Der Bedarf nach Beratung durch die offene Sprechstunde in Eislingen steigt weiter. Zwei Therapeutinnen berichten über ihre Arbeit mit den Familien. In den Gespräche gehe es oft um mentale Probleme, teilweise sogar in den suizidalen Bereich.
Die Coronazeit mit ihren Schulschließungen und Kontaktverboten hat viele Kinder und Jugendliche und damit auch deren Familien aus dem Gleichgewicht gebracht. Um auf die Probleme zu reagieren, hat die Stadt Eislingen am Kinder- und Jugendbüro eine offene Sprechstunde eingerichtet. Zweieinhalb Jahre später zeigt sich, dass seither der Beratungsbedarf noch gestiegen ist. „Sie ist eine wichtige Säule in unserer Kinder- und Jugendarbeit“, sagte Oberbürgermeister Klaus Heininger im Eislinger Sozialausschuss, in dem über die offene Sprechstunde (OS) berichtet wurde.
Susanne Lehmann vom Kinder- und Jugendbüro und Ingrid Hinzel-Hees, Schulsozialarbeiterin am Erich-Kästner-Gymnasium, bieten die Sprechstunde immer donnerstags an. Was als eine Reaktion auf die Krise nach Corona gedacht war, hat sich inzwischen ausgeweitet. Ein Nachmittag in der Woche reiche nicht mehr, sagte Hinzel-Hees im Ausschuss. Zumal die beiden Therapeutinnen bei vielen Gesprächen mehrere Termine benötigten. Früher seien vor allem Ratsuchende aus der Schulsozialarbeit in die OS gekommen. Auch aus Kindergärten und über Empfehlungen von Kinderärzten komme die Klientel. Inzwischen werde die Sprechstunde zudem über Mund-zu-Mund-Propaganda bekannt gemacht. „Wir sind gut beschäftigt“, stellte Hinzel-Hees fest.
Arbeitszeit der Therapeutinnen ist knapp bemessen
Für die OS sind insgesamt 20 Prozent Arbeitszeit und ein Raum im Kinder- und Jugendbüro im ehemaligen Bahnhofsgebäude vorgesehen. Die Zeitressource bezeichnet Lehmann als knapp, „weil jedes Gespräch Vor- und Nachbereitung erfordert, und es bleibt nicht bei einem Gespräch“. Oft gehe es um mentale Probleme, teilweise sogar in den suizidalen Bereich, sagte Lehmann. Ein Büroraum sei ebenfalls zu wenig, da die beiden Therapeutinnen wegen der Nachfrage oft gleichzeitig Beratungsgespräche führen. Meist können sie in das Büro der Musikschule ausweichen, das zu dieser Zeit leer sei.
Im Schnitt würden pro Termin zwei bis drei Kinder, Jugendliche oder deren Eltern zu Themen beraten, welche das familiäre Zusammenleben oder das persönliche Wohlbefinden betreffen. Hinzu kommen noch telefonische Beratungen. Somit geht der gesamte Beratungsaufwand weit über die vorgesehenen drei Donnerstagsstunden hinaus. Die beiden Expertinnen nannten einige Ausprägungen des Anstiegs mentaler Probleme bei jungen Leuten: Erschöpfung, Einsamkeit auch bei Schulkindern, Depressionen. „Stress schränkt kognitive Fähigkeiten ein“, erklärte Hinzel-Hees. Lehmann zitierte Studien, dass jeder zehnte Jugendliche ein problematisches Verhalten zeige. Die Pressestelle der Versicherung DAK habe im August festgestellt: „Erschöpft und einsam: die Situation der Schulkinder in Deutschland verschlechtert sich.“ Als Ursachen werden unter anderem der Verlust der Privatsphäre in digitalen Medien, Cybermobbing, Druck oder auch Konflikte in Familien genannt.
Vermittlung an andere Therapeuten ist schwierig
Bei manchen Fällen versuchen Lehmann und Hinzel-Hees Termine bei spezialisierten Stellen zu vermitteln. Dies sei aber schwierig, weil Beratungsstellen keine freien Kapazitäten hätten oder Therapieplätze belegt sind. Lehmann sagte dazu in ihrem Bericht: „Professionelle Beratungen fehlen.“
„Der Bedarf ist da“, bewertete Heininger den Bericht. Die Stadt werde an der OS festhalten. Auch im Gremium gab es Zustimmung. So nannte Ingrid Held (SPD) die OS ein „Leuchtturmprojekt“. Das sei eine freiwillige Leistung der Stadt, „weil wir die Not der Kinder und Jugendlichen sehen“. Das Angebot gebe es sonst nirgendwo.