Diskussion zum ernsten Thema, die durchaus auch Spaß machte (von rechts): Martin Attar, David Holinstet und Jörg Litzenburger. Foto: /hos

Anlässlich des Antikriegstags wird in Böblingen mit einem politischen Kinoabend daran gearbeitet, Ressentiments gegen Juden und Moslems abzubauen.

„In schwierigen Zeiten ist es wichtig, genau hinzuschauen“, eröffnete der Moderator Jörg Litzenburger, Präventionsbeauftragter des Landkreises Böblingen, den Abend. Rund 40 Interessierte kamen am Dienstagabend zum politischen Kino anlässlich des Antikriegstages ins Böblinger Filmzentrum Bären. Gezeigt wurde der 30-minütge Kurzfilm „Masel Tov Cocktail“, gefolgt von einer Diskussion mit Gästen jüdischen und muslimischen Glaubens die das Ziel hatte, Vorurteile gegenüber beiden Religionen abzubauen.

Eingeladen hatte ein bunter Strauß an Veranstaltern um DGB, Attac, Partnerschaft für Demokratie Böblingen und dem Landkreis. Im Film von Studenten der Ludwigsburger Filmakademie Baden-Württemberg wird Dima, ein jüdischer Schüler mit russische Wurzeln immer wieder mit Klischees konfrontiert. 32 mal kam das Wort Jude vor und doch musste Dima erkennen, dass es oft mit ihm, dessen Familie aus der Sowjetunion stammt und der noch nie in Israel war, eigentlich gar nichts zu tun hat.

Bildung als Schlüssel

Jörg Litzenburger schlug mit seinen Gästen, dem gebürtigen US-Amerikaner und seit 1982 in Deutschland lebenden Juden David Holinstet sowie dem muslimischen Politik- und Islamwissenschaftler Martin Attar, Sohn syrischer und polnischer Eltern, den Bogen zur aktuellen Situation in Deutschland insbesondere vor dem Hintergrund des Gaza-Krieges. Beide bilden ein kongeniales Duo, dass für die Tübinger interreligiöse Stiftung Weltethos gemeinsam Schulen besucht und sich auch im Böblinger Bärenkino gegenseitig die Bälle zuspielte.

„Es gibt viele Vorurteile, aber wenig Wissen“, erklärte David Holinstet. „Um Rassismus zu verstehen, müssen wir uns weiterbilden“, ist die feste Überzeugung von Martin Attar. „Es ist schockierend, wenn Getötete gefeiert werden“, nahm er auch eigene Glaubensgenossen ins Gebet.

Er bezog sich dabei auf die Reaktionen eines Teils der in Deutschland lebenden Palästinenser auf die terroristische Attacke vom 7. Oktober 2023. Wie David Holinstet verurteilte er das Überschwappen solcher Ideologien nach Deutschland. Wie Bildung sei Vielseitigkeit ein Schlüssel gegen Voreingenommenheit. David Holinstet erläuterte das an sich selbst als deutsch-amerikanischer Jude und Ingenieur: „Man kann viele Seiten haben, aber es ist ein Problem, wenn man sich abkapselt.“

„Noch haben wir Meinungsfreiheit!“

Eine wenig segensreiche Rolle würden dabei die sozialen Netzwerke, KI und allgemein das Internet spielen. Ob die Demokratie hierzulande auf dem Rückzug sei, stellte Jörg Litzenburger als Frage in den Raum. Um dem sofort ein energisches „Noch haben wir Meinungsfreiheit!“ entgegenzustellen. Gerade die Vielfalt mache doch aus seiner Sicht ein gedeihliches Zusammenleben erst aus. „Lasst uns höflich miteinander umgehen“, appellierte er deshalb gerade an die, die am Dienstag nicht im Böblinger Kinosaal waren. Sicher nicht zweimal sagen musste er dagegen den Anwesenden solchen Worten auch Taten folgen zu lassen.