Sie mögen sich: Ex-Grünen-Chefin Ricarda Lang und der Abgeordnete Tobias Bacherle in Weil der Stadt. Foto: /Simon Granville

Die Ex-Parteichefin der Grünen schließt beim Wahlkampfauftritt in Weil der Stadt eine Koalition mit der CDU und selbst mit den Liberalen nicht aus.

Dass es sich um Polit-Prominenz handelt, die nach Weil der Stadt kommt, macht schon die Polizeipräsenz rund um das Klösterle deutlich, ebenso wie die Sicherheitsleute im rappelvollen Saal. Der Andrang zur Wahlkampfveranstaltung mit Ricarda Lang, bis November 2024 drei Jahre Bundesvorsitzende der Grünen, ist groß. Die rund 130 Sitzplätze reichen längst nicht. Sie wird mit donnerndem Applaus begrüßt, als sie mit Tobias B. Bacherle einzieht.

„Tobias ist einer meiner ältesten politischen Freunde“, sagt sie an ihren Parteikollegen gewandt, „obwohl wir beide noch nicht so alt sind“, fügt die 31-Jährige schmunzelnd hinzu. Für den 30-jährigen Sindelfinger ist es die „erste richtige Wahlkampfveranstaltung“ in diesem Jahr. Er kämpft erneut um sein 2021 erstmals errungenes Mandat, ebenso wie Ricarda Lang.

Rasch geht sie in medias res, als sie schildert, was sie in die Politik gebracht hat. „Als ich 18 war, verlor meine Mutter nach 14 Jahren ihren Job als Sozialarbeiterin im Frauenhaus, weil es aus Geldmangel geschlossen werden musste“, erzählt sie. Sie habe es als zutiefst ungerecht empfunden, dass zuerst bei Frauen und Kindern gespart wird.

Die aus Nürtingen stammende Politikerin reißt in ihrer gut halbstündigen Rede, in der sie Pointen zu setzen weiß und politische Zusammenhänge aufs Korn nimmt, viele Themen an. Wenn man etwa über die Stärkung des Wirtschaftsstandortes Deutschland rede, könne man im gleichen Atemzug über den Ausbau der Kinderbetreuung reden, denn es gebe viele Mütter, die bei besseren Betreuungsmöglichkeiten in stärkerem Maß berufstätig sein wollten. Die Finanzierung von Kitas ist aber kein Thema. Auch die Gedanken zur Reform der Erbschaftssteuer, die die Umverteilung von großen Vermögen zugunsten der Bildung möglich machen soll, konkretisiert sie nicht weiter.

Vertrauen ist das kostbarste Gut

Die viel diskutierte Schuldenbremse lässt Ricarda Lang nicht unerwähnt. „Wir wollen, dass in Deutschland endlich mehr investiert wird“ sagt sie und nennt marode Brücken, sanierungsbedürftige Schulen und die Bahn als Beispiele. „Wir müssen die Schuldenbremse reformieren, wir müssen in die Zukunft der nächsten Generation investieren“, fordert sie. Und angesichts der Entwicklungen in den USA müsse Deutschland auch künftig eine Regierung haben, „die beim Pariser Klimaschutzabkommen bleibt und sagt, wir werden nicht zuschauen, wie unser Planet brennt.“

Doch die Spitzenpolitikerin kann auch selbstkritisch, als sie fragt, warum so viele Menschen das Vertrauen in die Demokratie verloren hätten und warum die Ampelkoalition gescheitert ist. Dabei sei man gut gestartet, habe die Abhängigkeit vom russischen Gas abgebaut und die Unterstützung der Ukraine organisiert. Doch irgendwann sei bei den Koalitionären immer öfter die Frage aufgekommen, wie man selbst am besten dastehe. „Wir müssen dafür kämpfen, dass eine neue Regierung anders zusammenarbeitet, sonst verlieren wir das Vertrauen der Menschen. Das ist aber das kostbarste Gut, das wir in der Demokratie haben.“

Ricarda Lang hat schon mögliche Koalitionsverhandlungen im Blick. „Ich träum jetzt nicht jede Nacht davon, mit Friedrich Merz zu koalieren. Aber Demokraten müssen miteinander gesprächsfähig bleiben, sonst gewinnen am Ende die Anti-Demokraten“, ruft sie den Gästen zu, die dies mit Beifall quittieren.

Die Zuhörer stellen im Anschluss durchaus kritische Fragen, etwa wie auf Trump reagieren oder wie geht’s weiter mit dem Thema Migration, was bringt die Entwicklungshilfe oder wie wird der Ukraine-Krieg beendet. Hier kann nun auch der lokale Kandidat Bacherle seine in den Jahren als Abgeordneter und Mitglied im Auswärtigen Ausschuss gesammelten Erfahrungen als „Außenpolitiker“ präsentieren.

„Warum haben Sie in den letzten drei Jahren nicht das umgesetzt, was Sie jetzt versprechen?“, fragt jemand. Ricarda Lang rechtfertigt zwar die Politik, meint aber, dass man künftig schwierige Themen in der Koalition nicht aussparen dürfe, sondern immer neu verhandeln müsse. Dann fügt sie hinzu: „Und wenn noch mal mit der FDP, dann dürfen die nicht das Finanzministerium haben.“ Dafür hat sie die Lacher auf ihrer Seite.