Im letzten Bauabschnitt an der Beinsteiner Straße wurden 21 öffentlich geförderte Wohnungen geschaffen sowie weiterer Raum für drei Wohngruppen der Diakonie Stetten. Foto: / Stoppel

Der letzte Bauabschnitt im Gebiet Beinsteiner Straße in Kernen ist beendet: Dort gibt es nun 71 sozial geförderte Wohnungen, plus drei inklusive Wohngemeinschaften. Doch im Kreis sollen weitere mehr als 250 Mietwohnungen gebaut werden.

Iris Linge ist happy. „Ich finde das hier so richtig schön!“, sagt die 65-Jährige und strahlt. Sie steht mitten in ihrem künftigen Wohnzimmer an der Beinsteiner Straße 27 in Rommelshausen und malt sich aus, wie sie ihr neues Zuhause einrichten wird: „Hierhin kommt mein Bett, dahin der Nachtkasten, gegenüber der Fernseher und hierher der Schrank. Couch brauche ich keine.“ Die weißen Wände will sie hellblau streichen, dazu „ein gelber Mond mit Sternen“. Dass Linge nicht die allererste Bewohnerin ist, die im Februar vom Schweizerhaus der Diakonie Stetten in die WG an der Beinsteiner Straße ziehen wird, macht ihr nichts aus. „Ich bin ja schon am 8. Februar an der Reihe und habe Geduld – und im Sommer kann ich dann in den Garten sitzen und zu den Nachbarn schauen.“ Ihr Zimmer im Neubau sei größer und moderner als das alte. Auch das freut sie.

Insgesamt 18 Plätze für Menschen mit Behinderung

Mit Iris Linge werden 17 weitere Menschen mit geistiger Behinderung im Neubau an der Beinsteiner Straße ihr neues Zuhause finden. Jeder hat sein eigenes Zimmer, es gibt drei betreute Wohngruppen auf drei Etagen. „Wir kochen selbst und wollen überhaupt so selbstständig wie möglich hier miteinander leben“, sagt Wohnverbundleiter Severin Frei von der Diakonie Stetten. Das Schweizerhaus sei baufällig und werde nach und nach aufgegeben. Dafür würden neue Großeinrichtungen gebaut. Aber auch kleinere Wohngruppen, verteilt in der Gemeinde, seien nötig.

Am Freitagmorgen jedenfalls stand bei der feierlichen Einweihung mit den künftigen Bewohnern und geladenen Honoratioren nicht nur das inklusive Wohnen, sondern auch die gesamte Quartierentwicklung des Gebietes an der Beinsteiner Straße im Vordergrund. „Wir brauchen dringend Wohnraum, und wir freuen uns, dass wir vorankommen“, sagte Kreisbau-Chef Dirk Braune. Um dem Wohnungsmangel zu begegnen, wurden im Auftrag der Kreisbaugruppe in drei Bauabschnitten von 2014 bis 2018 bereits insgesamt 50 geförderte Mietwohnungen erstellt. Innerhalb eines knappen Jahres entstanden 2022 in einem vierten und letzten Bauabschnitt weitere Gebäude mit 21 Wohnungen plus ein Wohnhaus mit den drei inklusiven Wohngruppen für 18 Klienten der Diakonie Stetten.

Alle Beteiligten lobten die gute Zusammenarbeit aller Akteure. „Es ist ein spannendes Projekt, das sich doppelt lohnt“, sagte Kernens Bürgermeister Benedikt Paulowitsch. „Wir schaffen bezahlbaren Wohnraum und Wohnraum für Menschen mit Behinderung.“ Das Bauvorhaben, das vom Büro Aktivhaus in Modulbauweise umgesetzt wurde, sei nicht nur beispielhaft im Klimaschutz, es diene der Kommune als Blaupause für eigene Projekte, etwa im Gebiet Hangweide, so der Bürgermeister.

Millionenschweres Förderprogramm erweitert

Landrat Richard Sigel hob das Engagement des Landkreises hervor. Im Jahr 2017 habe der Rems-Murr-Kreis ein millionenschweres Förderprogramm beschlossen, um bis 2027 insgesamt 500 neue, geförderte Wohnungen zu schaffen. Nach aktuellem Stand könne das Ziel schon im kommenden Jahr erreicht werden. „Das Vorhaben hier ist erst mal ein Schlussstein für die Quartierentwicklung in Kernen, aber auch ein Meilenstein für die Zukunft“, sagte Sigel. Denn die Erweiterung des Wohnbauprogramms um zusätzliche mehr als 250 Wohnungen sei bereits beschlossen. Hierbei sollten nicht nur explizit Menschen mit Wohnberechtigungsschein in den Blick genommen werden, es sollen reguläre Mietwohnungen geschaffen werden, die bezahlbar sind. Allein für diese Neuausrichtung würden insgesamt 116 Millionen Euro investiert.

Fördertöpfe des Ministeriums ausgeschöpft

Der Vorsitzende der Diakonie Stetten, Pfarrer Rainer Hinzen, betonte ebenfalls das gute Miteinander: angefangen von der Planung des Projekts bis zu dessen Durchführung. Sorge bereite ihm aktuell jedoch, dass die Fördertöpfe des Sozialministeriums für bestimmte Bauvorhaben für Menschen mit Behinderung für die kommenden zwei Jahren ausgeschöpft seien. Hier sei die Politik gefordert.

Was das künftige Miteinander im Quartier angeht, herrscht bei ihm volle Zuversicht: „Wir wollen mitten in einem normalen Wohngebiet zeigen, dass wir ganz normale Nachbarn sein können“, sagte Hinzen. Das Konzept funktioniere anderswo bereits ohne Probleme. Und im Übrigen gelte eines: „Dass alle Menschen etwas Besonderes sind.“