Ein Frau hält russische Rubel-Banknoten in den Händen: Die Europäische Union hat schwerwiegenden Sanktionen gegen die russische Zentralbank und Oligarchen in Kraft gesetzt. Foto: dpa/Sven Hoppe

Immer wieder ist im Zusammenhang mit Russland von Oligarchen die Rede. Wer sind sie? Wie groß ist ihr Einfluss? Und können sie Präsident Wladimir Putin gefährlich werden? Ein Überblick.

Sie sind die reichsten Menschen im russischen Riesenreich und – zumindest wirtschaftlich – die einflussreichsten. Oligarchen. Durch ihr milliardenschweres Vermögen üben sie große Macht über ihr Land aus – zu ihrem alleinigen Vorteil.

Was meint Oligarch?

Das Wort Oligarch stammt vom altgriechischen „olígoi“, was wenige oder Minderheit meint. In anderen Ländern nennt man diese Milliardärs-Clique auch Wirtschaftsmagnat oder Tycoon.

In den USA wurde der Begriff während des wirtschaftlichen Aufschwungs im späten 19. und frühen 20. Jahrhundert auf jene Personen angewandt, die in Region ihre eigenen Regeln aufstellten.

Wie groß sind Macht und Einfluss der Einfluss der Oligarchen?

Über den politischen Einfluss dieser superreichen Minderheit auf den offenbar zunehmend isoliert agierenden russischen Präsidenten Wladimir Putin kann man streiten. Fest steht: Russlands Oligarchen sind sehr wohlhabend und mächtig. Allein in Moskau sollen zwischen 70 und 85 Milliardären und über 100 000 Millionäre leben.

Russlands Oligarchen sind durch Rohstoffe wie Erdöl, Gas, Aluminium zu Macht und Geld gekommen. Zu den bedeutendsten Vertretern während der Ära Putin gehören Roman Abramowitsch, Oleg Deripaska, Michail Prochorow, Wladimir Potanin, Witali Malkin, Michail Fridman sowie die Gebrüder Arkadi und Boris Rotenberg.

Als reichster Russe mit einem geschätzten Vermögen von rund 29 Milliarden US-Dollar gilt Alexej Mordashov, Vorstandsvorsitzender des Metallurgie-Unternehmens Severstal.

Wie kamen die Oligarchen zu ihrem Vermögen?

Während der Regierungszeit von Michail Gorbatschow als Generalsekretär des Zentralkomitees der Kommunistischen Partei der Sowjetunion (KPdSU) von 1985 bis August 1991 und als Staatspräsident der Sowjetunion von März 1990 bis Dezember 1991 begann der Aufstieg der russischen Oligarchen.

Sie begannen meist als kleine Unternehmer, die während Gorbatschows Periode der Marktliberalisierung ihre Geschäfte ausweiteten. Neureiche, die sich skrupellos Staatseigentum aneigneten.

Während der Präsidentschaft von Boris Jelzin (1991 bis 1999) erlangten sie wachsenden Einfluss auf die Politik und spielten eine bedeutende Rolle bei der Finanzierung von Jelzins Wiederwahl im Jahr 1996.

Wie ist das Verhältnis Putins zu den Oligarchen?

Als Wladimir Putin am 7. Mai 2000 Nachfolger von Jelzin als russischer Präsident wurde, setzte er ebenfalls auf die Gas- und Öl-Oligarchie. Mehr noch als Jelzin instrumentalisierte er sie und ihr Vermögen aber für seine eigenen Ziele.

Die wirtschaftliche Machtelite wurde unter Putin zu einer zentralen Stütze und Säule des Herrschaftssystems – immer abhängig von der Gnade des Machthabers im Kreml. Putin verschaffte den Oligarchen im Gegenzug für bedingungslose politische Unterstützung wirtschaftliche Vorteile und Monopole.

Wie weit geht der politische Einfluss der Oligarchen?

Putins Gunst hat jedoch ihren Preis: Wer auch nur die leiseste Kritik äußert, wird entmachtet. Mehrere Oligarchen sind in der Vergangenheit wegen illegaler Tätigkeiten unter Ermittlungsdruck der russischen Justiz geraten, beispielsweise aufgrund von Verstößen gegen das Steuerrecht.

