Rachel Carson erklärt 1963 einem Ausschuss des US-Senats die verheerenden Wirkungen von DDT. Foto: imago images/Everett Collection

Ihr Buch „Der stumme Frühling“ von 1962 hat die Ökobewegung in Gang gebracht. Rachel Carson war Mahnerin und große Autorin – die Stuttgarter Schauspielerin Barbara von Münchhausen stellt sie vor.

Zwar zanken Literaturkritiker ständig darum, welche aktuelle Neuerscheinung denn epochal, welche zumindest lesbar, welche bloß banal sei. Aber spätestens die Menschheit des 22. Jahrhunderts, falls es die überhaupt geben wird, dürfte sich einig sein, was denn das wichtigste Buch des 20. und 21. Jahrhunderts war: Rachel Carsons „Der stumme Frühling“ (im Original „Silent Spring“) aus dem Jahr 1962. Falls es eine Menschheit des 22. Jahrhunderts nämlich geben sollte, dann wird sie die verbliebene Lebenserhaltungsfähigkeit der Erde einem Aufwachprozess zu verdanken haben, der mit Rachel Carsons großem Mahnbuch so richtig begann.

Die 1907 geborene Meeresbiologin und Autorin hatte einen zugleich empathischen und scharfen Blick für das, wovor ihre Zeitgenossen noch die Augen verschlossen: für die Zerbrechlichkeit der Natur. Als nach dem Zweiten Weltkrieg in großem Stil neu entwickelte Pestizide eingesetzt wurden, um die Natur von scheinbar überflüssigen Schädlingen zu befreien und die Erträge der Landwirtschaft zu steigern, nahm man sichtbare Schäden an der Natur, wenn überhaupt, dann nur achselzuckend zur Kenntnis. Das werde sich bald einrenken, hieß es. Carson war alarmiert und alarmierte.

Tote Vögel, tote Bienen

Tote Vögel, tote Bienen, steigende Krebszahlen bei Menschen – die studierte Wissenschaftlerin und passionierte Naturbeobachterin Carson drückte nicht die Daumen, dass die Natur sich an den Einsatz von DDT schon gewöhnen werde, sondern rechnete hoch. Und hielt einer teils noch aggressiv ungläubigen Wirtschaft, Politik, Öffentlichkeit und Fachwelt die Vision eines stummen Frühlings vor, in dem kein Vogel mehr singen, kein Insekt mehr summen würde. Es ging Carson nicht um Romantik, sondern um Zusammenhänge: ohne intakte „kleine“ Natur keine Lebensgrundlage für die „große“ Menschheit.

Seit langem schon gilt die bereits 1964 gestorbene Rachel Carson als eine der Gründungsfiguren der Ökobewegung. Schon das allein wäre ein guter Grund, mal wieder an sie zu erinnern, wie es am 30. April und am 7. Mai im Rahmen des „KlimAct!“-Festivals im Stuttgarter Studiotheater geschehen wird. Der Stuttgarter Schauspielerin Barbara von Münchhausen aber geht es bei ihrem „Rachel Carson – eine Spurensuche“ benannten Abend aber um mehr. So einflussreich Carsons „Silent Spring“ war, so gründlich ist leider ihr restliches Werk zumindest für Europäer hinter diesem Buch verschwunden. Doch die kurze Formel „Rachel Carson: Ökomahnerin“ fasst diese talentierte Frau nicht.

Informiert und poetisch

Bevor Carson den „Stummen Frühling“ schrieb, war sie mit drei Büchern über das Leben am und im Meer – „Under the Sea-Wind“, „The Sea around us“ und „The Edge of the Sea“ – als großartige Naturbeschreiberin aufgefallen: informiert und informierend, poetisch und einfühlsam, hellwach und versenkungsfähig. Wer das im angelsächsischen Raum viel höher angesehene und besser als bei uns gepflegte „Nature Writing“ als legitimen Zweig der Literatur sieht, der muss die stilsichere Rachel Carson für eine höchst beachtenswerte Autorin halten.

Wie Carson zu ihrem Blick auf die Welt kam, welche Kämpfe sie zu führen hatte, welche Anstrengung es manchmal war, quer zum Konsens zu stehen, all das will Barbara von Münchhausen mit ihrem Programm wenigstens anreißen. „Eigentlich viel zu viel für einen Abend“ seufzt sie, wie alle, die sich ein großes Projekt vorgenommen haben. Aber sie hat eben erkannt: Einfach noch mal wichtige Passagen aus „Silent Spring“ vorzutragen, wie sie anfangs vorhatte, das wäre viel zu wenig, wenn man Carson gerecht werden möchte.

Termine „Rachel Carson – eine Spurensuche“: Studio-Theater Stuttgart, am 30. April sowie am 7. Mai, jeweils um 21 Uhr.