E-Rezepte haben einen QR-Code, hinter dem sich ein oder mehrere Arzneimittelverordnungen verbergen. Foto: picture alliance/dpa/David Inderlied

Der Apotheker Markus Hobler aus Leinfelden hofft auf ein Ende des Papierrezepts. Doch noch verläuft die Digitalisierung im Gesundheitswesen stockend.

Fehlende Datenlesegeräte, der Vorwurf mangelhaften Datenschutzes, zu wenig Raum für eine Testphase: Die Einführung des elektronischen Rezepts gerät immer wieder ins Stocken. Im Interview erklärt Markus Hobler, Apotheker in der Rats-Apotheke Leinfelden, warum die Umstellung auf das E-Rezept seiner Meinung nach überfällig ist.

Wie funktioniert das E-Rezept vom Ausstellen bis zum Erhalt eines Medikaments?

In den teilnehmenden Arztpraxen erhält der Patient einen Token. Dabei handelt es sich um einen QR-Code, hinter dem sich ein oder mehrere Arzneimittelverordnungen verbergen. Die Verordnungen selbst sind auf einem Server hinterlegt und können nur mit Hilfe dieses Tokens abgerufen werden. Die Arztpraxis hat nun entweder die Möglichkeit, den Token auf einem DIN-A4-Blatt auszudrucken und dem Klienten mitzugeben, oder er wird direkt auf das Smartphone des Patienten übertragen. Dafür sind aber einige technische Voraussetzungen zu erfüllen.

Auf Anruf nach Hause gesendet werden kann das Rezept nicht?

Die Übertragung per E-Mail ist aktuell nicht zulässig – weder an den Patienten noch an die Apotheke. Daher denke ich auch, die Befürchtungen, es könne zu weniger Praxisbesuchen und damit finanziellen Einbußen für Ärzte kommen, sind unbegründet.

Wo sehen Sie die Vorteile des E-Rezepts?

Ein vollfunktionsfähiges E-Rezeptsystem würde erheblich zum Bürokratieabbau beitragen. Die digitale Übermittlung der Daten hat auch einen großen zeitlichen Vorteil: bei der Erstellung des Tokens in der Arztpraxis, bei der Verarbeitung in der Apotheke und letztlich natürlich auch bei der Abrechnung der Verordnungen im Abrechnungszentrum.

Damit das funktioniert, muss die entsprechende digitale Vernetzung stehen.

Richtig. Und die technischen Voraussetzungen bei den Ärzten, in Krankenhäusern und Apotheken sind immens. Die Kosten sind hoch. Man spricht hier von der sogenannten Telematikinfrastruktur, kurz TI, die eine datenschutzkonforme Übertragung der Daten zulässt. Ein wichtiger Baustein ist die Identifizierung der Ärzte und Apotheker. Diese erfolgt mittels des sogenannten Heilberufeausweises, der von den jeweiligen Kammern ausgestellt wird und ähnlich wie der Personalausweis funktioniert.

Woher kommt die Unsicherheit in der Bevölkerung?

Das hat mit den immer wieder aufflammenden Diskussionen zum Thema Datenschutz und der Einstellung von Pilotprojekten zu tun. Das Vertrauen in diese zukunftsweisende Umstellung wurde leider völlig untergraben.

Sind ältere Menschen besonders skeptisch?

Ich sehe Senioren als eine Zielgruppe unter vielen – allerdings spielt es natürlich schon eine Rolle, dass ältere Menschen oft eine Vielzahl an Dauermedikamenten einnehmen müssen und das Thema Arzneimittelversorgung oder –beschaffung eine zentrale Rolle spielt.

Nach Einführung des E-Rezepts sollen Patienten auch Medikationspläne oder ein Wechselwirkungscheck abrufen können. Richtig?

Es ist angedacht, den Token auf der elektronischen Gesundheitskarte abzuspeichern. Hier wäre es dann sicher auch möglich, Medikationspläne und andere wichtige Dokumente abzuspeichern. Aktuell bieten viele Medikationsapps bereits die Möglichkeit, Dosierungspläne abzuspeichern.

Ein Argument, das pro E-Rezept ins Feld geführt wird, ist die Fälschungssicherheit. Ist das ein Problem, das ins Gewicht fällt?

Fälschungen kommen vor allem bei Medikamenten mit Suchtpotenzial gar nicht so selten vor. Natürlich wird versucht, über die Sicherheitsstandards der verwendeten IT möglichst keine Schlupflöcher für Fälschungen zu bieten. Ob das in der Praxis dann auch so funktioniert, wird sich zeigen.

Ist der Startzeitpunkt 2023 für die Umstellung realistisch?

Wir sind bereits mitten im Roll-out, das heißt wir haben in unseren Apotheken schon einige E-Rezepte bearbeitet und beliefert. Für Baden-Württemberg war das Frühjahr 2023 als offizieller Starttermin vorgesehen. Er wird sich sicher nochmal nach hinten verschieben.

Wie wird sich der Alltag für Apotheker durch die Digitalisierung verändern?

Klar ist nur, dass er sich verändern wird. Allerdings ist es noch ein langer Weg bis alle Fragen zur Bearbeitung und Korrektur des E-Rezeptes geklärt sind. Trotzdem möchte ich feststellen, dass das E-Rezept – wie die elektronische Gesundheitskarte – längst überfällig ist und zeitnah umgesetzt werden sollte.

Infos zum Termin und zur Person

Markus Hobler
1975 in Mangalore/Indien geboren wuchs Markus Hobler in Leinfelden-Echterdingen und Sindelfingen auf. Nach seinem Pharmaziestudium an der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg war er zunächst für drei Jahre als Krankenhausapotheker am St. Bernwards-Krankenhaus in Hildesheim tätig, ehe er sich zum Fachapotheker für Klinische Pharmazie, Geriatrie und Gesundheitsberatung weiterbildete. Seit 2005 ist Hobler Inhaber der Hubertus-Apotheke in Musberg. 2018 übernahm er die Rats-Apotheke Leinfelden. 2022 gründete er die Stadt-Apotheke Leinfelden.

Termin
Am Mittwoch, 23. November, lädt der Stadtseniorenrat Leinfelden-Echterdingen zu einem Vortrag von Markus Hobler im Treff Zehntscheuer ein. Das Thema: „E-Rezept – ein Baustein der digitalen Gesundheitswelt“. Beginn ist um 15 Uhr.