Jörg Latus ist neuer Chefarzt der Abteilung für Allgemeine Innere Medizin und Nephrologie am Robert-Bosch-Krankenhaus in Stuttgart. Foto: Lichtgut/Julian Rettig

Jörg Latus ist am Robert-Bosch-Krankenhaus der neue Chefarzt für Allgemeine Innere Medizin und Nephrologie. Nierenleiden blieben häufig zu lang unerkannt, sagt der Fachmann – er setzt auf Aufklärung.

„Kennen Sie Ihre Blutdruck-Werte?“ – mit dieser Frage konfrontiert Jörg Latus gern sein Gegenüber. Bei den meisten Menschen, vor allem bei jüngeren, ernte er Achselzucken und Erstaunen, so der neue Chefarzt für Innere Medizin und Nephrologie, also Nierenkunde, am Robert-Bosch-Krankenhaus (RBK) in Stuttgart weiter. Dabei sei es bei zahlreichen Krankheiten und vor allem für die Vorsorge wichtig, darüber Bescheid zu wissen. Unter anderem sei nur ganz wenigen bekannt, dass sich Nieren und Blutdruck gegenseitig beeinflussen: „Bluthochdruck kann zu Nierenschäden führen, und eine chronische Nierenerkrankung wiederum zu Bluthochdruck“, erklärt der 42-Jährige.

Latus, der bisher Ärztlicher Leiter der Abteilung war und sie zum 1. April als Chefarzt übernahm, plädiert daher zum einen dafür, den Blutdruck auch als junger Mensch regelmäßig zu überprüfen – „das kann man zum Beispiel in der Apotheke oder auch beim Betriebsarzt oder beim Termin in der Praxis machen lassen“. Jüngere könnten auch ihren Eltern oder Großeltern vorhandene Messgeräte nutzen. „130 zu  80 gilt als guter Wert“, fasst Latus zusammen.

Früherkennung verlangsamt den Krankheitsverlauf

Zum anderen sollten seiner Meinung nach regelmäßige Urintests (eine Untersuchung auf Eiweiß und Blut im Urin) zum Standard werden: „Das verursacht kaum Kosten, kann aber bei der Früherkennung von Nierenerkrankungen entscheidend sein“, betont der Experte. Nierenerkrankungen blieben oft lange unbemerkt: „Man merkt gar nicht, dass etwas nicht stimmt.“ Der frühe Einsatz einer zum Patienten passenden Therapie könne den Krankheitsverlauf jedoch deutlich verlangsamen – womit dann höhere Folgekosten vermieden würden.

Überhaupt ist sich Latus sicher, dass ein Leben ohne Dialyse künftig für fast alle Nierenerkrankte möglich sein wird: Erstmals gebe es die Chance, Menschen durch neue Medikamente, innovative Therapien und vor allem durch Früherkennung ein Leben ohne größere Eingriffe zu ermöglichen – und den Krankheitsverlauf zu verlangsamen.. „Mein Ziel ist es, diese Fortschritte konsequent für unsere Patientinnen und Patienten am RBK einzusetzen“, sagt Latus. „Neue Nephrologie“ nennt er diesen Ansatz, der Diagnostik, Therapie und Prävention verbindet.

Latus: interdisziplinärer Austausch ist wichtig

Dafür sind laut Latus zum einen Netzwerke unter den Ärzten notwendig, auch über die digitale Patientenakte. Zum anderen setzt der Chefarzt aber grundsätzlich auf interdisziplinären Austausch. Zudem müsse auch die Eigenverantwortung der Menschen und ihre Gesundheitskompetenz gestärkt werden. „Die eigene Gesundheit wird von den meisten Menschen als eines der höchsten Güter wahrgenommen“, so Latus. Und dennoch sei sie für viele „eine Art Blackbox“. In unterschiedlichen Medienformaten informiert er daher nicht nur am RBK, sondern bundesweit über die verschiedensten Gesundheitsthemen, insbesondere über Bluthochdruck und Nierenerkrankungen.

„In Sachen Aufklärung sind auch die Schulen gefordert“, sagt Latus. Die Einführung eines Fachs zur Gesundheitserziehung hält er für sinnvoll – auch um das Bewusstsein für gesunden Lebensstil, zu dem auch Bewegung gehört, zu fördern.