Aleksander Aamodt Kilde zu Besuch bei den Boss Open in Stuttgart – im Interview mit Redakteur Dirk Preiß (Bild, re. u.) spricht er über die Zeit nach seiner schweren Verletzung (re. o.) und die Unterstützung einer Partneri n Mikaela Shiffrin (li. u.). Foto: Baumann/Britsch, imago/Eibner, NTB

Nach seinem Horrorsturz im Januar war lange nicht klar, ob Aleksander Aamodt Kilde je wieder Skirennen wird fahren können. Bei einem Besuch bei den Boss Open sprach der Norweger kürzlich über seinen Gesundheitszustand – sowie über große und kleine Ziele.

Er ist einer der erfolgreichsten Skirennläufer der vergangenen Jahre. Nach einem schweren Sturz bangte Aleksander Aamodt Kilde aber nicht nur um seine Karriere. Bei einem Besuch in Stuttgart im Rahmen der Boss Open sprach der Norweger über seine Comeback-Bemühungen – und über die Unterstützung seiner Verlobten Mikaela Shiffrin. Kurz nach dem Gespräch in Stuttgart stand er erstmals seit seiner Verletzung übrigens wieder auf Ski.

Herr Kilde, Sie waren jüngst bei den Boss Open auf dem Killesberg zu Gast. Ihr erster Besuch in Stuttgart?

Nein, das nicht. Aber, ehrlich gesagt, bin ich natürlich hauptsächlich wegen meiner Rolle als Markenbotschafter von Boss wieder in Stuttgart und der Region gewesen.

Und? Wie hat’s Ihnen bei den Besuchen gefallen?

Wirklich gut. Stuttgart ist eine coole Stadt. Und sie erinnert mich ein wenig an Oslo.

An Oslo?

Ja, wegen dieser Kessellage. Auch in Oslo geht es an den Rändern der Stadt den Berg hinaus. Wenn man so will, ist der Killesberg in Stuttgart also so etwas wie der Holmenkollen von Oslo. (lacht)

Wie groß ist denn Ihre Begeisterung fürs Tennis?

Sehr groß. Ich spiele selbst in Norwegen in einem Team – und in der Freizeit auch ab und zu mit Mikaela. Tennis ist eine der Sportarten, die mich wirklich fasziniert, und ich bewundere, was die Profis leisten. Das ist außergewöhnlich.

Inwiefern?

Physisch, aber vor allem mental. Sehen Sie, ich als Abfahrer, muss zwei Minuten lang konzentriert sein. Ein Tennisspieler darf über Stunden seinen Fokus nicht verlieren. Das schaffen nur Topathleten, die schaue ich mir sehr gerne an.

Schauen Sie sich auch etwas ab?

Ich weiß, welch große Rolle mentale Müdigkeit im Leistungssport spielen kann. Und wie wichtig es ist, Positivität zu haben. Im Tennis lässt sich das sehr gut ablesen. Wenn ein Spieler beginnt, zu hadern und zu motzen, geht es meist mit der Leistung bergab. Andersherum sieht man, wie gut es tut, wenn eine oder einer positiv bleibt. Das gilt auch für meinen Sport, darüber habe ich mich in Stuttgart mit Matteo Berrettini, der übrigens auch ein Markenbotschafter von Boss ist (Anmerk. d. Red.: und zweimaliger Sieger der Boss Open) unterhalten. Er ist in diesem Bereich ein gutes Beispiel.

Zeitpunkt des Weltcup-Comebacks unklar

Positives Denken – wie wichtig war das für Sie in den vergangenen Monaten nach Ihrem Sturz in Wengen und der schlimmen Verletzung?

Das war sehr wichtig. Aber zu Beginn auch sehr schwer. In den ersten beiden Monaten wusste ich nicht, ob ich zurückkommen kann. In den Skisport – aber auch in ein normales Leben, in dem ich das tun kann, was ich möchte. Das war für den Kopf sehr, sehr schwierig – und insgesamt die schwierigste Zeit in meiner bisherigen Karriere.

Wie ging es dann weiter?

Irgendwann habe ich gespürt: Jetzt geht was, jetzt wird es besser. Und seitdem empfinde ich jede Verbesserung wie einen kleinen Sieg. Manchmal war es nur die Tatsache, dass ich meinen Arm ein paar Zentimeter weiter nach oben heben konnte. Aber diese Erfolge genieße ich – und stelle mich dann wieder an den Start, um das nächste kleine Ziel zu erreichen. Also um wieder zu gewinnen.

Wann haben Sie gemerkt: Ich kann mir das Ziel setzen, auch wieder Skirennen fahren zu können?

Eigentlich schon nach diesen zwei Monaten, als ich gespürt habe: Der Körper, die Nerven, sie reagieren wieder. Ich wusste zwar, es wird viel Zeit brauchen, ich werde Geduld brauchen. Aber ich fühlte mich wieder ein bisschen wie ein Athlet. Das war wichtig für den Kopf.

Sind Sie denn ein geduldiger Mensch?

(Lacht) Nein, überhaupt nicht – wie vermutlich jeder Leistungssportler das nicht ist. Aber für mich ist seit dem Unfall wichtig mich darauf zu fokussieren, was ich alles machen kann. Nicht auf das, was ich nicht machen kann.

