Am Ende Ovationen im Stehen: Muhterem Aras am Rednerpult; neben ihr Cornelius Meister und die Musiker und Künstler des Staatstheaters Stuttgart Foto: Roberto Bulgrin/LTBW

Landtags-Präsidentin Muhterem Aras begrüßt den Staatstheater-Orchesterchef Cornelius Meister zu einem ganz besonderen Abend. Er bringt eine starke Botschaft mit.

Am 24. Februar überfielen russische Soldaten frühmorgens die Ukraine. Für den gleichen Tag waren schon seit längerer Zeit Muhterem Aras, die Präsidentin des Landtags von Baden-Württemberg, und Cornelius Meister, der Generalmusikdirektor der Staatstheater Stuttgart, zum Gespräch verabredet. „Wir waren fassungslos von den aktuellen Nachrichten“, berichtet Aras rückblickend, „aber wir waren nicht sprachlos.“ Spontan entstand die Idee, möglichst bald im Landtag als Zeichen der Solidarität ein Friedenskonzert zu veranstalten. Dieses fand nun am Mittwochabend am Ende eines langen Sitzungstages statt.

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„Das Gift des Krieges und der Spaltung darf nicht in unsere Gesellschaft eindringen“, sagte die Landtagspräsidentin zur Begrüßung der rund 300 Gäste, darunter zahlreiche Abgeordnete. Aras forderte ein starkes kulturpolitisches Zeichen Baden-Württembergs: „Wir sollten geflüchteten Künstlerinnen und Künstlern, Journalistinnen und Journalisten etwa über Stipendien Perspektiven eröffnen – damit sie bei uns leben und ihre wichtige Arbeit fortsetzen können.“ Dabei erwähnte Aras ausdrücklich auch Künstler und Medienschaffende aus Russland und Belarus.

Ein buntes, kreatives Gemisch

Musiker des Staatsorchesters sowie der Bariton Pawel Konik aus dem Opernensemble boten danach ein kammermusikalisches Programm, das auf doppelte Weise von der Multikulturalität des Staatstheaters und der Kultur überhaupt zeugte: Auf dem Programm stand Musik der ukrainischen Komponisten Mykola Lysenko und Vasyl Barvinsky, der Russen Modest Mussorgski und Dmitri Schostakowitsch – sowie von Arvo Pärt, der als Este mit seinem Werk ja ebenfalls für die enge Verzahnung der osteuropäischen Kulturen steht. Aber auch die Künstler im Landtag selbst erwiesen sich als buntes Völkergemisch von Deutschen, Polen, Rumänen, aus Russland, Ungarn und der Ukraine. Oder mit den Worten ihres Dirigentenchefs Cornelius Meister: „Unsere Musik wird dargeboten von Kolleginnen und Kollegen, die teilweise von weit her nach Baden-Württemberg gekommen sind, wo sie glücklich leben.“

„Verurteilen wir sie nicht“

Meister nutzte seine Ansprache, um bei aller Empörung über das Kriegsgeschehen auf mehr Differenzierung in der Debatte zu drängen: Auch Deutschland habe lange Zeit gebraucht, um die Demokratie zu erringen, „mit welcher Legitimität stünde es mir zu, sämtliche Menschen mit russischem Pass unter einen Generalverdacht zu stellen“? Nicht jeder Russe bei uns sei in unserer eigenen glücklichen Lage, frei von Angst vor Autoritäten sprechen zu können. „Verurteilen wir sie nicht, wenn sie sich nicht trauen, offen zu sprechen, sondern unterstützen wir sie darin, dass auch sie das Recht auf Frieden und Freiheit genießen werden!“

Wer die Grenzen eines Landes verletze und das Selbstbestimmungsrecht der Nationen „mit Füßen tritt“, verdiene Verachtung. Doch in Kunst und Kultur, Musik und Theater seien die Grenzen auf Landkarten irrelevant, so der Stuttgarter Generalmusikdirektor. Ein Bekenntnis, das dieses Konzert endgültig auch zu einem eindrucksvollen politischen Manifest machte.