Salvi (Maximilian Simonischek) und Lisa (Sarah Spale) lassen in der Wohnung drunter die Bilder an den Wänden wackeln. Foto: dpa/Wild Bunch

In der Komödie „Die Nachbarn von Oben“ treffen zwei Paare aufeinander. Alkohol und ein freizügiges Angebot lassen die Situation eskalieren.

Die neuen Nachbarn sind eine Zumutung. Findet zumindest Thomas (Roeland Wiesnekker), den die hörbaren Orgasmen des jungen Paares extrem stören. Schließlich fallen regelmäßig fast die Bilder von den Wänden. Die Ruhestörung ist aber vor allem eines: ein ziemlich offensichtlicher Hinweis darauf, dass in der Wohnung oben einiges deutlich besser läuft als unten.

Thomas ist Dozent am Konservatorium und seine Frau Anna (Ursina Lardi) Kinderbuchillustratorin. Das Paar hat es sich in seiner zwanzig Jahre dauernden Ehe und einem gutbürgerlichen Leben samt schicker Altbauwohnung eingerichtet. Abends wird eine Flasche Wein geöffnet und der Fernseher eingeschaltet. Heiß her geht es nur, wenn gestritten wird. Dann verzieht sich Thomas aufs Dach, raucht und schaut in die Sterne.

Ein freizügiges Angebot

Als Anna eines Abends die neuen Nachbarn zum Apéro einlädt, ist Thomas wenig begeistert. Ändert seine Meinung aber, weil er die Gelegenheit sieht, die beiden auf die störenden nächtliche Geräusche anzusprechen. „Du sagst nichts!“, keift ihn seine um Contenance ringende Ehefrau noch schnell an, da klingelt es auch schon an der Tür. Und dann sind es die neuen Nachbarn, die leicht esoterisch angehauchte Psychologin Lisa (Sarah Spale) und der Feuerwehrmann Salvi (Maximilian Simonischek), die die Thematik mit entwaffnender Ehrlichkeit ansprechen. Laut seien vor allem die anderen, mit denen sie in ihrer Wohnung Sex hätten, sagen die beiden entschuldigend. Da sei allerhand los – Orgien, Gruppensex, solche Sachen. „Wir sind aber nie mehr als acht“, sagt Lisa. Da weiß auch Thomas nichts zu kontern und reagiert mit einer weiteren Runde Champagner für alle. Erst mal Alkohol. Und dann folgt auch recht schnell eine Einladung des sexuell aufgeschlossenen Paares.

Die Regisseurin Sabine Boss hat mit dem Film „Die Nachbarn von Oben“ eine Charakterkomödie mit einem perfekt harmonierenden Ensemble geschaffen. Das zunächst ruhige Kammerspiel eskaliert mit steigendem Alkoholpegel – und der Apéro wandelt sich zur Paartherapie.

Nach und nach bröckelt die Fassade, lange vergessene oder zumindest lange nicht zu äußern gewagte Bedürfnisse und Wünsche kommen mit voller Wucht an die Oberfläche. Da wäre Thomas’ gescheiterte Karriere als Solopianist, ein Trauma, das so tief sitzt, dass er das Klavier in seiner Wohnung nicht einmal mehr anfasst. Anna wiederum hat noch immer daran zu knabbern, nicht mehr als ein Kind bekommen zu haben. Und weshalb ist sie eigentlich nicht mit ihrem Kollegen durchgebrannt, als sie die Gelegenheit dazu hatte?

In pointierten Dialogen zerfleischt sich das Ehepaar so bissig, dass es mal schmerzt, mal ein Vergnügen ist. Das Paar von oben bietet dabei Projektionsfläche und Ausflucht. Und ständig steht die Frage im Raum: Wäre das Annehmen des Angebots die Rettung der Beziehung oder ihr Ende?

Die Nachbarn von Oben: Schweiz, 88 Minuten. Regie: Sabine Boss. Mit Roeland Wiesnekker, Ursina Lardi, Sarah Spale und Maximilian Simonischek. Ab 12 Jahren.