Ausschnitt von Peter Lenks Gedenksäule zur Bauernkriegsschlacht in Böblingen Foto: /Stadt Böblingen/Peter Lenk

Die Böblinger „Lenk-Säule“ gerät erstaunlich brav. Dabei war der Bauernkrieg doch Rebellion pur, analysiert unser Redakteur.

Nun also auch Böblingen. Die Stadt reiht sich ein in die Liste der Städte, die Skandal-Bildhauer Peter Lenk mit einer seiner Skulpturen bedacht haben wird. Nach Konstanz, Schwetzingen, Überlingen, Radolfzell, Hirsau und unzähligen weiteren, in denen der gebürtige Franke mal mehr, mal weniger Aufruhr mit seinen satirischen Werken entfachte. Nicht so hier: Wenn schon der Böblinger Gemeinderat in nicht-öffentlicher Sitzung Lenks fünfeckige Zehn-Meter-Säule für gut und annehmbar hält, kann von Rebellion keine Rede sein.

Dabei ist die doch der eigentliche Kern des Bauernkriegs. Die Bauern kämpften vor rund 500 Jahren für mehr Gleichstellung, für gerechte Steuern, für mehr Mündigkeit gegenüber dem verhassten Adel. Es war ein Aufbegehren des kleinen Mannes gegen die Obrigkeit, eine Keimzelle der erst viel später errungenen Aufklärung und Demokratie. Themen, die hervorragend zu Peter Lenk passen. Dem Skandal-Bildhauer, der leuchtende Augen bekommt, wenn er davon erzählt, wie er sich seinerzeit in die Protestbewegung der 1968er-Generation einreihte.

Im Herzen ist Lenk dieser Rebell geblieben. Einer, der den Mächtigen gern die Karikatur ihrer selbst vorsetzt, die diese freilich nicht bestellt haben. Die Imperia an der Konstanzer Hafeneinfahrt etwa, die das frivole Treiben von Päpsten und Königen auf dem Konstanzer Konzil von 1414 symbolisiert. Die Statue ist 13 Meter hoch und das einzige satirische Wahrzeichen einer Stadt. Mit ihr gelang Lenk 1993 wohl sein größter Coup, als er die 18-Tonnen-Skulptur in einer Nacht-und-Nebel-Aktion aufstellte.

Stadträte in Peter Lenks Garten in Bodman Foto: jps

Ob des gewaltigen Medienrummels, den die Aktion entfachte, durften sich die beiden die Hände gerieben haben: Das beschauliche Konstanz stand auf einmal bundesweit in den Schlagzeilen. Seitdem ist die Imperia ein Touristenmagnet. Seit August dieses Jahres steht sie sogar unter Denkmalschutz. Das ist Lenks Prinzip: Mit immer vordergründigen, nicht immer tiefgründigen und oft anstößigen Skulpturen entfacht er stets ein Medienecho. Nichts ist ihm lieber, als wochenlanges politisches Hickhack um seine Plastiken. So bleibt er im Gespräch – und im Geschäft.

Säule kostet 350 000 Euro

Denn wäre Lenk nicht ein so berüchtigter Künstler, ihm wäre wohl kaum der Böblinger Auftrag zugeflattert, der immerhin 350 000 Euro schwer ist. Das lässt sich die Stadt die Zehn-Meter-Säule kosten. Der Gemeinderat gab schon grundsätzlich grünes Licht, als das Projekt noch Geheimstatus hatte. Kaum vorstellbar, dass ein jetziger Negativ-Beschluss die Säule noch kippen könnte. Zumal Lenk sie natürlich trotzdem aufstellen würde, um offizielle Genehmigungen scherte er sich bisher schließlich nicht. Im Gegenteil.

Somit war das gemeine Volk so lange außen vor, bis es jetzt kein Zurück mehr gibt. Wie das die aufgebrachte Bauernmeute von damals wohl fände? Fraglich. Überraschend bis irritierend ist außerdem, dass Lenk auf der Säule ohne jegliche Ironie und Verweise ins Jetzt auskommt. Müssen Politiker, Wirtschaftsbosse oder Künstler sonst fürchten, von ihm satirisch bloßgestellt zu werden, beschränkt er sich in Böblingen auf eine zwar martialische, aber doch historisch exakte Darstellung des Gestern.

Dennoch: Der Bauernkrieg war für Böblingen das prominenteste Kapitel in der 771-jährigen Stadtgeschichte. Mit Aktionen im Museum, einer Mitmach-Ausstellung, Theaterstück und der Lenk-Säule ist es im kommenden Jahr erneut vielfach gewürdigt. Gut, dass das Gedenken an die gellenden Ungerechtigkeiten von 1525 lebendig gehalten wird. Die weiteren Kapitel der Böblinger Stadtgeschichte (und am besten auch -zukunft) dürfen daneben nicht in Vergessenheit geraten. Sie sind nicht weniger wichtig. Hingegen noch reichlich unterbelichtet.