Kinder haben heute rückenschonende Schulranzen mit vielen Funktionen und extra Fächern – das war nicht immer so. Foto: IMAGO/Depositphotos

Die Ranzen der Erstklässler sind heute ergonomisch, bunt und kosten meist ein kleines Vermögen. Um Hefte und Bücher zu transportieren wurde in der Vergangenheit schon so manches ausprobiert. Unsere Redakteure erinnern sich.

In der ersten Klasse ist die Sache klar: zusammen mit den Eltern wählt das Kind einen bunten Ranzen, mit Fußballern, quietschbunten Bonbons, Pferden und Astronauten darauf. Das war nicht immer so – und meist endet der bunte Spaß dann auch mit dem Übertritt in eine weiterführende Schule, wo die Taschen plötzlich cool und gar nicht kindisch sein sollen. Unsere Redakteure erinnern sich, wie man früher seine Hefte, Stifte und das angeschimmelte Vesperbrot transportierte.

Der Schulranzen steht für Gehorsam

Braune Lederrucksäcke, auch Tornister genannt, waren lange üblich und sahen alle fast gleich aus. Foto: Imago/H. Blunck

Bevor alles bunt wurde auf den Rücken trugen Jungs wie Mädels Leder. Den klassische Ranzen eben. Wählen konnte man lediglich, welches Schloss man wollte, ob der Ranzen abschließbar sein sollte und vielleicht noch die Struktur des Leders. Ob ganz glatt oder ein bisschen aufgeraut. Und braun war er natürlich. Manche nannten das Behältnis auch Tornister. Das klingt nach Disziplin und Gehorsam. Und das ist wahrscheinlich kein Zufall. In den Ranzenzeiten waren die Fleißsternchen im Aufgabenheft noch schwer begehrt. Es gab Tafelputzdienste. Wenn man dran war, musste man die beschriebene Tafel mit einem nassen Schwamm reinigen. Das war meist eine ziemliche Sauerei. So wie die Sache mit den ausgelaufenen Füllern. Und das ist das Kontinuum, das alle Schultaschen verbindet: Flecken halten bis in die Ewigkeit.

Hilke Lorenz

Der rätselhafte Wunderkoffer als Schultasche

Der kunstlederne Aktenkoffer war Projektionsfläche für Tagträume und Lebensentwürfe. Foto: Imago/Matthias Stolt

Man könnte meinen, der Aktenkoffer sei nur etwas für strebsame Einser-Schüler gewesen. Keineswegs. Seltsamerweise verband der Aktenkoffer seit den 70er Jahren sehr unterschiedliche Oberschüler-Typen miteinander, auch wenn dies ihre einzige Verbindung war. (Abgesehen vom Geschlecht, denn nur Jungen trugen im Aktenkoffer ihre Schulsachen.) Der kunstlederne Aktenkoffer war trotz seiner simplen Grundform Projektionsfläche für alle möglichen Tagträume und Lebensentwürfe. Es haftet ihm einerseits etwas Versicherungsvertreterhaftes an. Aber ebenso erlaubt er, sich damit souverän zu fühlen wie der unwiderstehliche (Frauen!) James Bond, einer der berühmtesten Aktenkoffer-Träger. Schüler, die schon mit 15 davon träumten, bald wie Papi jeden Tag ins karge Büro zu schleichen (und von Mami geschmierte Brote dabei zu haben), fühlten sich mit Aktenkoffer ebenso wohl wie Fischer-Baukasten-Bastler, die mal ein berühmter Erfinder werden wollten, oder die Jusos, die im Aktenkoffer Flugblätter und Beitrittserklärungen stets griffbereit hatten. Den meisten Aktenkoffer-Schülern von damals dürfte heute gemein sein, dass sie auf Rentner-Rucksack umgestellt haben.

