. Sie ist eine Uigurin aus der Region Xinjiang, gehört also zu der Volksgruppe, deren Angehörige laut Menschenrechtsorganisationen zu Hunderttausenden vom chinesischen Staat überwacht, interniert und gefoltert werden. Aktivisten bezeichnen den Vorgang als „dreiste, zynische List“, aus Sicht von IOC-Sprecher Mark Adams ist es eine „reizende Idee“. Am Tag darauf läuft Dinigeer Yilamujiang im Skiathlon auf Rang 43. Aber das interessiert schon niemanden mehr.

Bach macht Theater

Der Herr der Ringe ist offenbar ein Fan von Shakespeare. Weshalb Thomas Bach, der IOC-Präsident einen reichlich schrägen Vergleich wählt, als er erklären soll, warum für Athletinnen und Athleten bei den olympischen Zeremonien (Eröffnungs- und Schlussfeier, Siegerehrungen) sowie rund um die Wettkämpfe Protestbekunden und -aktionen verboten sind. „Wenn ein Schauspieler in einem Theater Hamlet spielt“, fabuliert Bach also, „dann fragt sich auch keiner, ob er während des Stücks politische Meinungen äußern kann.“ Kein Wunder, dass nicht wenige das olympische Schauspiel für eine Tragödie halten.

Auf dünnem Eis

Doppel-Olympiasieger Nils van der Poel (Schweden) ist als Mann klarer Wort bekannt, diesmal knöpft er sich die im Eisschnelllauf zumeist dominierenden Niederländer vor. „Das ist ein Skandal“, schimpft er. Und: „Korruption!“ Was geschehen ist? Auf der Homepage des niederländischen Verbandes erklärt Eis-Experte Sander van Ginkel, dass die Oranjes von hartem Eis profitieren, was er durch eine Einflussnahme auf die Bahnverantwortlichen nun auch in Peking zu erreichen versucht habe. Natürlich weisen alle Betroffenen die Vorwürfe umgehend zurück. Ein Eindruck bleibt trotzdem: Irgendjemand bewegt sich hier auf ziemlich dünnem Eis.

Im Shorttrack läuft etwas schief

Disqualifikationen sind im Shorttrack keine Seltenheit, diesmal scheint dabei aber nicht alles rund zu laufen – zumindest nach Meinung von Yoon Hong-geun. Dem Chef de Mission des südkoreanischen Teams missfällt, dass es für China zwei Goldmedaillen gibt, nachdem gleich mehrere Konkurrenten aus dem Rennen genommen worden sind: „Im Sport muss Fairplay garantiert sein.“ Der Südkoreaner kündigt Proteste auf jeglicher Ebene an, und er fordert ein Gespräch mit IOC-Boss Thomas Bach. Der Weltverband erklärt, alles sei in geregelten Bahnen verlaufen. Und dass Bach gerade keine Zeit habe.

Die Anzüge passen nicht

Die Disqualifikation von fünf Skispringerinnen bei der Olympia-Premiere des Mixed-Teams wegen angeblich nicht regelkonformer Anzüge wirkt lange nach. Auch das deutsche Team hat es erwischt, Karl Geiger hängt das Aus in den Trainingssprüngen auf der Großschanze sichtbar in den Klamotten. Während sich die Kontrolleure verteidigen, bleibt festzuhalten: Selten hat sich eine Sportart auf so großer Bühne derart selbst geschadet. Katharina Althaus, die zu den Aussortierten gehörte, geht sogar noch weiter: „Das Damen-Skispringen ist zerstört worden.“

Lesen Sie aus unserem Plus-Angebot den Kommentar zur Disqualifikation beim Skispringen: Was für eine Farce

Rydzek zieht es den Stecker

Die beiden Eurosport-Kommentatoren haben Kombinierer Johannes Rydzek längst zum Olympiasieg gratuliert, der Oberstdorfer stürmt dem Ziel entgegen, nichts scheint ihn aufhalten zu können. Doch plötzlich stürmt von hinten Teamkollege Vinzenz Geiger heran und vorbei - als überhole ein ICE einen Bummelzug. Rydzek geht der Saft aus, er wird Fünfter. „Ich bin stolz, Teil eines so überragenden Rennens gewesen zu sein“, sagt er, „und ich habe ja noch zwei Chancen.“ Im Einzel von der Großschanze und in der Staffel – dann an der Seite von Geiger.

