Feierlich bis heiter: das Stuttgart Brass Quartett in Sindelfingen Foto: Stefanie Schlecht

Märsche, Blues und Walzer: Das äußerst heitere Silvesterkonzert in der Sindelfinger Martinskirche bot eine besondere musikalische Mischung.

Eigentlich schade, dass die Anwesenden in der Sindelfinger Martinskirche allesamt Besucher waren, und zwar des Silvesterkonzerts. Denn spätestens bei den sechs Stücken aus Tschaikowskys „Kinderalbum“ dürfte es manchen gereizt haben, sich selbst im Rhythmus zu wiegen.

Zu Gast in der ziemlich vollen Kirche war das Stuttgart Brass Quartett. Hausherr und Bezirkskantor Daniel Kepler hat das Quartett bei einem Teil der Darbietungen fantasievoll begleitet. Vor allem im „Trumpet Tune“ des englischen Barockmeisters John Stanley belebte er das Konzertieren mit den Bläsern durch eine wechselnde Klangfarben-Registerwahl.

Begonnen hat das Konzert äußerst repräsentativ, nämlich mit Klängen, wie man sie aus den festlichen Prachtdemonstrationen französischer Könige kennt: Delalandes „Musique royale“ mit Orgelbegleitung und die „Suite française“, bei der die vier Stücke aus verschiedenen Federn stammen. Der letzte Satz, das Prélude, ist sicher allen Besuchern geläufig gewesen als die Erkennungsmelodie von Eurovisions-Sendungen.

Humorvolle Stellen werden lachend quittiert

Wie weggewischt war die förmliche Feierlichkeit dieses Silvesterkonzerts dann durch die sechs Stücke aus Tschaikowskys „Kinderalbum“. Das Publikum quittierte die humorvollen Sätze mit vernehmlichen Lachern – sicher auch zu verstehen als ein Wunsch nach Fröhlichkeit in diesen Zeiten, die Menschen in manchen Regionen dieser Welt bedrückende Lasten auferlegen.

Die sogenannte ungarische Musik war ab dem späten 18. Jahrhundert eine exotische und damals neue Klang- und Rhythmusfarbe im Musikleben. Klassische Komponisten wie Haydn komponierten plötzlich ein „alla zingarese“, im Stil der damals beliebten „Zigeunermusik“. Vor allem Johannes Brahms nutzte die Popularität der andersartigen Tonleitern und Rhythmen.

Die vier Bläser amalgamierten seinen ungarischen Tanz Nummer sechs in ein animiertes Klangbild. Die würzigen Harmonien und ständig wechselnden Tempi verfehlten ihre Wirkung nicht – viel Applaus. Eine Begegnung mit dem bei uns völlig unbekannten Südtiroler Komponisten Vizenz Goller war sein Satz „Ite Missa est“ für Bläser und Orgel, ehe man sich – ohne Organist – der Musik des neuen Kontinents hingab.

Blues und seine Verwandten in der Kirche? Das ist nichts Ungewöhnliches: Viele amerikanischen Komponisten begannen ihre Laufbahn als Sänger in Kirchenchören. „Ol’ Man River“ ist der bekannteste Song aus dem Musical Show-Boat; dessen Komponist Jerome Kern wurde 1885 geboren und studierte kurzfristig sogar in Heidelberg.

Eine der berühmtesten Komponisten war William Handy, der mit dem „St. Louis Blues“ den Standard-Blues schlechthin komponierte. In den romanischen Gemäuern sorgte sein „Beale Street Blues“ für gelöste Stimmung. Etwas stärker an der Kirchenmusik orientiert waren dann die drei Spirituals „O when the saints“, „Deep River“ und „Joshua fit the battle of Jericho“.

Gute Vorzeichen fürs neue Jahr

Bejubelter Abschluss waren Irvin Wagners Variationen über den Klassiker „Happy Birthday“, und zwar im Stil von Bach, Beethoven (mit durchhörbarer fünfter Sinfonie), Strauß, Samba (vielleicht im Gedenken an Pelé), Blues und New Orleans Jazz. Am Ende herrschte eine wunderbar gelöste Stimmung – wenn das keine Vorzeichen für einen guten Start ins neue Jahr gewesen sind.