Wellenreiten der etwas anderen Art: Jake Sully (Sam Worthington) ist mit seiner Familie von den Wäldern ans Meer gezogen. Foto: 20th Century Studios

Lange mussten Fans auf die Fortsetzung von James Camerons Science-Fiction „Avatar“ warten. Jetzt endlich kommt „Avatar: The Way of Water“ ins Kino – mit atemberaubend spektakulären Bildern, aber einer ziemlich langweilig-langatmigen Story.

Der König der Wälder ist im Luftanhalten eine Niete. Wie für Urlauber, die ein tropisches Luxusresort gebucht haben, stehen für Jake, seine Frau Neytiri und die Kinder Neteyam, Kiri, Lo’ak und Tuk erst einmal Surf- und Tauchlektionen und Yogaübungen am Strand auf dem Programm.

Doch so atemberaubend es ist, diesen blauen Wesen dabei zuzuschauen, wie sie lernen, auf geflügelten Wassertieren pfeilschnell über und unter Wasser zu gleiten oder wie sie die farbenfrohe Unterwasserwelt voller bizarrer Lebensformen erkunden – die sechs sind keine Touristen, sondern Kriegsflüchtlinge. Denn die Himmelsmenschen sind nach Pandora zurückgekehrt und machen Jagd auf den Ex-Soldaten Sully, der einst zu ihnen gehörte, dann aber eins geworden ist mit seinem Avatar und nun zu den Na’vi gehört. Und so ist das Idyll nur von kurzer Dauer.

Ein Plädoyer der Achtsamkeit, ein Zurück-zur-Natur-Pamphlet

„Avatar: The Way of Water“ ist vieles: Ein XXL-Werbeclip, den sich das Pandora-Tourismusbüro (wenn es eines geben würde) nicht besser hätte ausdenken können; ein Plädoyer der Achtsamkeit, eine Hymne auf Familienwerte; ein Zurück-zur-Natur-Pamphlet; eine Leistungsschau, die in spektakulären Bildern vorführt, was in Sachen 3-D-Technologie inzwischen möglich ist; ein kurioses Mash-up, das nicht nur Genres wie Western, Science-Fiction, Fantasy, Coming-of-Age oder Action-Adventure plündert, sondern nebenbei auch noch „Tarzan“, „Moby Dick“, „Apocalypse Now“ und (ja, wirklich) „Titanic“ zitiert. Ein wirklich guter Film ist „Avatar: The Way of Water“ aber trotzdem nicht.

James Cameron hat sich bei der Fortsetzung des Films „Avatar“, der im Jahr 2009 in die Kinos kam und mehr Geld eingespielt hat, als jeder andere Kinofilm bisher, viel Mühe bei der Inszenierung der fantastischen Welt von Pandora gegeben. Er setzt beim Motion-Capture-Verfahren (also der Technik, bei der die Bewegungen von Schauspieler erfasst und dann in Computerbilder übersetzt werden) erneut Maßstäbe, macht vor, was mit digitalen 3-D-Kameras möglich ist, lässt einen mit der Verschmelzung von Realfilm und computeranimierten Szenen atemlos staunend zurück.

Der Kampf David gegen Goliath

Doch in die Story wurde nur wenig investiert: 193 Minuten lang bekommt man letztlich eine Variation des ersten Teils zu sehen. Ein edles Naturvolk wehrt sich gegen technologisch weit überlegene, skrupellose Invasoren: David kämpft gegen Goliath. Jake (Sam Worthington) hat inzwischen mit Neytiri (Zoe Saldana) eine Familie gegründet. Und wenn sie keine blaue Hautfarbe und buschige Schwänze hätten, nicht drei Meter groß wären und nicht auf einem fernen Mond im Sonnensystem Alpha Centauri zu Hause wären, würden die Sullys auch als Musterfamilie des deutschen Biedermeiers taugen. Zumindest so lange, bis die Himmelsmenschen, also die Invasoren vom Planeten Erde, zurückkehren.

Der Trailer zu „Avatar: The Way of Water“

Diese werden angeführt von Colonel Miles Quaritch (Stephen Lang), der den ersten „Avatar“-Film zwar nicht überlebt hat, nun aber als blaues Na’vi-Avatarwesen wieder zum Leben erweckt wurde. Die aggressiven Invasoren haben mehrere Gründe für ihre Rückkehr nach Pandora. Der wichtigste ist, dass sich Quaritch an Sully rächen will. Zudem steht die Menschheit offenbar kurz davor, den Planeten Erde komplett ruiniert zu haben, und hält Ausschau nach einer neuen Heimat. Und dann schwimmen durch Pandoras Ozeane noch riesige walähnliche Kreaturen, auf die es Jäger abgesehen haben, weil sich in deren Körper eine Art Enzym befindet, das den menschlichen Alterungsprozesse komplett aufhalten und deshalb für viel Geld verkauft werden kann.

Spektakulär, aber stereotyp

Camerons hyperrealistische Inszenierung ist so spektakulär, dass man manchmal übersieht, wie stereotyp die Erzählmuster dieses überlangen Films sind. Doch über drei Stunden nur schöne Bilder anzuschauen, wird doch irgendwann langweilig. Und richtig ärgerlich ist, mit welchem fast schon reaktionären Familienbild „Avatar: The Way of Water“ trotz aller Diversität und Fremdartigkeit aufwartet. Sully ist der Patriarch, dem sich auch seine einst so wilde Frau gerne unterordnet und der Sätze sagen darf wie „Die Berufung eines Vaters ist, seine Familie zu beschützen“. Während sich die Jungs prügeln dürfen, müssen die Mädchen beschützt werden. Die Stärke der Frauen besteht darin, dass sie enger mit der Natur verbunden sind, und sie werden nur dann zum Berserker, wenn ihre Muttergefühle geweckt werden. Die Ästhetik von „Avatar: The Way of Water“ ist von übermorgen, die Aufteilung der Geschlechterrollen von vorvorgestern.

Avatar: The Way of the Water: Science-Fiction, 193 Minuten. Regie: James Cameron. Mit Sam Worthington, Zoe Saldana, Stephen Lang. Ab 12 Jahren.

„Avatar“: Von „Aufbruch nach Pandora“ zu „The Way of Water“

Avatar: Aufbruch nach Pandora
James Camerons Science-Fiction kam 2009 ins Kinos. Er setzte Maßstäbe bei der 3-D-Technologie, wurde weitgehend in einem virtuellen Studio gedreht und verbindet Computeranimation mit Realfilm. Gemessen am Einspielergebnis ist der „Avatar“ der weltweit erfolgreichste Film. Er war zwar für neun Oscars nominiert, gewann aber nur drei (bestes Szenenbild, beste Kamera, beste visuelle Effekte). In den Kategorien Bester Film und Beste Regie gingen die Auszeichnungen stattdessen an Kathryn Bigelows Film „Tödliches Kommando – The Hurt Locker“.

Avatar: The Way of Water
Bereits bevor der erste „Avatar“-Film ins Kino kam, hatte James Cameron angekündigt, dass er eine Science-Fiction-Trilogie plant. Ursprünglich sollte die Fortsetzung bereits 2014 ins Kino kommen. Inzwischen sind insgesamt fünf Filme geplant. Bis 2028 sollen noch drei weitere Fortsetzungen ins Kino kommen, die die Geschichte abschließen.