Die meisten Menschen, die im Kreis Ludwigsburg auf Pflege angewiesen sind, leben im häuslichen Umfeld. Foto: dpa//Mascha Brichta

Die Beratung der Pflegestützpunkte im Landkreis Ludwigsburg ist so stark gefragt wie nie. Nicht selten haben es die Expertinnen mit verzweifelten Angehörigen zu tun.

Von solchen Wachstumsraten können viele Unternehmen nur träumen. Die Pflegestützpunkte im Landkreis Ludwigsburg erfahren eine steigende Nachfrage. Um fast 21 Prozent hat sich die Zahl der Beratungen von 2021 bis 2022 erhöht. Immer mehr Pflegebedürftige und ihre Angehörigen wenden sich an die Expertinnen der fünf Anlaufstellen. Die Teams arbeiten an der Kapazitätsgrenze.

„Die Pflege ist eines der Topthemen und sie bleibt es für die kommenden Jahre“, sagt Heike Dierbach, die Leiterin des Fachbereichs Soziales und Pflege beim Landratsamt Ludwigsburg. Als Gründe dafür nennt sie einerseits die demografische Entwicklung, also den Anstieg des Anteils älterer Menschen in der Bevölkerung, und andererseits auch soziale Tendenzen. Angehörige lebten heutzutage nicht mehr so häufig in der Nähe oder seien beruflich stärker eingebunden. Beide Faktoren haben zur Folge, dass mehr Unterstützungsangebote nötig werden.

Immer mehr Pflegebedürftige im Landkreis

In diesem Zusammenhang verweist Heike Dierbach auf die kürzlich herausgegebene Statistik der Pflegeversicherung. Demnach lebten im Jahr 2021 rund 24 000 pflegebedürftige Menschen im Landkreis Ludwigsburg, das sind 18 Prozent mehr als 2019. Diese Entwicklung werde nicht nachlassen, sagt sie. Gleichzeitig ist es bereits jetzt so, dass der Fachkräftemangel den Ausbau der Angebote erschwert. „Wir haben eine Pflegekrise, die wir kurzfristig nicht lösen können“, stellt die Fachbereichsleiterin daher fest.

Um Betroffene und ihre Angehörigen zu unterstützen, gibt es im Kreis fünf Pflegestützpunkte: Im Landratsamt in Ludwigsburg, in der Außenstelle des Amtes in Vaihingen an der Enz, in Besigheim, in Bietigheim-Bissingen und bei der Stadtverwaltung Ludwigsburg. Sie teilen sich die Zuständigkeit für alle Städte und Gemeinden im Landkreis. Zudem gibt es seit Anfang 2022 jeden Donnerstag eine Außensprechstunde im Rathaus in Kornwestheim, die besonders gut angenommen wird. Im vergangenen Jahr haben die Expertinnen der Pflegestützpunkte kreisweit 7550 Beratungen übernommen. „Wir könnten sogar noch mehr leisten, wenn wir mehr personelle Kapazitäten hätten“, erklärt Heike Dierbach.

Angehörige müssten stärker entlastet werden

Nur 16 Prozent der Pflegebedürftigen sind in einer stationären Einrichtung untergebracht. Der deutlich überwiegende Teil der Betroffenen wird im häuslichen Umfeld gepflegt. Dabei wird nur in einem Drittel aller Fälle die Hilfe von ambulanten Diensten in Anspruch genommen.

Für die Fachbereichsleiterin ist daher wichtig, dass die Angehörigen die Möglichkeit haben, regelmäßig entlastet zu werden. Auch während der Beratung ist ein Schwerpunktthema die Frage, wo die Betroffenen und die Pflegenden Hilfe erhalten. Ein Knackpunkt ist dabei häufig die Suche nach Kurzzeitpflegeplätzen, damit sich die Angehörigen eine Auszeit nehmen können. Davon gibt es nach Erfahrung von Heike Dierbach nach wie vor zu wenige im Landkreis Ludwigsburg. „Die Leute suchen zum Teil verzweifelt danach“, sagt sie.

Finanzen sind häufig ein Thema

Was ebenfalls häufig in den Sprechstunden thematisiert werde, sind die Finanzen. Dabei dreht es sich um die Frage: Welche Leistungen von Krankenkassen, staatlichen Töpfen und anderen Quellen stehen im Pflegefall zur Verfügung?

Ein Vorteil im Landkreis Ludwigsburg ist es nach Ansicht von Dierbach, dass sowohl im ambulanten als auch im stationären Bereich bereits viele Angebote vorhanden sind, die zudem dezentral organisiert sind. „Solche Strukturen gibt es fast in allen Städten und Gemeinden“, sagt sie. Dennoch sieht sie noch Verbesserungsbedarf, nicht nur hinsichtlich des Mangels an stationären Kurzzeitpflegeplätzen. Etwas tun müsse sich auch in anderen Bereichen, um pflegende Angehörige zu entlasten, meint sie.

Devise: Früh erkennen und handeln

Mit dem Modellprojekt „Pflegefrei“ hat der Landkreis zuletzt erprobt, wie Auszeiten bei einer häuslichen Versorgung gelingen können. Woran es derzeit noch hapert, sind nach Einschätzung von Heike Dierbach niedrigschwellige Angebote. Es brauche weitere Anlaufstellen, um die Pflegenden zu unterstützen. Die Tagespflege sei ebenfalls ein wichtiger Punkt, sagt sie. Das Angebot sei gut, werde allerdings derzeit nicht überall stark nachgefragt.

Auch für ältere Menschen, die zunehmend Hilfe benötigen, sollte es nach ihrer Empfehlung weitere Angebote geben, beispielsweise Unterstützung bei hauswirtschaftlichen Aufgaben. Ein Quartiersmanager, der einen Blick auf ältere Einwohner hat, und neue Begegnungsstätten für Senioren sind weitere Ideen, die der Fachbereichsleiterin vorschweben. Der Ansatz: Schon möglichst früh erkennen und handeln, wenn sich eine Pflegebedürftigkeit abzeichnet.

Sprechstunden an fünf Standorten

Dienste
 Im Landkreis Ludwigsburg gibt es mehr als 50 ambulante Pflegedienste. Knapp 4400 Dauerpflegeplätze stehen zudem kreisweit zur Verfügung. Sie werden von rund 90 stationären Einrichtungen angeboten.

Stützpunkte
 Fünf Teams beraten im Kreis Ludwigsburg kostenlos Pflegebedürftige und ihre Angehörigen. Den Pflegestützpunkten sind zehn Arbeitsstellen zugeordnet. Finanziert wird das Angebot vom Kreis, den Städten Ludwigsburg und Bietigheim-Bissingen sowie von verschiedenen Kranken- und Pflegekassen. Eine Beratung ist möglich über das Telefon, nach Terminvereinbarung an einem der fünf Standorte oder zu Hause. Zudem gibt es offene Sprechstunden an mehreren Tagen in der Woche, die auch ohne Termin besucht werden können. Weitere Informationen gibt es online unter www.landkreis-ludwigsburg.de.