Kampfansage von Taubitz

Rodlerin Julia Taubitz ist die große Favoritin, fährt in zwei von vier Läufen Bestzeit – und ist trotzdem chancenlos. Weil sie einmal nicht aufpasst und stürzt, geht die Weltcup-Gesamtsiegerin leer aus. Im ersten Moment ist sie gefrustet, verärgert, verbittert. Es fließen Tränen der Wut und Trauer. Mittlerweile hat sie ihre Gefühle kanalisiert. Und eine Kampfansage formuliert. „Nach den Spielen ist vor den Spielen“, sagt sie und denkt an Cortina d’Ampezzo 2026, „für dieses große Ziel werde ich alles geben. Jetzt erst recht!“

Kuchler biegt falsch ab

Bei seinem Olympia-Debüt wird Albert Kuchler vom Lang- zum Längerläufer. „Ich kann mir das nicht erklären. So etwas ist mir noch nie passiert“, sagt der 23-Jährige, nachdem er sich im 15-km-Rennen verirrt hat. Er war viel zu früh Richtung Ziel abgebogen, musste hektisch umkehren, büßte rund eine halbe Minute ein. „Das ist eine Geschichte für die Enkelkinder“, sagt Bundestrainer Peter Schlickenrieder, „Platz 32 trotz Extrarunde, das muss man erstmal schaffen.“ Lucas Bögl neckt den Teamkollegen: „Man hat hier wenig Sauerstoff, da funktioniert der Denkvorgang nicht mehr ganz richtig.“

Rodler mit ungebetenem Gast

Tobias Wendl und Tobias Arlt wollen eigentlich ungestört ihren Olympiasieg genießen, als plötzlich Thomas Bach auftaucht und aufs Gewinner-Foto drängt. Ausgerechnet! Im November saß Arlt während der olympischen Testwettkämpfe im Quarantäne-Hotel, gemeinsam mit einer Horde Kakerlaken. Anschließend hat er auch das IOC kritisiert. Nun ist das Rodler-Duo über den Auftritt von dessen Präsidenten verwundert. „Über seine Glückwünsche habe ich mich nicht gefreut“, sagt Wendl, „er hat sich beim Foto einfach dazugestellt, dann war er wieder weg. Das war einfach nur Show.“ Die aber irgendwie ins Bild passt.

Kanzler Scholz rudert gerne

Zu einem offiziellen diplomatischen Boykott der Spiele in China hat sich die Bundesregierung nicht durchringen können, nach Peking reisen wird trotzdem kein hochrangiger Politiker. Auch nicht der Kanzler. Trotzdem fühlt Olaf Scholz mit dem Team D. Sagt er zumindest. „Er wünsche allen noch viel Erfolg“, erklärt der SPD-Mann in einem Videocall mit einigen Athletinnen und Athleten. Um dann noch zu bekennen: „Als Kind war ich eher unsportlich, aber inzwischen ist meine Begeisterung fürs Joggen und Rudern wohlbekannt.“ Hoffentlich weiß er auch, dass diese beiden Sportarten bei Winterspielen nicht auf dem Programm stehen.

So geht Liebe heutzutage

Zum Glück gibt es die sozialen Medien – zumindest für Mikaela Shiffrin und Alexander Aamodt Kilde. Denn ansonsten wäre es ja schwierig für das prominenteste Paar des alpinen Skisports, sich zu liken. Von Superstar Shiffrin, in drei Rennen dreimal gescheitert, geht ein Foto viral, das sie traurig im Schnee sitzend zeigt, und das nun auch Kilde auf Instagram gepostet hat. Versehen mit rührenden Worten: „Der Druck, den wir alle im Sport auf Einzelne ausüben, ist enorm. Es dreht sich alles um das Gleichgewicht. Ich liebe Dich, Kaela!“ Die Reaktion von Shiffrin folgt prompt, diesmal auf Twitter. „Meine Hoffnung für jeden Menschen ist, einen anderen Menschen zu finden, der einen liebt, versteht und heilt, wie Aleksander das bei mir getan hat und weiter tun wird.“ Was für eine (öffentliche) Verbindung!

Die große Maskerade

Corona hat auch die Winterspiele infiziert. Weil ihre Kontrahentinnen aus Russland keine negativen Tests vorlegen können, wollen Kanadas Eishockeyspielerinnen nicht antreten. Das Duell verzögert sich um mehr als eine Stunde. Dann geht der Weltmeister doch aufs Eis – die Spielerinnen beider Teams tragen unter ihren Helmen Coronamasken. Im letzten Drittel nehmen die Russinnen den Schutz dann plötzlich ab: Die Testergebnisse sind doch noch eingetroffen. Die Kanadierinnen behalten die Masken auf, an Luft fehlt es ihnen trotzdem nicht. Sie siegen 6:1.