Neues Zuhause, neuer Beruf: Beim Umzug seiner Familie hat Christoph Fazakas sich ein Stück weit neu erfunden – jetzt leitet er die Tafel Waiblingen.
Es ist kurz vor Mittag und in den Gängen des Waiblinger Tafelladens (Rems-Murr-Kreis) herrscht reger Betrieb. An der Bäckertheke lässt sich ein junger Mann mit Vollbart Brötchen einpacken. Ein paar Meter weiter bedient eine ehrenamtliche Helferin eine Kundin am Obst- und Gemüsestand: eine Wassermelone und Trauben wandern in den Einkaufswagen, dann folgen eine Stange Lauch und eine Knollensellerie.
„Ohne Ehrenamtliche geht es gar nicht“, sagt Christoph Fazakas. Dass die Zahl der regelmäßigen Helferinnen und Helfer in den vergangenen Monaten von mehr als 100 auf unter 80 gefallen ist, bereitet dem Leiter der Tafel Waiblingen etwas Sorge. Verwunderlich sei der Schwund allerdings nicht, sagt der 46-Jährige: „Wir feiern dieses Jahr das 20-jährige Bestehen. Die Helfer der ersten Stunde sind also inzwischen Mitte 80.“
Nachwuchs gibt es aber zum Glück. „Unsere Kooperation mit Schulen läuft super, es gibt sogar junge Leute, die aus dem Stuttgarter Raum zu uns kommen“, erzählt Christoph Fazakas erfreut. In den Sommerferien seien die Werkstudenten der Firma Stihl eine große Hilfe für das urlaubsbedingt kleinere Team. Außerdem hat die Tafel Waiblingen mit Erfolg einen Antrag auf Anerkennung als Einsatzstelle für den Bundesfreiwilligendienst (BFD) gestellt und darf künftig sogenannte Bufdis beschäftigen.
Angeheuert hat er als ehrenamtlicher Fahrer
Auch Christoph Fazakas hat ursprünglich als Ehrenamtlicher bei der Tafel angefangen: Für einige Zeit arbeitete er im Raum Backnang als Fahrer und transportierte gespendete Lebensmittel von A nach B. „Das war ein Punkt in meinem Leben, an dem sich vieles geändert hat“, sagt er im Rückblick. Zuvor war er mit seiner Frau und den beiden Kindern aus dem Raum Freiburg in den Rems-Murr-Kreis gezogen. „Meine Frau ist Chinesin und meine Kinder hatten den Wunsch, eine Schule zu besuchen, an der sie die Sprache ihrer Mutter lernen können.“
Bundesweit gehe das nur an vier Standorten. Einer ist Marbach (Landkreis Ludwigsburg), wo das Friedrich-Schiller-Gymnasium Chinesisch als zweite Fremdsprache bis zum Abitur anbietet. So zog die Familie aus dem Badischen ins Schwäbische. Mit dem Umzug habe er sich ein Stück weit neu erfunden, bestätigt Christoph Fazakas, der bis zu diesem Zeitpunkt viele Jahre als Unternehmensberater im Bereich Maschinenbau tätig war. Zehn Jahre leitete er eine eigene Firma.
Arbeit im Tafelladen ist „sehr dynamisch“
Als er die Ausschreibung der Tafel Waiblingen entdeckte, die eine hauptamtliche Nachfolge für die langjährige Ladenleiterin Petra Off suchte, bewarb er sich. Über das erste Gespräch mit der Vereinsvorsitzenden Erika Severin sagt Christoph Fazakas: „Das hat sofort gepasst.“ An seiner neuen Aufgabe schätzt der zweifache Vater unter anderem, dass seine Tätigkeit direkt Wirkung zeigt und er Menschen um sich hat, „mit denen ich meine Zeit sinnvoll verbringen kann“.
Die Arbeit im Tafelladen schildert er als „sehr dynamisch“ – das fängt schon mit dem Helferteam an, das jeden Tag aus anderen Menschen besteht. „Und man weiß zu Wochenbeginn nie, wie die Woche endet.“ Das gefällt Christoph Fazakas und erinnert ihn an China, wo er auch schon gearbeitet hat. Aus seiner Zeit als Unternehmensberater komme ihm zugute, dass er viele verschiedene Arbeitsumgebungen gesehen habe, sagt Christoph Fazakas. Außerdem hilft ihm die Fähigkeit, Strukturen zu schaffen und beispielsweise die Abläufe mit den kleineren Nachbartafeln in Winnenden, Schorndorf und Murrhardt besser abzustimmen. Für diese fungiert die Tafel Waiblingen als Drehscheibe.
Konkurrenz durch Motatos, Sirplus und Co.
Lieferscheine gibt es nun im Digitalformat, so müssen die Fahrer die Formulare nicht mehr handschriftlich ausfüllen und sparen Zeit. Auch die Abstimmung mit den Spendermärkten läuft in vielen Bereichen digital. „Meine Vorgängerin war pausenlos am Telefon. Das ist heute einfacher und bringt Ruhe rein.“ Kundenkarten gibt es inzwischen im Scheckkartenformat mit Barcode.
Sorgen bereitet Christoph Fazakas die Konkurrenz durch immer neue Großabnehmer wie Motatos, Sirplus und „regionale Sonderposten-Schnäppchen-Märkte“. Sie kauften riesige Kontingente von Herstellern auf, um sie zurück in den Wirtschaftskreislauf zu bringen. Das Resultat: „Der Warenstrom kommt nicht mehr zur Tafel. Manche Produkte, beispielsweise Waschmittel, landen gar nicht mehr bei uns.“ Umso wichtiger seien daher die Vernetzung und der Austausch mit den Spendern – den Höfen, Märkten, Händlern und Produzenten in der Region.
Fairteiler zu Lasten der Tafeln
Auch Projekte wie Fairteiler-Stationen sieht Christoph Fazakas kritisch. Der Fairteiler in Kernen etwa sei von der Gemeinde und einer ortsansässigen Bank lieber „wirtschaftlich angeschubst und subventioniert worden, als dass man mit uns bei der Tafel Waiblingen in einen Dialog gegangen wäre“. Das, obwohl man in Waiblingen ebenso wie die Tafel Weinstadt sehr gut funktionierende Spenderbeziehungen pflege.
Christoph Fazakas’ Fazit: Im Kern wollten alle das Gleiche, nämlich Lebensmittel retten. „Aber dazu müsste das Rad nicht neu erfunden werden.“ Da werde Know-how vergeudet, eine gut geölte Logistik-Kette außer Acht gelassen. Diese Entwicklung gehe voll zu Lasten von ortsansässigen Tafelläden, klagt Christoph Fazakas. Trotzdem: „Wir werden die Hand nach Kernen ausstrecken und versuchen, Synergien zu finden.“