Fernreisen in die USA und nach Thailand sind zurzeit wieder sehr stark nachgefragt. Foto: dpa/Kostas Lymperopoulos

Nach dem Coronajahr mit seinen Einschränkungen verzeichnet die Reisebranche wieder mehr Buchungen, allerdings zum größten Teil kurzfristige. Die Unternehmen wappnen sich weiter für unerfreuliche Zeiten.

Berlin - Die Touristikbranche rechnet erst im kommenden Frühjahr mit wieder besseren Geschäften. „Wir stellen uns auf ein weiteres schwieriges Jahr ein“, sagt Norbert Fiebig. Der Präsident des Deutschen Reiseverbands erwartet, dass die Rekordumsätze vor Corona frühestens wieder 2023 erreicht werden. Weiterhin werde wegen der Unsicherheiten durch die Pandemie so kurzfristig gebucht wie nie zuvor.

Vor der Jahrestagung der Branche in Griechenland blickt Fiebig verhalten optimistisch auf das bevorstehende Touristikjahr, das im November mit der Wintersaison startet. Denn nicht nur Kreuzfahrten, auch Fernreisen werden wieder häufiger gebucht. Besonders die Nachfrage für die USA und Thailand habe stark angezogen. „Die Lust zum Verreisen ist zweifelsohne da“, betont der Verbandschef. „Sobald ein beliebtes Urlaubsziel wieder bereist werden kann, steigen auch die Buchungen an.“

Beliebte Reiseziele kann man noch nicht bereisen

Doch Einreise- und Quarantänebestimmungen, die sich abhängig von den Infektionszahlen rasch ändern und Reisepläne über den Haufen werfen können, sorgen weiterhin für Zurückhaltung bei vielen Reiselustigen. „Aktuell gibt es noch immer keine wirkliche Planungssicherheit – weder für die Urlauber noch für die Reisewirtschaft“, räumt Fiebig ein. Man werde „wohl noch ein wenig auf Sicht fahren müssen“.

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Von früheren Rekorden ist die Sonnenbranche noch weit entfernt. Bis Ende September lag der Buchungsstand für die Wintersaison um 50 Prozent unter dem Stand vor Corona. Beliebte Ziele wie Australien, Neuseeland und Indonesien mit der Urlaubsinsel Bali sind weiterhin überhaupt nicht oder nur mit massiven Einschränkungen zu bereisen. Doch es gibt auch positive Entwicklungen. Bei den Malediven und der Dominikanischen Republik seien die Umsätze vor der Krise fast wieder erreicht.

Aktuell liegen die Kanaren bei den meist gebuchten Destinationen vorne, auch Ägypten, die Vereinigten Arabischen Emirate und die Türkei sind auf der Liste der Topziele. Das Land am Nil ist aber noch Hochrisikogebiet und mit derzeit 53 Prozent Umsatzminus weiter schwer gebeutelt, zumal der Tourismus dort viele Menschen ernähren soll. Andere klassische Winterziele wie Kuba, Mauritius, Seychellen, Kenia, Tansania und Südafrika liegen ebenfalls noch weit unter früheren Buchungszahlen.

Die vorige Wintersaison fiel fast komplett aus

Im Vergleich zum gerade endenden Touristikjahr 2020/21 gibt es Lichtblicke. Die Pandemie verursachte nach Verbandsangaben bis Ende September fast 70 Prozent Umsatzrückgang bei den pauschal oder in Bausteinen gebuchten Reisen. Wegen Corona habe es bisher in zwei Jahren rund 24 Milliarden Euro Umsatzeinbußen gegeben, beklagt Fiebig unter Verweis auf die Branchendaten von Travel Data + Analystics.

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Die vorige Wintersaison fiel wegen der weltweiten Lockdown-Maßnahmen fast komplett aus, die Erlöse sanken um 94 Prozent. Erst ab Mai wurde wieder mehr gebucht, einige Wochen sogar auf Rekordniveau, aber auch extrem kurzfristig. In den Ferienmonaten Juli und August wurden laut DRV 55 und 61 Prozent der Reiseverträge weniger als vier Wochen vor Abreise geschlossen. Beliebt waren die Flugpauschalreisen nach Spanien, Griechenland und in die Türkei. Auch die Sommersaison wird nun aber mit Umsatzeinbußen von voraussichtlich 56 Prozent enden. Bei Kreuzfahrten liegt das Minus sogar bei 67 Prozent und bei Fernreisen bei 73 Prozent. Davon seien Reisebüros besonders betroffen, da Kunden sich bei diesen Urlaubsformen öfter den Rat von Experten suchen.

Die Krise ist für Branchenkenner noch nicht überstanden

So bleibt die Lage der Branche nach Verbandsangaben weiter angespannt. Große Veranstalter wie TUI und FTI benötigten bereits milliardenschwere Staatshilfen, ebenso die Lufthansa und zahlreiche andere Airlines. Immerhin fast 60 Prozent von 550 befragten Touristik-Unternehmen erwarten nun aber für nächstes Jahr eine deutliche Erholung und für 2023 dann wieder Umsätze wie vor Corona. Ein weiteres Drittel rechnet damit für 2024.

Das zeige, dass die Krise „noch nicht überstanden ist“, sagt Fiebig. Die staatliche Unterstützung habe aber geholfen und eine Insolvenzwelle verhindert. Diese Ansicht teilten auch 90 Prozent der befragten Veranstalter und Reisebüros. Durch Kurzarbeit wurden demnach bei zwei Drittel der Unternehmen Entlassungen vermieden, allerdings kehrten auch zahlreiche Mitarbeiter nicht mehr in den Betrieb zurück und wechselten den Arbeitgeber oder die Branche.

Dadurch verschärfe sich der Fachkräftemangel, klagt der Verband. Besserung ist nicht in Sicht. Denn im gerade gestarteten Ausbildungsjahr bieten 72 Prozent der Reisebüros keine Lehrstellen mehr an. Auch im nächsten Jahr will nur jeder zweite befragte Betrieb Nachwuchs ausbilden.