Zografia Madesi, links, als Athene und Korina Theodoridou (Aphrodite). Foto: Tri-Bühne/Irfan Kars

In dem Theaterstück „O mia Dea!“ in der Tri-Bühne trifft eine Sterbliche auf Unsterbliche. Es geht um existenzielle Fragen des Daseins, doch die Umsetzung ist wenig nachvollziehbar.

Möchte man mal mit Gott sprechen? Na klar. Oder mit Göttinnen? Auch das. Doch bevor es zu einem Gespräch einer Frau aus Fleisch und Blut mit zwei veritablen Göttinnen kommt, beharken sich Athene, Göttin der Weisheit und des Kampfes, und Aphrodite, die das Ressort für Liebe und Schönheit innehat. Aphrodite (Korina Theodoridou) unterstellt ihrer Götterinnenkollegin, diese beneide sie, und Athene (Zografia Madesi) kontert: „Du bist eine Lügnerin.“ Außerdem sei Aphrodite eine Ehebrecherin. Allzu menschlich kommen die göttlichen Wesen daher, kein Wunder, sind doch Gott und Göttinnen Projektionen des Menschen.

Umständliche Konstruktion auf der Bühne

Jetzt war „O mia Dea! – Sonnenaufgang der Göttinnen“ im Rahmen des 15. Stuttgarter Europa Theater Treffens SETT 2023 vergangenen Freitag in der Tri-Bühne zu sehen (Regie: Edith Koerber). Die italienische Dramatikerin Letizia Russo hat sich für ihr Stück eine umständliche Konstruktion ausgedacht. Jene beiden Göttinnen wohnen seit 150 Jahren gleichsam in ihren Verkörperungen als Marmorskulpturen eines Museums. Auf der Bühne mit Abbildern der beiden Skulpturen (Ausstattung: Renáta Balogh) sprechen die beiden recht witzig agierenden Göttinnen griechisch, bisweilen auch deutsch. Theodoridou agiert gottähnlich-repräsentativ, Madesi menschlich-temperamentvoll. Von zwei Rednerpulten aus intonieren Edith Koerber und Silvia Passera den Text mit wohlklingenden Stimmen auf Deutsch (Übersetzung: Sabine Heymann).

„Lohnt es sich als Frau zu leben?“

Das plätschert wenig aufregend vor sich hin, und erst nach einer halben Stunde des 60-Minuten-Stücks, also reichlich spät, wird es interessant. Die beiden Unsterblichen haben die sterbliche, auf der Bühne nicht sichtbare Chefin der Museumsaufseher entdeckt. Sie stellt eine hochphilosophische, hochexistenzielle Schwerlastfrage: „Lohnt es sich zu leben?“ Toll. Jetzt könnte ein aufregender Dialog beginnen. Die beiden divinen Damen formulieren die Frage etwas um: „Lohnt es sich, auf dieser Welt als Frau zu leben?“ Auch eine brisante, hochspannende Frage.

Doch nun folgt eine Enttäuschung für den Zuschauer, nämlich die zwanzigminütige Antwort der Göttinnen, die ein Plädoyer für die weltweite Gleichstellung der Frau ist, sehr einleuchtend, aber papiern. Zu hören ist eine Belehrung, eine Grundsatzerklärung, auch ein Aufruf zu mehr Menschlichkeit. Die Idee des Stücks wird nicht in eine dramatische Struktur umgesetzt, in ein Gegeneinander von Positionen. Ein progressives Redemanuskript ist kein Theatertext.

Termin Das Stück ist noch einmal am 13. Juni zu sehen.