Die Stadtbücherei Kornwestheim: Digital aufgestellt oder nicht? Foto: Sophia Herzog/Archiv

Ein 78-Jähriger aus Kornwestheim muss sich im Rollstuhl durch die Stadt quälen, weil die Bücherei die Jahresgebühr nur bar annimmt. Wie kann das sein?

Es ist „der Hammer“, findet Wolfgang Holl, dass er seine Jahresgebühr für die Kornwestheimer Stadtbücherei nur vor Ort zahlen kann. Der 78-Jährige wohnt drei Kilometer entfernt von der Bücherei und muss sich einmal im Jahr – inzwischen im Rollstuhl – dorthin aufmachen, um 16 Euro vorbeizubringen. Bücher leiht er sich ausschließlich online aus, damit er sie am Tablet oder PC lesen kann. „Mit Büchern kann ich nichts mehr anfangen, die Schrift ist viel zu klein“, erzählt der Kornwestheimer, „am Bildschirm kann ich die Buchstaben ganz groß ziehen.“ Er versteht nicht, warum er die Büchereikosten in Zeiten der Digitalisierung nicht einfach überweisen kann.

Viele digitale Möglichkeiten

Und es ist ja nicht so, dass Bibliotheken heutzutage keinen digitalen Service bieten. In Kornwestheim gibt es seit knapp einem Jahr eine Station, an der Kunden selbstständig Sachen verbuchen, zurückgeben und kontaktlos bezahlen können. Die Bücherei in Freiberg hat für ihr Konzept „Upgrade – so geht Bibliothek heute“ sogar eine Förderung vom Deutschen Bibliotheksverband bekommen. Damit konnte sie unter anderem iPads und ein digitales Bilderbuchkino anschaffen. In diesem Zuge kamen auch sogenannte Robotik-Boxen in die Bücherei, mit denen Schüler spielerisch an das Thema Programmieren herangeführt werden. Viele Büchereien im Landkreis verfügen außerdem über ein breites Online-Angebot – dabei können nicht nur Bücher digital gelesen, sondern auch Filme oder Musik gestreamt werden.

Gebühren bei der Rückgabe zahlen

An der Digitalisierung vorbeigeschrammt sind die Bibliotheken also nicht. Warum aber kann Wolfgang Holl seine Gebühr nicht online bezahlen? Warum nimmt die Kornwestheimer Bücherei Zahlungen nur vor Ort bar oder mit Karte entgegen? Womöglich weil kein großer Bedarf besteht. Nach Angaben von Mareike Gerhardt, die die Bücherei leitet, bringt der Großteil der Kundinnen und Kunden die ausgeliehenen Medien zu den Öffnungszeiten zurück. Säumnis- wie auch andere Gebühren könnten dann direkt an Ort und Stelle bezahlt werden.

Die Ludwigsburger Stadtbücherei ist da einen Schritt weiter. Dort gibt es bereits seit 2010 die Möglichkeit, Büchereigebühren per Überweisung zu bezahlen. Was zunächst nur für Ausnahmefälle gedacht war, wurde mit der Pandemie eine gängige Bezahlmethode. Dennoch, so teilt die Stadt mit, zahlen auch in Ludwigsburg die meisten Kunden bar in der Bücherei. Nur 13 Prozent tun das, was Wolfgang Holl in Kornwestheim gerne täte: Sie überweisen ihr Geld.

Großzügigkeit in Affalterbach

Wäre Wolfgang Holl Mitglied der Bibliotheken in Freiberg oder Affalterbach könnte er das bereits tun. Dort muss sich niemand die Frage nach Online- oder Vor-Ort-Zahlung stellen, denn dort gibt es keine Jahresgebühren beziehungsweise noch nicht. In Freiberg zumindest wird sich das ändern. Bislang konnte die Bücherei ihr Konzept über Bestseller-Gebühren und Veranstaltungseinnahmen finanzieren. Weil diese Einnahmen seit Corona und wegen des Trends zum Streaming aber viel geringer ausfallen, plant die Stadt nun eine Jahresgebühr.

In Affalterbach wiederum kommt es sehr gut an, dass die Bücherei kein Geld verlangt, so die Verwaltung. Dort gibt es ausschließlich eine Säumnisgebühr für diejenigen, die die Leihfrist überschreiten. Das sind 25 Cent pro Medieneinheit und Woche. Bei Verlust des Büchereiausweises werden zudem drei Euro fällig. Diese Gebühren jedoch können ausschließlich bar gezahlt werden.

Bewegung in Kornwestheim?

Doch womöglich tut sich auch in Kornwestheim etwas. Die Büchereichefin Mareike Gerhardt teilt nämlich auch mit, dass die Möglichkeit der Online-Bezahlung aktuell geprüft wird.