Eine Mutter hat ihre Angst, mit dem Rad durch den Schwabtunnel zu fahren, öffentlich gemacht. Die Reaktionen zeigen: Sie ist kein Einzelfall. Zur Lösung der Stadt gehen die Urteile auseinander.
Die Reaktionen zeigen: Katharina Höfelmann ist kein Einzelfall. Nachdem sie öffentlich gemacht hatte, dass sie sich im Schwabtunnel als Radlerin von Autofahrern bedrängt und bedroht fühlt, haben sich weitere Stuttgarter mit ähnlichen Erlebnissen bei unserer Redaktion gemeldet. Aus den E-Mails spricht auch eine gewisse Erleichterung, dass das Thema auf den Tisch kommt.
Tobias Seiter meidet den Schwabtunnel. „Aus Sorge um das Leben meiner Kinder und auch um das eigene“, sagt er. Wenn er von Stuttgart-Nord nach Stuttgart-Süd zur Kita unterwegs ist, sitzt sein vierjähriger Sohn auf dem Rücksitz, die einjährige Tochter im Radanhänger. Der Umweg koste ihn täglich zehn bis 20 Minuten mehr Zeit. Aber: „Man mag sich nicht ausmalen, was da beim kleinsten Fahrfehler passieren kann.“
Lieber Umweg als durch den Schwabtunnel in Stuttgart
Peter Friedrich aus Stuttgart-West berichtet, dass er seinen Kindern nicht erlaube, mit dem Rad in die Schule in Stuttgart-Süd zu fahren. Und auch er selbst fahre nur noch morgens bergab gen Süden durch den Tunnel. Zurück nehme er einen drei Kilometer langen Umweg. „Ich bin zu oft abgedrängt, angehupt und beschimpft worden.“ Einmal sogar mit seinem Sohn. Das sei ein „Schlüsselerlebnis“ gewesen.
Wie bei Katharina Höfelmann. Die Mutter berichtete von zwei Ereignissen im Februar, bei denen Autofahrer von hinten auf sie zugerast seien und sie knapp überholt hätten. Ihre Tochter saß hinten auf dem Lastenrad. Deshalb hatte sie sich Hilfe suchend an die Stadt Stuttgart gewandt.
Die Lösung, die die Stadt nun umsetzen will: Die Gehwege durch den Schwabtunnel sollen für Radfahrer freigegeben werden. Laut dem Stadtsprecher Sven Matis sollen die Schilder nächste Woche angebracht werden. Eine Entscheidung, die auch auf Verwunderung trifft.
Der Vater Tilman Baur, der an der Reinsburgstraße wohnt und im Schwabtunnel schon zuhauf brenzlige Situationen erlebt hat, nennt die Lösung der Stadt „eine Bankrotterklärung“. Einmal mehr würden Fußgänger und Radler gegeneinander ausgespielt. „Zusammenstöße auf dem Bürgersteig sind vorprogrammiert“, sagt er.
Das befürchtet auch Lisa Schmidt, die die Fußgängersicht schildert. Die Freigabe des Gehwegs für den Radverkehr empfinde sie „als absolute Unverschämtheit“. Bereits heute gehe es eng und gefährlich auf dem Gehweg zu. Sie erzählt von rasenden Radlern, die sich um laufende Schülergruppen schlängeln, von Lastenrädern, „die sich einfach an Passanten vorbeidrücken“.
Lösung der Stadt Stuttgart „pragmatischer Ansatz“
Weniger hart ins Gericht mit der Lösung der Stadt für den Schwabtunnel geht Jonathan Makurath, der Bezirksvorsteher im Süden. Die Polizei habe das Amt für öffentliche Ordnung gebeten, etwas zu tun. Der Grund: Bei Kontrollen müssen die Beamten offenbar regelmäßig radelnde Schüler, die älter als zehn Jahre sind, ermahnen, wenn sie auf dem Gehweg unterwegs sind. Doch auf der Straße ist es zu gefährlich. Die Freigabe sieht Makurath nicht als langfristige Lösung, er nennt sie „einen pragmatischen Ansatz“. Die Schilderung von Katharina Höfelmann, die auch bei ihm einging, sei „ja nur ein Beispiel von ganz vielen“. In der Sitzung des Bezirksbeirats am 6. Mai hat Makurath die Gefahrenstelle angesprochen. „Das ist eine Diskussion, die wir schon lange haben.“ Es gebe verschiedenste Ideen. Doch der Fall bleibe kompliziert.
Im Nachgang der Sitzung wird er nun Kontakt mit dem Amt für öffentliche Ordnung aufnehmen. Die Bezirksbeiräte schlagen vor, dass nur der Gehweg bergauf für den Radverkehr freigegeben wird und dass neue Radpiktogramme auf der Fahrbahn daran erinnern, dass hier auch Radfahrer unterwegs sein dürfen. „Wir müssen zu einer Befriedung kommen“, sagt Makurath.