Eine Realo-Gruppe um Tübingens OB Boris Palmer (hier im Bild) sorgt für Diskussionen innerhalb der Grünen (Archivbild). Foto: IMAGO/ULMER Pressebildagentur/IMAGO/Ulmer

Eine neue Realo-Gruppe innerhalb der Grünen kritisiert die Migrationspolitik der Ampel. Mit dabei ist Tübingens Oberbürgermeister Boris Palmer. Der sorgte erst kürzlich auch bei Lanz wieder für Aufsehen.

Eine Gruppe von sogenannten Realpolitikern bei den Grünen fordert einen neuen Kurs in der Migrationspolitik. Es sei auch in Deutschland ein Rechtsruck zu befürchten, falls Bürgerinnen und Bürger weiter ihr Sicherheitsgefühl einbüßten, heißt es in einem Manifest der Gruppe „Vert Realos“. Unterzeichnet wurde es unter anderem von Tübingens Oberbürgermeister Boris Palmer und dessen Anwalt und Ex-Politiker Rezzo Schlauch. „Vert“ heißt im Französischen „Grün“. Zuerst hatte der „Spiegel“ berichtet.

„Es gibt kein klares Integrationskonzept“, heißt es in der Stellungnahme der Gruppe. „Die Migrantinnen und Migranten wissen nicht, was von ihnen erwartet wird und machen sich mit falschen Hoffnungen auf den weiten Weg.“ Es werde kaum zwischen Kriegs-, Asyl- und Wirtschaftsmigranten unterschieden. Asylempfänger müssten sich einordnen in die „geschichtlich gewachsene gesellschaftliche Ordnung der Bundesrepublik Deutschland“, lautete eine Forderung. Die Gewährung von Asyl setze auch voraus, dass Asylbewerber beim Aufnahmeverfahren mitwirken und nicht straffällig werden. „Ansonsten verfällt das Asylrecht und damit das Aufenthaltsrecht, was auch eine (möglichst zügige) Abschiebung nach sich ziehen muss.“

Die Forderung nach dem Kurswechsel kommt kurz nach der Wiederholungswahl in Berlin, bei der die Grünen hauchdünn hinter der SPD auf dem dritten Platz landeten - aber weit hinter dem Wahlsieger CDU. Ein großes Thema der Abstimmung waren Randale in der Silvesternacht. Die Grünen hatten sich über Äußerungen von CDU-Politikern in der Integrationsdebatte nach den Krawallen empört.

Wird es für die Parteispitze unangenehm?

Nach der Wahl forderte FDP-Chef Christian Lindner, dessen Partei aus dem Abgeordnetenhaus geflogen war, Lehren für die Politik der Ampel-Koalition aus SPD, Grünen und FDP auf Bundesebene zu ziehen - ein Punkt: die Integrationspolitik. Lindner sagte, die Menschen ließen sich die „Beobachtungen von nicht gelingender Integration im Alltag“ nicht von politisch korrekten Argumenten ausreden. Es gebe eine ganz klare Erwartung, irreguläre Migration nach Deutschland zu unterbinden. Vor diesem Hintergrund kommt nun das Memorandum der Grünen-Realos - für die Parteispitze droht die Debatte, die folgen dürfte, ungemütlich zu werden.

Politiker Jens Marco Scherf sorgte erst vor kurzem bei Lanz für Aufsehen

Einer der Unterzeichner ist Jens Marco Scherf, Grünen-Landrat im unterfränkischen Miltenberg. Sein Auftritt vor kurzem in der ZDF-Talkshow von Markus Lanz hatte für Aufsehen gesorgt. Scherf sagte, Migration in seinem Landkreis sei in großen Teilen gelungen - wenn sie auch in Zukunft gelingen solle, müsse man aber den Mut haben, „Missstände ganz offen anzusprechen“, ohne dass man diffamiert werde, dass man alle verunglimpfen wollen.

Am Donnerstagabend trat auch Boris Palmer in der Sendung auf und sorgte mit einem ähnlichen Statement für Aufsehen. Er kritisierte, dass manche Geflüchtete freie Stelle, etwa als Reinigungskraft, nicht annehmen wollen würden.

Am Donnerstag hatten Bund, Länder und Kommunen bei einem Treffen in Berlin eine bessere Abstimmung zur Unterbringung und Versorgung von Flüchtlingen vereinbart. Der Präsident des Deutschen Landkreistages, Reinhard Sager, zeigte sich allerdings mit den Ergebnissen in der Summe unzufrieden.