Die Wiederbelebung des Fruchtkastens soll nicht weiter aufgeschoben werden. Foto: Ruess

Galoppierende Kosten, wichtige Projekte: Der Oberbürgermeister setzt kurzfristig auf Schulden – und hofft inständig auf bessere Zeiten.

Ein Defizit von rund acht Millionen Euro und ein Schuldenstand, der bis zum Jahr 2026 auf 65 Millionen Euro ansteigen wird – das sind die in Zahlen gegossenen Fakten des Etatentwurfs für das Jahr 2023. Es ist laut Oberbürgermeister Thomas Sprißler „ein absoluter Ausnahmehaushalt“, den er und der Finanzbürgermeister Stefan Metzing am Dienstagabend im Gemeinderat eingebracht haben.

Das Problem liegt dabei nicht auf der Ertragsseite des Ergebnishaushalts, die ein Volumen von 111,5 Millionen Euro aufweist; unter anderem, weil die Steuereinnahmen leicht steigen. Dem gegenüber stehen jedoch 119,5 Millionen Euro an Aufwendungen. Speziell die gestiegenen Energiekosten, die fortschreitende Inflation und die Mehrkosten für die von der Kommune zu tragende Anschlussunterbringung prägen in diesem Bereich das 550 Seiten starke Zahlenwerk.

Horrende Mehrausgaben

Diese „drei Geiseln“ (Stefan Metzing) sind allesamt Folgen des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine. Für Herrenberg bedeutet das, dass die Stadtverwaltung 2023 mit 2,5 Millionen zusätzlichen Euro fürs Heizen rechnet (3,6 Millionen statt 1,1 Millionen Euro) und 1,4 Millionen Euro statt 700 000 Euro für Strom bezahlen muss. Dazu kommen rund eine Million Euro, mit der die Flüchtlingsunterbringung zu Buche schlägt. Außerdem bedeute zehn Prozent Inflation Mehrkosten von rund 1,5 Millionen Euro, führte Stefan Metzing aus. Thomas Sprißler brachte es in einem Pressegespräch so auf den Punkt: Ohne diese Ausnahmesituation mit multiplen Krisen stünde unterm Strich beinahe „eine schwarze Null“.

Das Ausmaß der Kostensteigerung sei so groß, dass es nicht durch Kürzungen an anderer Stelle oder durch ein Konsolidierungspaket wie im vergangenen Jahr kompensiert werden könnte, betonte der Rathauschef. Daraus resultiere der Vorschlag, das entstehende Defizit im Jahr 2023 bewusst in Kauf zu nehmen und dabei auch ganz bewusst durch antizyklisches Verhalten zu investieren, um den Wirtschaftsmotor nicht zum Stoppen zu bringen.

Der Fruchtkasten wird weiter entwickelt

Wichtige Investitionen, die sich bereits in der Umsetzung befinden, sollen daher nach Ansicht der Verwaltungsspitze fortgeführt werden. Bis 2026 sollen insgesamt 68,8 Millionen Euro insbesondere in die Bereiche Bildung und Betreuung sowie Stadtentwicklung fließen. Allein die Sanierung des naturwissenschaftlichen Bereichs im Andreae-Gymnasium wird rund zwölf Millionen Euro kosten. Los geht es dort aber erst, wenn entsprechende Fördergelder fließen.

In diesem Punkt ist die Wiederbelebung des Fruchtkastens, für den das Investitionsvolumen ebenso hoch ist, schon weiter: Für das in den Status eines „nationalen Projekts des Städtebaus“ erhobene Vorhaben kommen allein vom Bund vier Millionen Euro. Schon weil dies bei einer Verschiebung in Zukunft nicht mehr der Fall sein dürfte, kommt eine verzögerte Umsetzung für Sprißler nicht infrage. Zur Finanzierung der Investitionen muss die Stadt auf Kredite zurückgreifen. Für das kommende Jahr ist die Aufnahme von 19,2 Millionen Euro über Darlehen eingeplant.

Daher sind im Haushalt für Projekte, die noch nicht so weit gediehen sind, nur Planungsraten eingestellt. Das betrifft unter anderem den Neubau der Albert-Schweitzer-Schule, die Erweiterung der Pfalzgraf-Rudolph-Schule, die gemeinsame Grundschule für Kayh und Mönchberg sowie das neue Feuerwehrhaus für Kuppingen und Affstätt. Denn eines machte Sprißler klar: „Ein zweites Jahr wie 2023 darf es nicht geben!“ Ohne deutliche bessere Rahmenbedingungen im kommenden Jahr müssten für die Folgejahre harte Einschnitte erfolgen, um die Haushalte genehmigungsfähig aufzustellen.

Kommunen am Limit

Insgesamt sieht Thomas Sprißler die Kommunen am Limit ihrer Handlungsfähigkeit angekommen. In den vergangenen Jahren seien immer wieder neue Leistungen durch Bund und Land zugesagt worden, aber nicht vorab auf Umsetzbarkeit und Finanzierbarkeit geprüft worden. Insbesondere hat er hier die verlässliche Grundschulbetreuung ab 2026 im Blick, die er gesellschaftlich für richtig hält: „Nicht vorstellbar ist derzeit, wo das Personal und die finanziellen Ressourcen hierfür herkommen sollen.“