Trotz der Methode der kleinen Schritte – haben Sie sich ein Ziel gesetzt, wann Sie wieder Skirennen fahren wollen?

Nein. Das Ziel ist, überhaupt wieder im Weltcup starten zu können. Wenn das im kommenden Winter der Fall ist, gut. Wenn es erst im nächsten wieder geht, dann ist auch okay. Das Wichtigste ist: Wenn ich am Start stehe, muss ich auch bereit dafür sein. Ob ich dann schnell bin, spielt erst einmal keine große Rolle. Aber ich gebe auch zu: Ich möchte irgendwann noch einmal gewinnen. Aktuell bin ich dabei auf einem guten Weg – aber ich weiß noch nicht, wie lange dieser Weg geht.

Denken Sie mittlerweile eigentlich etwas anders über Ihren Sport nach, über die Risiken?

Unser Sport ist speziell, jedes Abfahrtsrennen ist speziell – und am Ende im Ziel zu stehen, ist eigentlich schon ein kleiner Sieg. Das ist mir heute vielleicht mehr bewusst als früher. Bisher war es für mich immer so: Wenn ich nicht gewonnen habe, war es für mich nicht gut genug. Künftig schaue ich vielleicht etwas anders auf meine Resultate.

Bei allen Sicherheitsbemühungen: Risiko, Stürze und Verletzungen werden auch künftig zum alpinen Skirennlauf gehören, oder?

Ich finde es gut, dass man sich viele Gedanken um die Sicherheit macht. Es gibt, zum Beispiel, schnittfeste Unterwäsche, die ich künftig tragen werde. Aber es stimmt schon: Stürze und Verletzungen gehören in unserem Sport dazu. Das macht ihn speziell, das macht es aber auch so speziell zu gewinnen. Wie gesagt: Ich begrüße alle Überlegungen, zumal es zuletzt viel zu viele Verletzungen gab. Ich finde es aber auch gut, dass man den X-Faktor unseres Sports beibehält.

Was war die wichtigste Erkenntnis in den vergangenen Monaten?

Dass man sich um die Menschen, die einem nahestehen sorgt, dass man sie bei sich hält. Und dass man die Zuneigung, die man bekommt, auch zurückgibt. Familie, Freunde... Alles andere ist eigentlich nicht so wichtig. Ich wusste das im Grunde schon vorher, aber nun habe ich es am eigenen Leib erfahren.

Verlobt mit US-Star Mikaela Shiffrin

Wie wichtig war es, in dieser Zeit in Mikaela eine Partnerin an Ihrer Seite zu haben, die das Leben als Topathletin im Skirennlauf genau kennt?

Die Unterstützung von Mikaela war gewaltig. Wir sind die besten Freunde – und das hat sich dann besonders gezeigt, als ich am Boden war. Sie war da, obwohl sie mitten in ihrer eigenen Saison steckte. Für mich da zu sein, hat sie sportlich viel gekostet. Deshalb ist sie für mich als Mensch ein absolutes Vorbild. Es ist beeindruckend, dass sie so eine unglaubliche Athletin ist, aber gleichzeitig so empathisch. Dass sie mit ihrer ganzen Familie derart für einen anderen da sein kann. Deshalb habe ich auch einen Ring gekauft. (lacht)

Der kommende Winter, ob mit oder ohne Sie als Rennläufer, bietet einen besonderen Reiz: Marcel Hirscher hat ein Comeback angekündigt. Hat Sie das überrascht?

Ja, sehr sogar. Nach fünf Jahren ohne Skifahren wieder zurückzukommen, ist nicht ohne. Aber ich denke, es ist das Ergebnis davon, dass er damals ein bisschen zu früh aufgehört hat. Er hat das Rennen fahren einfach noch im Blut.

Vielleicht wird er nun ja Konkurrent in den Speedrennen – die Streif ist er nach seinem Karriereende ja mal heruntergefahren.

Stimmt, ich erinnere mich. Schauen wir mal. Es wird auf jeden Fall eine spannende, richtig coole Saison. Ich hoffe, ich kann dabei sein.

Wie sehen Sie denn die Chancen der deutschen Rennläufer, die eine schwache Saison hinter sich haben?

Dazu kamen ja auch noch Rücktritte wichtiger Athleten wie Thomas Dreßen und Josef Ferstl. Aber: Es sind auch noch einige da, die eigentlich das Potenzial haben, wieder eine gute Saison zu fahren. Andreas Sander, Simon Jocher und andere – die können ganz schnell auch wieder vorne rein fahren. Ich hoffe es auf jeden Fall für das deutsche Team.

Noch einmal zurück zu Ihrer Rolle bei Boss: Sind Sie eigentlich jemand, der sich morgens vor dem Kleiderschrank viele Gedanken macht? Oder nehmen Sie das, was gerade oben liegt?

Nein, ich mache mir Gedanken. Denn ich finde: Stil ist wichtig. Wenn man einem Menschen das erste Mal begegnet ist der Style das erste Wort. Für mich passt die Partnerschaft mit Boss perfekt. Ich finde immer tolle Outfits – und vor allem: Welche, die mir passen. Das ist bei meinem Körperbau und den großen Oberschenkeln nicht selbstverständlich. (lacht)