Im Prozess ist der Mann bieder aufgetreten. Foto: dpa/Bernd Weißbrod

Der Mann, der bei Lörrach vor einem Jahr einen Polizisten angefahren hat, sei ein „typischer Fall“, sagt die Anklagebehörde in ihrem Plädoyer. Und sie nennt einige Belege.

Für die beiden Vertreterinnen der Bundesanwaltschaft besteht nach viermonatiger Prozessdauer vor dem Oberlandesgericht (OLG) in Stuttgart kein Zweifel. Der Mann, der am 7. Februar 2022 bei einer Verkehrskontrolle bei Efringen-Kirchen im Landkreis Lörrach einen Polizisten überfahren hat, ist ein überzeugter Reichsbürger. Es handele sich „um einen klassischen Fall“, sagte auch der Vertreter des als Nebenkläger zugelassenen Polizisten in seinem Plädoyer und zitierte damit eine Sachverständige.

Wegen Mordversuchs, vorsätzlichen gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr, gefährlicher Körperverletzung, Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte und unerlaubten Entfernens vom Unfallort solle der 62-Jährige für zehn Jahre ins Gefängnis, erklärte die Anklagevertreterin. Zudem forderte sie eine lebenslange Führerscheinsperre. Mehrfach, auch nach der Tat, habe der Mann deutlich gemacht, dass er neben vielem anderen auch die Straßenverkehrsordnung nicht anerkenne. Als seine Flucht schließlich endete und er selbst schwer verletzt am Steuer saß, weigerte er sich immer noch auszusteigen. Für eine Kontrolle fehle die gesetzliche Grundlage, erklärte er den Beamten. Dieser Punkt sei für die Beurteilung der Tat nicht unbedeutend, sagte der Nebenklageanwalt.

Ein Brief an den Bürgermeister

Da nutzte auch ein Brief nichts, den der Mann Anfang dieses Monats aus der Haft heraus an den ehemaligen Bürgermeister seiner Heimatstadt geschickt hat. Darin erklärt er, es sei eine Beleidigung, ihn als Reichsbürger zu bezeichnen. Auch dies sei allerdings typisch, sagte die Bundesanwältin. Tatsächlich hatte der Mann seinen bundesdeutschen Personalausweis schon im Jahr 2019 im Rathaus abgegeben. Im Auto fanden die Beamten einen keltischen Druidenausweis. In der Seitentasche der Autotüre lagen Flyer der rechtsextremen Gruppierungen „Ewiger Bund“ und „Vaterländischer Hilfsdienst“.

Auch Nachbarn und Kollegen aus dem örtlichen Musikverein hatten im Verlauf des Prozesses von der zunehmenden Radikalisierung des alleinstehenden Mannes berichtet. Zunächst sei es nur um die Rundfunkgebühren gegangen, die er nicht für rechtmäßig hielt. Dann habe er auch Behörden wie das Finanzamt nicht mehr anerkannt. Er habe sich als Bürger des Großherzogtums Baden gefühlt und habe das Deutsche Reich in den Grenzen von 1918 wiederherstellen wollen. An den beiden Eingangstüren zu seinem Haus verkündeten selbst gebastelte Schilder, wie er auf das Eindringen von „Polizisten und anderen Kombattanten“ in sein Haus reagieren werde. Er habe das „Recht, sie zu eliminieren“. Zwei Armbruste hatte er sich schon im Internet bestellt.

Zuerst noch zum Querdenker-Spaziergang

Am Tattag hatte der Mann zunächst einen Corona-Spaziergang besucht und dabei Bier und Glühwein getrunken. Mehr als ein Promille soll er zur Tatzeit gehabt haben. Dennoch sei er voll schuldfähig. Bei der Kontrolle habe er plötzlich Gas gegeben. Den Polizisten, der habe ausweichen wollen, habe er bei Tempo 25 mit einer Lenkbewegung auf die Motorhaube genommen. Der Beamte erlitt schwere Verletzungen und ist vor allem aus psychischen Gründen immer noch dienstunfähig. Nächsten Freitag wird das Plädoyer der Verteidigung erwartet. Am selben Tag soll auch das Urteil fallen.