Im vergangenen Jahr hat Boris Palmer an Ingmar Hoerr (links) die Urkunde zur Ehrenbürgerschaft überreicht. Jetzt unterstützt ihn der Curevac-Gründer im Wahlkampf. Foto: dpa/Bernd Weißbrod

In Tübingen gründet sich eine Initiative zur Wiederwahl für den OB, der viele bekannte Namen angehören. Auch ein PayPal-Konto wächst.

Tübingen - Es ist nicht so, dass sich Christoph Melchers nicht schon über seinen Nachbarn geärgert hätte. Mehr als einmal habe er seinen Unmut quasi über den Zaun gerufen. „Ich habe ihm gesagt, er soll erst einmal 24 Stunden warten, ehe er etwas auf Facebook postet“, sagt Melchers. Aber daran hält sich ein Boris Palmer natürlich nicht, selbst wenn der Rat von einem 82-jährigen Nachbarn kommt, der es gut mit ihm meint.

Jetzt meint es Melchers wieder gut mit Palmer und hat – allem Ärger zum Trotz – eine Wählerinitiative zur Tübinger Oberbürgermeisterwahl im Herbst ins Leben gerufen. „Wir wollen, dass Palmer OB bleibt“, sagt Melchers. Zwar kenne er keinen, der sich noch nicht ab und zu über Palmer geärgert habe. Aber gerade auf dem Gebiet der Ökologie und der Bekämpfung des Klimawandels habe er viel erreicht, sagt Melchers.

Lob vom Curevac-Gründer

Unter den mittlerweile fast 500 Unterzeichnern des Wahlaufrufs sind viele, die in der 90 000 Einwohner zählenden Universitätsstadt Rang und Namen haben. Schon der Mitinitiator Eckhard Ströbel ist als ehemaliger Chefredakteur des örtlichen „Schwäbischen Tagblatts“ mehr als eine Nummer. Inzwischen trat auch der Curevac-Gründer Ingmar Hoerr der Wählerinitiative bei. Immer wieder hat Palmer das Unternehmen bei seinen zahlreichen Talkshow-Auftritten erwähnt. Palmer bringe viel voran, habe messbare Erfolge und sei ein Macher, begründete Hoerr seine Unterstützung. „Und diese Mentalität gefällt mir gut.“

Auch Saskia Biskup vom Biotechnologieunternehmen Cegat, die Osiander-Leiter Christian, Heinrich und Hermann-Arndt Riethmüller sowie die frühere SPD-Bundesjustizministerin Herta Däubler-Gmelin stehen auf Palmers langer Liste. Ihm gefällt das. „Öffentlich für jemanden einzustehen, der so umstritten ist wie ich, ist eine besondere Stärke“, erklärte er.

Die Grünen sind in Not

Dabei hat der 49-Jährige, der seit 2007 in Tübingen amtiert, noch nicht endgültig erklärt, ob er überhaupt antreten wird. Nur eine Kandidatur für seine Grünen schloss Palmer bereits aus. Das passe nicht zum Ausschlussverfahren, das die Landespartei nach umstrittenen, als rassistisch gewerteten Ausführungen auf Facebook gegen ihn angestrengt hat.

Die Grünen, die nun voraussichtlich die Vorsitzende ihrer Kreistagsfraktion Ulrike Baumgärtner ins Rennen schicken werden, sind jetzt in Not. Denn auch mehrere Mitglieder ihrer Gemeinderatsfraktion unterstützen Palmer. Selbst Annette Schmidt, eine von zwei Fraktionschefinnen, gehört zu den Abweichlern. Es sei eine absurde Situation, die für die Fraktion noch zur Zerreißprobe werden könne. „Wir sind uns dieser Gefahr bewusst“, sagt Schmidt.

Schon 24 000 Euro eingesammelt

Im Grünen-Stadtverband herrscht Ratlosigkeit. Wenn Teile der Stadtratsfraktion Palmer unterstützten, sei das eben so, sagt der Sprecher Marcel Mausch. Derweil gewinnt Palmers Kampagne auch finanziell an Fahrt. Zwei Tage nach der Öffnung eines Paypal-Kontos zur Finanzierung der Wahlkampfkosten haben 200 Spender insgesamt 24 000 Euro eingezahlt. Einen Tag später sind es schon 33 000 Euro. Palmer schätzt, dass er 100 000 Euro braucht. „Das kann man wohl eine Abstimmung mit dem Onlinekonto nennen“, sagte Palmer. Die Chancen auf eine Kandidatur seien sprunghaft gestiegen. Sollte er sich doch dagegen entscheiden, zahle er jeden Cent an die Spender zurück.