Die Sorge um die Tier- und Pflanzenwelt führt die Experten zusammen. Foto: Werner Kuhnle

Hunde ohne Leine, Stand-up-Paddler, die Tiere aufschrecken – der Druck auf die Natur im waldarmen Kreis Ludwigsburg wächst. Ein breites Bündnis wirbt für Rücksicht.

Der Druck auf die Landschaft im Kreis Ludwigsburg nimmt zu. Beteiligt daran sind rücksichtslose Freizeitsportler, aber auch egoistische Hundehalter oder Zeitgenossen, die beim Paddeln auf der Enz johlen und dadurch Tiere aufschrecken. Gegen diesen Trend ruft der Landschaftserhaltungsverband Landkreis Ludwigsburg (LEV) zu mehr Sensibilität auf. Unterstützt wird der Verband von einem breiten Bündnis aus Landwirten, Jägern, Naturschützern und den Verwaltungen im Kreisgebiet.

Worum geht es den Beteiligten genau?

Der Landkreis Ludwigsburg ist mit rund 794  Einwohnern pro Quadratkilometer nach Esslingen mit 832 der am dichtesten besiedelte Kreis im Ländle. Konflikte nähmen im verdichteten Lebensraum zu, sagt Thomas Winterhalter. Der Steinheimer Bürgermeister vertrat als stellvertretender LEV-Vorsitzender den Landrat Dietmar Allgaier beim Treffen des Bündnisses am Brandholz im Bietigheimer Forst. „Wir wollen keine Schuldzuweisung, sondern Aufmerksamkeit schaffen“, so Winterhalter, der auf Aufklärung der Bürger setzt. Es sei ein „Marathon zugunsten des gemeinsamen Erholungsraumes“.

Was läuft in der Natur alles schief?

Die meisten Menschen verhalten sich in der Freizeit in der Natur korrekt. Das betonten die Vertreter beim Treffen. Trotzdem gebe es Konfliktfelder, die der LEV gesammelt hat. „Bei einzelnen Bürgern fehlt es an Sensibilität“, sagte Andreas Fallert, Geschäftsführer des Verbands, dem 30 von 39 Kreiskommunen angehören. Klassisches Beispiel: Ein Hund ohne Leine schreckt Rebhühner oder Hasen auf oder reißt sogar Rehe. Aber auch auf den Flüssen geht es rücksichtslos zu. So verhielten sich manche Stand-up-Paddler in der Brutzeit von Wasservögeln zu laut. Und in den Wäldern und Wiesen bewegten sich Jogger und Spaziergänger querfeldein, ohne sich etwas dabei zu denken.

Was sind weitere eklatante Sünden bei der Freizeitgestaltung?

Probleme gibt es auch, wenn Menschen in ihrer Freizeit Grillstellen in Naturschutzgebieten anlegen oder größere Flächen ihres Stückle betonieren – obwohl der Garten in einem Landschaftsschutzgebiet liegt. Dem Landkreis Ludwigsburg werden jährlich illegale Bauten in dreistelliger Zahl gemeldet. Sie dienten nicht der Pflege der Grundstücke, sondern der Freizeitgestaltung, erklärt die Kreisverwaltung. Hoch her geht es aber laut LEV offenbar auch in den Weinbergen. „Geradezu gefährlich wird die Koexistenz in der Natur, wenn E-Bike-Radler mit hohem Tempo auf Weinbergwegen fahren oder gar die Passage zwischen Rebzeilen als Downhill-Strecke genutzt wird.“

Warum gibt es nicht mehr Kontrollen?

Kontrollen greifen offenbar nicht. „Sie sind zu selten, es fehlt an Personal“, berichtet Andreas Fallert. Einen Feldschütz könnten sich die Kommunen nicht leisten. Die Ordnungsämter seien sowieso schon überlastet. Jäger ermahnten zwar manchmal Passanten bei Fehltritten im Wald, doch ernteten sie dabei oft Verständnislosigkeit, erzählt der Kreisjägermeister Peter Ulmer: „Für uns ist die Feldpolizisten-Rolle unangenehm.“ Der Marbacher Landwirt Florian Petschl droht manchem Hundehalter sogar mit Foto und Anzeige: „Hasen verursachen auf dem Acker keine Schäden, aber Hunde: Sie walzen den ausgesäten Samen platt.“ Auf regelmäßige Kontrollen an Grillplätzen setzt im Sommer Thomas Winterhalter in Steinheim: „Wir haben einen Security-Dienst beauftragt.“

Was sind die Ursachen für das Fehlverhalten im Freien?

Es gibt offenbar zwei ganz verschiedene Gruppen, weiß Elke Grözinger vom Fachbereich Naturschutz und Landschaftspflege in der Stadt Bietigheim-Bissingen. „Die einen lassen sich nichts sagen, weil sie meinen, es steht ihnen zu – die anderen reagieren verständig und geben zu, dass sie keine Ahnung haben.“ Deshalb müsse der Bezug zur Natur möglichst von früher Kindheit an vermittelt werden. „Was bis zur Pubertät nicht gelernt wird, geht in die Köpfe oft nicht mehr rein“, sagt Karin Zimmer, Vorsitzende der BUND-Ortsgruppe in Ingersheim. Die Gemeinderätin besucht seit mehr als 15 Jahren mit Kindergruppen Naturlernorte. „Wenn ich heute durch den Ort gehe, sehe ich immer wieder Menschen, die in der Gruppe bei mir waren.“ Zimmer wünscht sich für solche ehrenamtlichen Initiativen aber mehr Unterstützung durch die Kommunen. „Sie müssten mehr Lernorte anbieten“, sagt sie und denkt an Wiesengrundstücke, auf denen Apfelernte und -verkauf ihren Ausgang nehmen.

Was könnte sonst noch das Wissen fördern?

Jäger, Landwirte und Naturschützer wünschen sich mehr direkte Begegnungen von Kindern aus Kindergärten und Grundschulen und eine verbindliche Aufnahme solcher Ausflüge in den Lehrplan. Um Lehrer bei solchen Projekten zu entlasten, vermittele der LEV Streuobstwiesen-Pädgagogen, die der Verband zu zwei Dritteln finanziere, so Andreas Fallert. Ein Drittel müsste von der Kommune aufgebracht werden. Aber auch außerhalb von Kindergärten und Schulen müsse noch viel aufgeklärt werden, findet Gerhard Müller, Sprecher des Landesnaturschutzverbands Ludwigsburg, und denkt hierbei an die Erwachsenenbildung und die Medien. Er schlägt zudem Lenkungskonzepte in Räumen mit hohem Besucherdruck vor.

Was ist der LEV Ludwigsburg?

Gründung
 Der Landschaftserhaltungsverband Landkreis Ludwigsburg (LEV Ludwigsburg) ist ein eingetragener gemeinnütziger Verein, der sich am 1. Dezember 2015 gegründet hat. Er ist ein freiwilliger Zusammenschluss von Kommunen, Landwirtschafts- und Naturschutzvertretern.

Mitglieder
 Aktuell hat der LEV 44 Mitglieder. Dazu zählen – neben dem Landkreis Ludwigsburg – 30 der 39 Kommunen im Landkreis, zehn Vereine sowie vier Privatpersonen. Vorsitzender ist Landrat Dietmar Allgaier. Das Geschäftszimmer befindet sich auf Ebene 6 des Landratsamtes Ludwigsburg. Finanziert wird der Verein aus Mitteln des Landes, Kreises und der Mitglieder.