Das Lise-Meitner-Gymnasium Böblingen ist über eine Kooperation mit dem Haus der Geschichte nun häufiger im Hotel Silber in Stuttgart zugange.
Einen eigenen, kritischen Blick auf Geschichte fördern: Mit diesem Ziel haben das Lise-Meitner-Gymnasium Böblingen (LMG) und das Haus der Geschichte Baden-Württemberg eine Kooperation geschlossen. Der Erinnerungsort Hotel Silber in Stuttgart ist dabei der außerschulische Lernort.
„Am historischen Ort wird Geschichte begreifbar. Das zeigt sich eindrucksvoll am ersten Projekt der Schulkooperation mit dem Lise-Meitner-Gymnasium: der ‚Silber-Zeitung‘“, sagte Cornelia Hecht-Zeiler, die Direktorin des Hauses der Geschichte, bei der Vorstellung der Kooperation. „Die Jugendlichen haben sich intensiv mit der Geschichte des Hotel Silber als Sitz der Polizei in Diktatur und Demokratie, mit NS-Tätern und Opfern auseinandergesetzt. Wir freuen uns sehr auf die weitere Zusammenarbeit.“
Für Schulleiter Martin Pflumm ist die Bildungspartnerschaft „ein Beitrag zur schulischen Verankerung demokratischer Werte in einer Zeit, in der diese zunehmend herausgefordert werden. Ziel ist es, Schülerinnen und Schüler in ihrem kritischen Denken zu stärken, sie zur aktiven Teilhabe an gesellschaftlichen Prozessen zu ermutigen und ihnen ein vertieftes Verständnis historischer Zusammenhänge zu ermöglichen.“
Durch die Vereinbarung arbeiten das Gymnasium und das Museum dauerhaft im Hotel Silber zusammen. Klassen besuchen den Erinnerungsort zu Workshops, Führungen und Projekten. Darüber hinaus bekommen sie Unterstützung vom Haus der Geschichte bei Präsentationen und Referaten sowie medialen Vorhaben. Auch für Lehrkräfte werden Fortbildungen angeboten.
Stärkung demokratischer Haltungen als Ziel
Das Hotel Silber als Ort des Erinnerns an die Verbrechen der NS-Zeit und an die Geschichte von Polizei, Verfolgung und Widerstand bietet den Schülerinnen und Schülern des LMG die Möglichkeit, historische Erfahrungen mit ihrer eigenen Gegenwart zu verknüpfen. Das Böblinger Gymnasium verspricht sich als Kulturschule von der Kooperation eine engagierte Auseinandersetzung mit Geschichte durch kreatives Arbeiten und die Stärkung demokratischer Haltungen.
In einem ersten Projekt beschäftigte sich eine 9. Klasse des LMG mit unterschiedlichen historischen Themen und gestaltete dazu die „Silber-Zeitung. Eine Reise in unsere Vergangenheit“: Darin geht es etwa um die Schicksale jüdischer Verfolgter, den kommunistischen Widerstand gegen den Nationalsozialismus, die Entnazifizierung nach 1945 und den Wiederaufbau der Kriminalpolizei in der Nachkriegszeit. „Jede Gruppe erhielt zusätzlich zu den Informationen in der Ausstellung historisches Quellenmaterial zur Recherche“, berichtete Projektleiterin und Geschichtsvermittlerin Natalia Kot vom Haus der Geschichte über die Entstehung der Zeitung. „Alle selbst recherchierten, geschriebenen und gestalteten Artikel haben einen direkten Bezug zum Hotel Silber und stellen die Perspektive der jungen Menschen auf die Geschichten und Themen dar.“ So schrieben die Jugendlichen zum Beispiel ein Porträt der kommunistischen Widerstandskämpferin Pauline Haag und eine Rezension des Hörspiels „15:14“ über 15 ehemalige Verfolgte und 14 ehemalige Verfolger bei der Stuttgarter Kriminalpolizei.
Unerlässlich, um das Erlernte kritisch zu überprüfen
Recep Köse begleitete zusammen mit Rita Tabarelli als LMG-Lehrkraft das Projekt. „Die Arbeit mit und am Hotel Silber ist deshalb so wertvoll und meines Erachtens unerlässlich, um an einem Ort außerhalb der Schule das eigene Erlernte kritisch zu überprüfen und die Sinnhaftigkeit zu erleben“, so Köse. Das bestätigte die Klasse in der „Silber-Zeitung“: „Am Ende der Projekttage waren wir alle erstaunt, wie viel wir gelernt haben.“
Das Hotel Silber in Stuttgart wurde mehr als ein halbes Jahrhundert lang von der Polizei genutzt und war Zentrale der Gestapo. In dem einstigen Ort des NS-Terrors entstand als Bürgerbeteiligungsprojekt ein Ort des historisch-politischen Lernens und der Begegnung.