Behinderteneinrichtungen halten Karl Lauterbachs Gesetz für eine Diskriminierung ihrer Mitarbeiter und Bewohner. Foto: dpa/Michael Kappeler

Behinderteneinrichtungen legen Verfassungsbeschwerde ein. Sie wehren sich gegen die Pflicht zur FFP2-Maske in ihren Gemeinschaftsräumen und Werkstätten.

Behinderteneinrichtungen laufen Sturm gegen das neue Infektionsschutzgesetz, das seit 1. Oktober in Kraft ist. Es setzt die Lebenshilfe-Einrichtungen gleich mit Kliniken und Pflegeheimen. Konkret heißt das, dass die Mitarbeiter der Werkstätten für Menschen mit Behinderung ganztägig eine FFP2-Maske tragen müssen. Die Lebenshilfe Bruchsal und die Hagsfelder Werkstätten und Wohngemeinschaften in Karlsruhe und Ettlingen haben dagegen Verfassungsbeschwerde eingereicht.

„Behinderte müssen nicht per se geschützt werden“, sagt Michael Auen, der Vorstandsvorsitzende der Lebenshilfe Karlsruhe/Ettlingen und Hauptgeschäftsführer bei den Hagsfelder Werkstätten und Wohngemeinschaften (HWK). Der Gesetzentwurf aus dem Ministerium von Karl Lauterbach stelle letztlich Intensivpatienten in Krankenhäusern gleich mit den Mitarbeitern der Schreinerei in seinen Einrichtungen. Das hält Auen für unzumutbar und unzulässig.

Die Kritiker wählen deutliche Worte

Die durchgängige Pflicht zur FFP2-Maske behinderte „die Menschen in den Werkstätten noch mehr als die eigentliche Behinderung“. Verfassungsbeschwerde einzureichen hält der Geschäftsführer der Einrichtungen mit rund 2000 Beschäftigten für folgerichtig. „Wir wollen ein Signal setzen“ – die Verfassungsbeschwerde sei bislang einmalig in der Geschichte von Lebenshilfe und HWK.

„Die Pflicht, bis zu 16 Stunden pro Tag eine FFP2-Maske zu tragen, ist diskriminierend, menschenunwürdig und ein massiver Eingriff in das Selbstbestimmungs- und Teilhaberecht der Betroffenen“, hatte bereits Ursel Wolfgramm beklagt, die Vorsitzendes des paritätischen Wohlfahrtsverbands im Südwesten. Andere halten es für verwunderlich, dass sich beim Oktoberfest oder auf dem Cannstatter Wasen Menschen ohne Masken treffen und gemeinsam feiern dürften, wohingegen die Bewohnerinnen und Bewohner in Pflegeheimen eingeschränkt würden. Von „einer zweiten Parallelwelt, in der völlig andere Regeln gelten“, spricht Markus Liebendörfer, Vorstand der Lebenshilfe Bruchsal-Bretten.

Bayern kippt die umstrittene Pflicht

Bisher gibt es in Baden-Württemberg oder gar aus Berlin keine politische Reaktion auf die Verfassungsbeschwerde. Ein klares Signal kommt indes aus Bayern: Dort hat der CSU-Gesundheitsminister Klaus Holetschek praktisch zeitgleich mit dem Eingang der Verfassungsbeschwerde die Regelung aufgehoben. Bayern habe damit „eine missglückte Schutzmaßnahme des Bundes in eine praxistaugliche umgewandelt“, sagte Holetschek. Für Beschäftigte, die geimpft oder genesen sind, genügen im Nachbarland wöchentlich zwei Selbsttests als Schutzmaßnahme gegen die Verbreitung des Coronavirus.