So sieht eine Nio-Batteriewechselanlage aus. Foto: imago//Attila Volgyi

Der Autohersteller Nio will mit einem neuartigen Batteriekonzept den europäischen Markt für E-Autos aufrollen. Die Batterien können innerhalb von fünf Minuten an Wechselstationen getauscht werden. Die EnBW will das für Nio-Besitzer nun auch in Deutschland möglich machen.

Der baden-württembergische Energiekonzern EnBW und der chinesische E-Autohersteller Nio haben eine weitreichende Partnerschaft vereinbart, die Nio den Weg zur Erschließung des deutschen Markts bereiten wird. Nio wird an bis zu 20 Schnelllade-Standorten der EnBW Stationen errichten, an denen die Batterie in von fünf Minuten gewechselt werden kann. Die EnBW betreibt das bundesweit größte Netz von Schnellladestationen für E-Autos.

Nio will europäischen Markt aufrollen

Nio hatte bereits angekündigt, mit seinen Fahrzeugen den europäischen Markt aufrollen und mit revolutionierenden Neuheiten Marktanteile zu gewinnen zu wollen. Zu diesen gehört das Konzept, die Batterie nicht im Fahrzeug zu laden, sondern leere Batterien gegen volle auszutauschen. Dies soll vollautomatisch auf einer Hebebühne geschehen, die Fahrerin oder der Fahrer muss hierzu nicht einmal aussteigen. Ein Roboter entfernt die rund 500 Kilogramm schwere Batterie und tauscht sie gegen eine neue aus. Dabei soll von innen nur ein leichtes Ruckeln zu spüren sein. Die Zusammenarbeit mit EnBW bringt somit ein zentrales Unterscheidungsmerkmal zur Geltung, mit dem Nio nicht zuletzt dem Stuttgarter Hersteller Mercedes Marktanteile abnehmen will.

Wechseln geht schneller als Laden

Der Vorteil des Batteriewechsels anstelle des Ladens soll darin bestehen, dass der Vorgang kaum länger dauert als das Betanken eines Benzin- oder Dieselfahrzeugs. Zudem soll es den Fahrern die Sorge nehmen, dass die Leistung der Batterie nach einer bestimmten Zahl von Ladevorgängen nachlässt und die Reichweite sinkt.

„Mit Nio und der EnBW arbeiten zwei große Treiber der Mobilitätswände zusammen“, erklärte EnBW-Manager Timo Sillober. Die Batteriewechsellösung sei ein „spannender Ansatz, der unsere Schnellladelösung vor allem auf langen Strecken optimal ergänzen kann“. Nio-Deutschland-Chef Ralph Kranz erklärte, der Ausbau des Ladeangebots sei ein „wichtiger Faktor für den Umstieg in die Elektromobilität“. Künftig solle es auch möglich sein, sich beim Wechsel zwischen unterschiedlich großen Batterien zu entscheiden – je nach gewünschter Reichweite und entsprechender Zahlungsbereitschaft.

Konkurrent für Mercedes EQS

Das Modell ET7, mit dem Nio die Offensive in Europa einleiten will, gilt als ernstzunehmender Wettbewerber des elektrischen Mercedes-Luxusautos EQS. Erst vor kurzem musste Mercedes den Preis für den EQS in China um 20 Prozent senken, um sich gegen die starke Konkurrenz der dortigen Hersteller behaupten zu können. Als Grund für die Schwäche des EQS gilt auch die starke Ausstattung chinesischer Hersteller mit digitalen, auf Künstlicher Intelligenz basierenden Technologien.

Zudem scheint sich bei Mercedes die Ansicht durchzusetzen, dass der EQS trotz der großen Bedeutung des chinesischen Markts nicht ausreichend auf Geschmack und Bedürfnisse des dortigen Markts abgestimmt ist. So gilt die aerodynamische Bogenform der Karosserie, die die Reichweite erhöht, als nur schwer vereinbar mit den Bedürfnissen reicher Kunden, die auf dem Sitzplatz hinten rechts ein äußerst großzügiges Raumangebot verlangen. Wie zu hören ist, arbeitet Mercedes bereits an einer besser auf den chinesischen Markt abgestimmten Version.

Die Idee gab es schon einmal

Die Idee, Batterien nicht im Fahrzeug zu laden, sondern auszuwechseln, ist nicht neu. Bereits im Jahr 2007 hatte der der Ex-SAP-Manager Shai Agassi das Unternehmen Better Place gegründet, das von Israel aus ein Netz von Batterie-Tauschstationen aufbauen wollte. Das Projekt scheiterte aber nach sechs Jahren unter anderem daran, dass es zu viele unterschiedliche Batterietypen gibt, die jeweils nur mit einem Teil der Fahrzeugmodelle funktionieren.

Heute setzen die Hersteller noch stärker als damals darauf, bei ihren Batterien und deren Zellen durch eigene Entwicklungen Differenzierungsmerkmale zu schaffen, die ihnen im Wettbewerb Vorteile bringen soll – etwa bei der Reichweite, der Ladedauer und der Haltbarkeit. Da das Projekt der EnBW nur mit einem einzigen Hersteller läuft, lässt sich das Problem der nicht passenden Batterien vermeiden.

Nicht zuletzt wegen des Batteriewechsel-Konzepts will Nio das Fahrzeug in Deutschland zum Kampfpreis von knapp 70 000 Euro anbieten. Ein EQS ist ab rund 110 000 Euro zu haben. Es kann damit sogar – anders als der EQS – die Umweltprämie erhalten, für deren Bemessung die Mehrwertsteuer herausgerechnet wird. Hinzu kommen die Kosten für die Batterie von gut 20 000 Euro, die aber auch gemietet werden kann. Außerdem fallen Kosten für den Wechsel und den Strom in der vollen Batterie an. Weltweit betreibt Nio eigenen Angaben zufolge bereits 1200 Wechselstationen.

Nios Vorteil bei den Rohstoffen

Nio hat auf der Kostenseite den Vorteil, über einen guten Zugang zu wichtigen Rohstoffen für die E-Mobilität zu verfügen, bei denen China Marktanteile von bis zu 80 Prozent besitzt.

An welchen EnBW-Ladeparks die Wechselstationen eingerichtet werden, ist bisher noch nicht entschieden. Festlegt hat man sich bisher erst auf je einen Standort in Hessen und in Niedersachsen.