Die Vorwürfe waren in der Regel politisch motiviert, da die Wirtschaftsmagnaten die Unterstützung Putins verloren hätten.

Wladimir Gussinski und Boris Beresowski etwa konnten vor der Justiz fliehen, indem sie Russland verließen. Michail Chodorkowski wurde im Oktober 2003 festgenommen und zu neun Jahren Haft verurteilt.

Warum erheben einige Oligarchen jetzt ihre Stimme gegen den Krieg?

In den vergangenen Tagen haben mehrere Oligarchen Putin für den Einmarsch in der Ukraine kritisiert und ein Ende der Kämpfe gefordert. Sie verurteilen den Angriff auf das Nachbarland. Ein gefährliches Unterfangen, das zeigt, wie sehr Russlands Oligarchie durch die westlichen Sanktionen wirtschaftlich mit dem Rücken zur Wand steht.

Der russisch-britische Medienmogul Evgeny Lebedev schrieb in einem offenen Brief an Putin: „Als Bürger Russlands bitte ich Sie, den Zustand zu beenden, in dem Russen ihre ukrainischen Brüder und Schwestern töten.“ Auch der russische Milliardär Oleg Tinkow bezeichnet den Krieg und die Tötung unschuldiger Menschen als „undenkbar und inakzeptabel“.

Der Grund für die wachsende Unruhe unter Russlands Oligarchen ist leicht auszumachen: Sie fürchten um ihren Reichtum. Russlands Geldelite ist besonders von den Sanktionen des Westens betroffen.

Der Ausschluss wichtiger russischer Banken aus dem internationalen Zahlungssystem SWIFT, die Sperrung von Transaktionen der russischen Zentralbank zur Stützung der russischen Währung und Exportverbote für High-Tech-Güter schmälern ihr Vermögen um Milliarden.

Wie wird Russlands Geldelite sanktioniert?

Neben den USA, Kanada, Großbritannien, Japan und anderen Ländern hat auch die EU Sanktionen gegen Oligarchen aus Putins Umfeld erlassen. So werden unter anderem ihre Vermögenswerte in der EU eingefroren.

Wohlhabenden Russen und ihren Familienangehörigen wird die die Möglichkeit genommen, sich eine europäische Staatsbürgerschaft zu verschaffen. Selbst die sonst auf ihre Neutralität pochende Schweiz hat Sanktionen gegen russische Oligarchen verhängt und deren Vermögen in dem Land eingefroren.

Auf der offiziellen EU-Sanktionsliste aufgeführt werden der Oligarch und Tui-Großaktionär Alexej Mordaschow, der enge Putin-Vertraute und Chef des Staatskonzerns Rosneft, Igor Setschin, sowie der Milliardär und Chef der Alfa-Bank, Michail Fridman. Außerdem werden die Geschäftsleute Alischer Usmanow, Pjotr Aven und Nikolai Tokarew mit Sanktionen belegt.

Müssen die Oligarchen um ihren Reichtum fürchten?

Russlands Oligarchen konnten sich bisher darauf verlassen, dass sie und ihr Geld in Europas Metropolen willkommen sind. Nach Putins Angriff auf die Ukraine sind sie jedoch verstärkt in den Blick westlicher Regierungen geraten.

Ein Problem allerdings ist, dass die EU auf große Vermögenswerte nicht zugreifen kann. Gerade in Großbritannien wurde es den Oligarchen bislang einfach gemacht, ihren Besitz mit Hilfe von Briefkastenfirmen und Strohmännern zu verschleiern.

Auch die Schweiz ist ein besonders wichtiger Finanzplatz für Russen. Nach Zahlen der Nationalbank lagen 2021 auf Schweizer Konten russische Vermögenswerte im Wert von rund 15 Milliarden Franken (14,5 Milliarden Euro). Jedes Jahr sollen weitere Milliardenbeträge in die Schweiz fließen.

Am Montag beschloss die Regierung in Bern, sich den EU-Sanktionen anzuschließen. Die Vermögen aller Unternehmen und Personen, die auf europäischen Sanktionslisten stehen, sind ab sofort gesperrt, wie Präsident Ignazio Cassis sagte.

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