Nyck de Vries führt das Formel-E-Feld beim Auftaktrennen in Saudi Arabien an – auch bei den nächsten Etappe an diesem Wochenende in Rom will der Niederländer vorn mitmischen. Foto: imago/Andy Hone

Mercedes macht in der Formel E zwar eine gute Figur, doch das Team zögert noch, sich für die nächsten drei Jahre für die elektrische Rennserie zu verpflichten. Es geht um die Serienstruktur und natürlich ums Geld.

Stuttgart - Der Stern strahlt dort, wo er nach dem Selbstverständnis der Daimler AG hingehört. Ganz oben. In der Fahrerwertung der Formel E liegt Nyck de Vries nach dem Saisonauftakt Ende Februar in Saudi-Arabien an der Spitze. Der Niederländer geht als Gejagter in die zweite WM-Etappe der elektrischen Rennserie, wenn an diesem Wochenende in Rom die Läufe drei am Samstag (16 Uhr) und vier am Sonntag (13 Uhr/beide Sat 1) anstehen. „Wir hoffen, dass wir genauso konkurrenzfähig sein werden wie in Diriyah“, sagt der 26 Jahre alte Sieger des Saisonauftaktrennens, „aber es ist wie immer sehr schwierig vorherzusagen, was unsere Konkurrenten machen werden. Das Wichtigste wird sein, viele Runden zu fahren, um alle nötigen Daten zu sammeln.“

In der Formel E sind die Rennen nicht an eine exakte Rundenzahl gekoppelt, gefahren werden in den sogenannten E-Prix 45 Minuten plus eine Runde – womöglich aber sind die Kilometer von Nyck de Vries, seinem Teamkollegen Stoffel Vandoorne (Belgien) und dem Mercedes-Team in der Formel E schon bald gezählt. Denn am 1. April ist die Frist für die Einschreibung für die Saison 2022/23 abgelaufen, in der mit den neuen Generation-3-Autos gefahren wird. „Wir sind im Moment nicht in der Lage, eine endgültige Entscheidung zu treffen“, erklärte Ian James, Formel-E-Chef von Mercedes, „wir haben entschieden, das für eine Weile zu verschieben – wahrscheinlich bis Mitte April. Wir werden uns nicht zu lange Zeit lassen.“

Porsche hat sich bereits verpflichtet

Die dritte Generation wird Schnelllade-Boxenstopps erlauben und eine Leistungssteigerung auf 350 kW (475 PS) der Elektrorenner mit sich bringen. Außerdem ermöglichen neue Motoren an der Vorderachse eine Energierückgewinnung von bis zu 600 kW an allen Rädern. Der indische Hersteller Mahindra und DS Automobiles (Citroën/Peugeot) hatten sich früh für die neue Ära verpflichtet, noch rechtzeitig vor Fristende folgten die Autoriesen Nissan und Porsche.

Es gab bei Mercedes intern viele Gespräche, in denen mit Motorsportchef Toto Wolff über das weitere Engagement diskutiert wurde – das Werkteam befindet sich in der zweiten Saison und hatte den Einstieg 2019 mit dem Vormarsch der E-Technologie begründet. Ein Aus nach nur zwei Spielzeiten auf der E-Bühne wäre aus unternehmensstrategischer Sicht kein Ruhmesblatt und würde wohl rote Zahlen in den Bilanzen hinterlassen. Der geplante Kostendeckel ist nicht der Knackpunkt in den Verhandlungen mit Formel-E-Geschäftsführer Jamie Reigle, Mercedes ist wie alle Rennställe an Einsparungspotenzialen interessiert – im Raum steht ein Budgetlimit zwischen 25 und 30 Millionen Euro pro Saison. „Während die Diskussion über die Kostenobergrenze recht positiv verlaufen ist, sind noch andere Punkte zu klären“, sagte Ian James.

Wirft die Formel E genug Gewinn ab?

Das Topthema dürfte Finanzen heißen. Eine Hauptrolle spielt vermutlich, wie rentabel das Investment ist, sowie die Antwort auf die Frage: Wie viel Gewinn wirft der Formel-E-Einsatz für die Rennsportsparte des Daimler-Konzerns ab? James umschreibt das so: „Wir wollen sicherstellen, dass die richtigen Zutaten vorhanden sind, auch in Bezug auf das Businessmodell, damit das für uns wie für die Serie nachhaltig ist.“ Wie in der Formel 1, nur in Beträgen eine Etage niedriger, geht es den Rennställen in der Formel E darum, mit überschaubarem Geldeinsatz einen ordentlichen Gewinn einzustreichen. Motorsport ist primär ein Geschäft und erst in zweiter Hinsicht ein sportliches Vergnügen. Bislang müssen die Hersteller, die sich zur Gen-3-Ära anmelden, bis 2026 an Bord bleiben – bei vorzeitigem Ausstieg werden 300 000 Euro Strafgebühr pro Jahr fällig. Auch diese Klausel könnte ein Knackpunkt in den Verhandlungen sein, Mercedes setzt Reigle und die Rennserie mit dem Zögern ein wenig unter Druck. „Es ist natürlich möglich, dass wir auch nach Ende der Frist unterschreiben“, räumte Ian James ein.

Verhandeln gehört zum Geschäft, es deutet vieles darauf hin, dass Mercedes auch 2022 in der Formel E mitmischt. Wo sonst könnte Daimler die Kompetenzen in E-Mobilität sichtbarer demonstrieren? Wo sonst die Zielgruppe der nächsten Generation Autofahrer besser erreichen? Dann werden Erfolge, wie sie Nyck de Vries kürzlich gefeiert hat, wirtschaftlich richtig wertvoll. Dann strahlt der Stern ganz besonders hell.