Lewis Hamilton (li.) und Max Verstappen vor dem WM-Finale 2021 in Abu Dhabi. Foto: dpa/Hasan Bratic

An diesem Sonntag (16 Uhr) beginnt die Formel-1-Saison – Rekordweltmeister Lewis Hamilton kehrt fest entschlossen auf die Strecke zurück, dem Titelverteidiger Max Verstappen die WM-Krone wieder zu entreißen.

Schlechte Omen für Lewis Hamilton? Der Mercedes, mit dem der Rekordweltmeister in die Saison 2022 startet, trägt die Bezeichnung W13, was aus Traditionsgründen des Konzerns für Wagen 13 steht. Der Homologationsprozess des Autos (die Formel-1-Zulassung) war am 13. Januar abgeschlossen. Wäre dieses Jahr die 13. Saison für den 37 Jahre alten Superstar in der Formel 1, würde er vielleicht ins Grübeln kommen ob der Vorzeichen. Doch erstens startet der Mercedes-Pilot bereits in sein 16. Jahr in der Eliteliga des internationalen Motorsports, und zweitens ist er sowieso nicht abergläubisch

Dabei waren manche Freunde der Hochgeschwindigkeitsszene nicht überzeugt, dass es überhaupt dazu kommen würde. Nach der denkbar unglücklichen Niederlage gegen Max Verstappen durch eine sehr kontrovers diskutierte Entscheidung des Rennleiters Michael Masi in Abu Dhabi keimten Zweifel allerorten, ob Lewis Hamilton die Motivation aufbringen könnte, auf der Strecke wieder zurückzuschlagen. Der siebenmalige Champion war wochenlang abgetaucht. Selbst Mercedes-Motorsportchef Toto Wolff gab sich Mitte Januar noch unwissend: „Ich hoffe sehr, dass wir ihn wiedersehen. Er ist der wichtigste Part unseres Sports. Es wäre ein Armutszeugnis für die Formel 1, wenn der beste Fahrer wegen hanebüchener Entscheidungen beschließt aufzuhören.“

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Lewis Hamilton kam zurück, oder besser: Er setzt die Karriere fort. Je weiter die Zeit voranschritt, umso mehr wurde dies zur Gewissheit, und als der Brite am 18. Februar den Silberpfeil W13 in Silverstone vorstellte, war der Markstein gesetzt. „Ich habe nie gesagt, dass ich aufhöre“, sagte er damals, „ich brauchte Zeit, um einen Schritt zurückzugehen, dann habe ich beschlossen, dass ich noch mal attackieren möchte.“ Es wäre ein unrühmlicher Abgang gewesen, ein Rückzug als Besiegter, der Abschied eines zutiefst Enttäuschten – aber als solcher mochte Hamilton nicht gehen. Er wollte nicht, dass seine „Karriere dadurch definiert“ würde, er weigere sich, betonte er, das zu tun, und habe sich „fokussiert, mein bestes Ich zu sein und stärker zurückzukommen“.

Damon Hill ist davon absolut überzeugt. „Ich glaube, Lewis ist immer noch hungrig. Ja, ich glaube, er will diesen achten Titel“, sagt der Weltmeister von 1996, „und er würde ihn lieber im Kampf gegen alle holen, als ihn auf dem Präsentierteller vorgelegt zu bekommen, weil er in einem besseren Auto als alle anderen sitzt.“ Dass Hamilton locker und lässig zum Titel chauffiert wie 2020, scheint fast ausgeschlossen, der zweitälteste Fahrer im Feld (hinter dem 42 Jahre alten Fernando Alonso) wird mindestens so sehr kämpfen müssen wie im vergangenen Jahr. Im Mercedes W13 scheint, so belegen die Testergebnisse, kein vollkommen überlegenes Technikkonzept zu stecken. Einige Experten sehen das Auto mit leichtem Rückstand zum Red Bull, andere vermuten, das Weltmeister-Team halte die Trümpfe zurück, bis es im Qualifying in Bahrain zum ersten Härtetest kommt.

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Und dann ist da noch Max Verstappen, der mit seinem ersten WM-Titel innerlich gereift ist, der fahrerisch wie renntaktisch noch mal dazugelernt hat und der womöglich beim Saisonauftakt im besten Fahrzeug sitzt. Der gibt die Weltmeisterkrone nicht freiwillig zurück, wenngleich sein Respekt gegenüber Hamilton seit dem WM-Finale gestiegen ist. „Lewis hat mir direkt gratuliert, nachdem er aus dem Auto gestiegen war – das ist das, was echte Sportler tun“, sagte der Niederländer. Man darf aber davon ausgehen, dass Verstappen beim nächsten Kurvenduell nicht minder hart agieren wird wie 2021. Und Hamilton bekommt es nicht nur mit dem 24 Jahre alten Red-Bull-Piloten zu tun. Er hat in George Russell (24) einen echten Gegner in den eigenen Reihen, der im Gegensatz zum abgewanderten Valtteri Bottas (zu Alfa Romeo) beweisen will, dass auch in ihm Weltmeister-Gene stecken. Die Saison 2022 wird gewiss nicht einfacher für Lewis Hamilton als die vergangene. „Ich glaube aber nicht“, sagt Damon Hill, „dass Lewis wegen George aus dem Gleichgewicht kommt.“

Auch Toto Wolff ist überzeugt, dass sein Spitzenmitarbeiter längst nach vorn blickt anstatt nach hinten. „Lewis ist mit einer großartigen mentalen Einstellung zurück. Ich habe ihn nie entschlossener gesehen“, sagte der Mercedes-Teamchef, „alles steht auf Angriffsmodus.“ Hamilton ist bereit zur Revanche, ihm ist nichts im Metier fremd, er kennt auf und neben der Strecke jeden taktischen Kniff und psychologischen Trick – er weiß, welche Eigenschaften nötig sich, um Weltmeister zu werden. „Wenn ihr denkt, dass ihr am Ende des vergangenen Jahres mein Bestes gesehen habt“, verkündete Lewis Hamilton, „dann wartet ab, was ihr dieses Jahr zu sehen bekommt.“ So klingt einer, der überzeugt ist, dass er seine WM-Krone nur ausgeliehen hat.