Finanzminister Christian Lindner (FDP) ist Herr über die Bundeskasse. Foto: dpa/Michael Kappeler

Gesundheitsminister Karl Lauterbach hat einen Entwurf zur Pflegereform vorgelegt, der bei der Finanzierung noch vieles offen lässt. Ist Finanzminister Christian Lindner bereit, weiteres Geld zu geben?

Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach hat einen Gesetzentwurf zur Reform der Gesetzlichen Pflegeversicherung vorgelegt. Er war mit großer Spannung erwartet worden, denn die Lage der Versicherung ist nicht gut. Deren Bilanz wies zum Jahresende ein sattes Minus von 2,2 Milliarden Euro aus. Dabei lagen die Liquiditätsreserven bereits 1,2 Milliarden Euro unter der gesetzlich vorgesehenen Höhe. Der Minister präsentiert nun einen Plan, mit dem die Quadratur des Kreises gelingen soll: Eine deutliche Verbesserung der Einnahmesituation bei gleichzeitigen Erhöhungen einiger Leistungen. Wir fassen den Stand der Debatte zusammen.

Die Beiträge

Hier hatte Lauterbach zwei Aufgaben zu lösen: Höhere Beiträge sind notwendig, um die prekäre Finanzlage der Versicherung zu stabilisieren. Gleichzeitig muss die Reform eine Forderung des Bundesverfassungsgerichts berücksichtigen. Karlsruhe hatte vom Gesetzgeber mehr Beitragsgerechtigkeit im Hinblick auf die finanzielle Belastung durch Kinder gefordert. Schon heute gibt es eine Staffelung. Aktuell liegt der Pflegeversicherungsbeitrag generell bei 3,05 Prozent. Für Menschen ohne Kinder gibt es aber einen Zuschlag. Hier liegt er bei 3,4 Prozent.

Das Verfassungsgericht verlangt aber eine präzisere Unterteilung. Lauterbach schlägt nun vor, dass der Beitragssatz für Kinderlose von 3,4 auf 4 Prozent steigt. Bei einem Kind soll er von 3,05 auf 3,4 Prozent klettern. Aber für jedes weitere Kind soll ein Abschlag von 0,15 Prozent greifen. Das hätte zur Folge, dass ab dem dritten Kind der Beitrag künftig niedriger ausfallen würde als heute. Die Erhöhungen sollen ab dem 1. Juli 2023 gelten. Rechnerisch ergeben sich so Mehreinnahmen von jährlich 6,6 Milliarden Euro.

Pflegegeld

Die Mehreinnahmen sollen auch für Leistungsverbesserungen verwendet werden. Wird ein Pflegebedürftiger mit mindestens zweitem Pflegegrad zuhause von Angehörigen oder Freunden gepflegt, haben sie Anspruch auf Pflegegeld. Das Pflegegeld war zum letzten Mal im Jahre 2017 erhöht worden. Es soll nun genauso wie die ambulanten Sachleistungen im kommenden Jahr um fünf Prozent angehoben werden. Zudem sollen Geld- und Sachleistungen zum 1. Januar 2025 und zum 1. Januar 2028 entsprechend der Preisentwicklung weiter angehoben werden.

Zuschüsse für Heimbewohner

Die von den Bewohnern von Pflegeheimen zu entrichtenden Eigenanteile können erdrückend sein. Deshalb hatte der Gesetzgeber schon 2021 Leistungszuschläge zu den Eigenanteilen eingeführt. Danach erhalten die Betroffenen im ersten Jahr einen Zuschuss zum sogenannten „einrichtungseinheitlichen Eigenanteil“ von fünf Prozent. Er steigt im zweiten Jahr auf 25 Prozent, im dritten Jahr auf 45 Prozent und danach auf 70 Prozent. Die Sätze werden nun für die ersten zwölf Monate auf 15 Prozent erhöht, für das zweite Jahr auf 30 Prozent und für das dritte Jahr auf 50 Prozent. Danach soll ein Zuschuss von 75 Prozent des Eigenanteils gezahlt werden.

Pflegeunterstützungsgeld

Das Pflegeunterstützungsgeld wird gezahlt, wenn Arbeitnehmer Familienmitglieder aufgrund einer akuten Lage unerwartet pflegen müssen. Bislang konnte das Unterstützungsgeld zehn Tage pro Jahr in Anspruch genommen werden. Lauterbachs Reform schreibt nun fest, dass das Unterstützungsgeld zwar weiter an bis zu zehn Arbeitstagen im Jahr in Anspruch genommen werden kann – aber nun gelten die zehn Tage je pflegebedürftiger Person.

Die Finanzierung

Das Plus von 6,6 Milliarden Euro durch die Neuregelung der Beiträge reicht nicht aus, um die Pflegeversicherung wirklich zu stabilisieren. Eigentlich ist klar, dass es dazu einen Steuerzuschuss braucht. Im Koalitionsvertrag steht, dass die Rentenbeiträge für pflegende Angehörige sowie die pandemiebedingten Zusatzkosten der Pflegeversicherung aus Steuermitteln ausgeglichen werden sollen. Das macht immerhin acht Milliarden Euro. Finanzminister Christian Lindner (FDP) lehnt Steuerzuschüsse allerdings bisher ab. Die SPD, aber auch die Sozialverbände, dringen darauf. Darum wird sich die politische Debatte in nächster Zukunft drehen. Und die könnte sehr konfliktreich verlaufen.