Peter Trapmann

Turnbeutel für Schultaschen-Pragmatiker

Die Sporttasche war der Schulranzen für diejenigen, die immer sportlich wirken wollten. Foto: Imago//Michael Gstettenbauer

Von wegen „Turnbeutelvergesser“. Pragmatiker und Schulprofis verstauen in der Mittelstufe der Schulkarriere einfach alles in einer Tasche. Mit dem Ergebnis, dass auch wirklich alles immer griffbereit ist. Mag auch die Suche in der Tasche selbst etwas länger dauern – Weltatlas, Hefte, Ordner, Mäppchen, Zirkel, Lineal, Geodreieck und Co. können nicht weit gekommen sein.

Etwas unangenehm wird das nur, wenn angeschwitzte Kleidung nach dem Sportunterricht in die Tasche wandert. Eventuell sollte daher ein kleines Extratäschchen in der Tasche mitgeführt werden (ein sogenannter, äh, Turnbeutel). Rein optisch ist die Sporttasche besonders für Mittelstufen-Jungs ein Accessoire, mit dem man ohne Kraftaufwand gleich etwas sportlicher wirkt. Der Tragekomfort, so ehrlich muss man rückblickend sein: 3 von 12 Punkten.

Aber egal, dafür war immer noch genügend Platz für Bücher, Comics, Musikkassetten, Vesperdose. Alles rein. Alles da. Aber wo nur? Ah, da unter dem angeschwitzten T-Shirt. Igitt.

Michael Setzer

Aus der Schultasche wird Grunge zum Umhängen

Vom Scout- oder Amigo-Ranzen wechselte man in der weiterführenden Schule auf die Ledertasche. Foto: Imago

Sie war wie ein Medizinball zum Umhängen: die Ledertasche. Schon ohne Inhalt mörderschwer und maximal rückenverbiegend markierte sie die Metamorphose vom Grundschulkind mit kreischbuntem Ranzen zum Teenie-Gymnasiasten mit Lass-mich-in-ruh-Attitüde. Die braune Ledertasche passte zu den materialgleichen Bändern um Hals und Handgelenke sowie Grunge-Klamotten (ausgeleierter Wollpulli, Knautschseiden-Rock, Stahlkappen-Docs). Ach du schöne, gedankenlose 90er-Jahre-Jugend mit Kate Moss und Kurt Cobain, in der vegane Materialien (ebenso wie Birkenstock übrigens) noch nach unsexy Öko-Typen klangen! Neu durfte die Tasche natürlich auf gar keinen Fall aussehen, weshalb sich im Nu Unterschriften aller Freunde, Depri-Sinnsprüche von Hesse und Peace-Zeichen darauf tummelten. Dennoch hielt die Unverwüstliche bis zum Abitur. Zum neuen Leben an der Uni fern der Provinz in schwarzen Samtblasern wollte sie dann freilich nicht mehr so recht passen.

Lisa Welzhofer

Tief hängende Schlichtheit – der Rucksack als Schultasche

Funktional und schlicht war der Eastpak – ein Muss für Millennial-Schüler. Foto: Imago/Oberhaeuser

Es gehört zur Pubertät, plötzlich mit anderen Augen auf die eigenen Besitztümer zu blicken: die Vesperdose in Prinzessinnenoptik, der Schulranzen mit Dschungeltieren verziert – wie peinlich! Hat sich diese Blickverschiebung einmal eingestellt, ist es unmöglich, sich nur einen einzigen weiteren Tag mit diesen Gegenständen sehen zu lassen. In den Nullerjahren probierten manche Jugendliche dann noch die Ledertasche aus den 90ern als Schulranzen. Aber so recht wollte deren nostalgischer Look nicht mehr passen in diese neue Zeit nach Nine Eleven voller Weltsorgen. Es wurde wieder funktionaler – und da kam der Eastpak. Die Firma stellte ursprünglich Taschen für das US-Militär her, so sah der Schüler-Rucksack auch aus: schlicht, aus robustem Stoff. Er musste tief getragen werden, hing eher auf dem Po als auf dem Rücken. Setzte man ihn ab, wurde über der ebenso lässig hängenden Baggy Pants ein Stringtanga oder ein „Arschgeweih“ sichtbar. Es passte einfach alles schrecklich gut zusammen.

Eva-Maria Manz