Ungarns Premier Victor Orbán fällt immer wieder durch verbale Entgleisungen negativ auf. Nun tat der Politiker kund, dass er „multi-ethnischen“ Gesellschaften ablehne. Foto: AFP/GEORG HOCHMUTH

Der ungarische Premier wird wieder einmal verbal auffällig. Nun fordern Europaparlamentarier von der EU-Kommission ein schärferes Vorgehen gegen den Regierungschef.

Victor Orbán dürfe nicht ungestraft davonkommen. Immer mehr Europaparlamentarier fordern harte Konsequenzen gegen den ungarischen Premier. Für einen erneuten Skandal sorgte Orbán nun, als er seine Ablehnung einer „multi-ethnischen“ Gesellschaft kundtat. „Wir wollen keine gemischte Rasse sein“, die mit Nicht-Europäern „vermischt“ werde, sagte er.

Das seien „rassistische Parolen eines Regierungschefs der Europäischen Union“, empört sich der grüne Europaabgeordnete Daniel Freund. Völlig unverständlich ist es in seinen Augen, dass sich die EU-Kommission zu keiner offiziellen Stellungnahme durchringen kann. Sprecher Eric Mamer erklärte lapidar: „Die Kommission kommentiert nie solche politischen Reden.“ Vor allem das Schweigen von EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen ist für Freund völlig unverständlich. Ihre Nachsicht gegenüber Orbán sei allerdings „kein neues Phänomen“. Deswegen wage es der umstrittene Premier immer wieder „noch einen draufzusetzen“.

Ständige Veto von Victor Orbán

Brüssel hat Ungarn bereits seit Jahren wegen Verstößen gegen die Rechtsstaatlichkeit im Visier. Auch bei den EU-Sanktionen gegen Russland scherte Orbán mehrfach aus. Auf Druck Budapests strich die EU den russisch-orthodoxen Patriarchen Kirill von der Sanktionsliste. Auch das Embargo gegen russisches Öl vom Juni verzögerte eine Veto-Drohung Orbáns. Schließlich stimmte Ungarn als einziges Land beim EU-Energieministertreffen gegen den Notfallplan, mit dem die Mitgliedsländer bis Ende März 15 Prozent Gas einsparen wollen. „Ich verstehe nicht, wie Mitgliedstaaten dazu gezwungen werden sollen“, sagte Orbán. „Aber Deutschland hat ja ein gewisses Know-how in dem Bereich, wie die Vergangenheit gezeigt hat.“ Die Bundesregierung verurteilte Orbáns Anspielung auf die Nazi-Zeit. Die Aussage sei „völlig deplatziert“, erklärte ein Regierungssprecher in Berlin.

Die sprachlose EU-Kommission

Einige EU-Kommissare melden sich nach dem verbalen Ausfall des ungarischen Regierungschefs in Sachen „multi-ethnischer“ Gesellschaft zwar zu Wort, ohne jedoch Orbáns Namen zu nennen. So mahnte Vizekommissionspräsident Frans Timmermans auf Twitter, Rassismus habe „keinen Platz in Europa, denn unsere Stärke beruht auf Vielfalt“. Sein griechischer Kollege Margaritis Schinas schrieb ebenfalls auf dem Kurznachrichtendienst: „Hass hat weder auf unseren Lippen noch in unseren Gesellschaften etwas zu suchen.“

Daniel Freund sind solche Tweets zu wenig und er fordert die EU-Kommission auf, „endlich konkrete Strafmaßnahmen gegen Ungarn einzuleiten“. Schon vor Monaten hätte Brüssel wegen verschiedener Verstöße der Regierung gegen EU-Regeln Strafzahlungen beantragen können, habe das Verfahren aber verschleppt. Zudem dürften die Milliardensummen aus dem Corona-Hilfsfonds auf keinen Fall ausgezahlt werden.

Scharfe Kritik auch aus Ungarn

Auch die ungarischen Europaparlamentarierin Katalin Cseh verlangt von der EU-Kommission in Sachen Orbán eine deutliche Verurteilung. Dessen Tiraden seien „der absolute Tiefpunkt der ungarischen Diplomatie“ und würden jeden EU-Verbündeten beleidigen, erklärt die liberale Politikern.

Im Europaparlament äußern sich immer mehr Parlamentarier, dass es allerhöchste Zeit sei, Victor Orbán Grenzen zu setzen. Sie wollen deshalb den Druck auf die EU-Kommission weiter verstärken. Sein Treiben gefährde gerade in der aktuellen Krise die dringend notwendige Einheit der Union.

Am Donnerstag ruderte der ungarische Regierungschef dann wieder zurück. Er habe seine Aussage so nicht so gemeint, wie er das gesagt hat. „Dass ich manchmal missverständlich formuliere, das kommt vor“, sagte Orban bei einem Arbeitsbesuch in Wien. Sein Widerstand gegen Migration fuße nicht auf biologischen Grundlagen, sondern auf historisch-kulturellen. Generell verfolge Ungarn beim Kampf gegen Antisemitismus und Rassismus eine Strategie der „Null-Toleranz“, erklärte Orban.