Der ungarische Premier Viktor Orban blockiert nicht nur in der EU, sondern inzwischen auch in der Nato wichtige Entscheidungen.
Viktor Orban wird seinem zweifelhaften Ruf nun auch in der Nato gerecht. Aus der Europäischen Union sind die Blockaden und überraschenden politischen Volten des ungarischen Premiers hinlänglich bekannt. Inzwischen werden auch die 32 Mitglieder der atlantischen Allianz immer häufiger von ihm ausgebremst. Vor allem seit dem Überfall Russlands auf die Ukraine stellt sich der Putin-Freund Orban quer.
So war die Erleichterung groß, als Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg beim Treffen der Verteidigungsminister der Allianz am Donnerstag im Brüsseler Hauptquartier mitteilen konnte, dass Ungarn die Einigung auf künftige Militär- und Finanzhilfen für die Ukraine nicht mehr blockieren werde. Geplant ist, dass die Nato in Zukunft in diesem Bereich mehr Verantwortung übernimmt.
Posten des Generalsekretärs als Druckmittel
Zuvor musste Stoltenberg dem ungarischen Premier am Tag vor dem Nato-Gipfel allerdings seine Aufwartung machen. Orban bezeichnete das Treffen im Anschluss als „schwierig“, konnte dann aber verkünden, dass sein Land keine Militärhilfe für die Ukraine leisten müsse. Es gehe bei dieser Frage um „Krieg oder Frieden“, hatte der Premier im Europawahlkampf immer wieder betont, untermauert von der substanzlosen Behauptung, die Nato könne bald ungarische Soldaten in den Krieg in der Ukraine schicken. Immer deutlicher wird, dass es sich bei Viktor Orbans Störaktionen vor allem um innenpolitische Manöver handelt.
Doch der Premier hat noch ein gewichtiges Druckmittel in der Hand. Im Herbst soll der Nachfolger des Nato-Generalsekretärs Stoltenberg gewählt werden, Orban blockiert beharrlich die Entscheidung. Als Favorit gilt der niederländische Noch-Premier Mark Rutte, der von den USA, Deutschland, Großbritannien, Frankreich unterstützt wird. Auch hier setzt sich der Regierungschef aus Budapest gekonnt als Verteidiger der Ehre Ungarns in Szene. Rutte müsse sich erst „für beleidigende Äußerungen“ entschuldigen. Der Grund: der Niederländer hat in den vergangenen Jahren immer schärfer die Aushöhlung des ungarischen Rechtsstaats kritisiert. Unklar ist, ob die Blockade bis zum Nato-Gipfel in Washington in knapp vier Wochen überwunden werden kann.
Wer Orban stört, muss in Budapest antreten
Gemunkelt wird, dass Viktor Orban einen Besuch Ruttes in Budapest einfordere. Dieses Drehbuch kennen die restlichen 31 Nato-Staaten sehr gut, denn Ungarn hatte über Monate den Beitritt Schwedens zur Allianz blockiert. Auch damals hieß es, Schwedens Ministerpräsident Ulf Kristersson müsse nach beleidigenden Äußerungen bei einem Besuch in Budapest die „Ehre Ungarns“ wiederherstellen.
Der skandinavische Premier kam am Ende dem Wunsch nach und brachte sogar ein Gastgeschenk mit. Ungarn durfte vier neue Kampfjets vom schwedischen Typ Jas 39 Gripen kaufen. Zudem verlängerten die beiden EU-Länder eine Wartungs- und Logistikvereinbarung zu den bisherigen 14 Gripen-Flugzeugen.
Wahrscheinlich ist also, dass Mark Rutte in den kommenden Wochen seine Koffer packen und ebenfalls in Budapest vorsprechen wird. Viktor Orban wird dann erneut versuchen, den Besuch seinen Landsleuten als Beweis für das große außenpolitische Gewicht Ungarns zu verkaufen. Doch ist eher das Gegenteil der Fall. Unter der Hand heißt es bei der Nato, dass die Allianz die Geduld mit Orban und seinen nervtötenden Eskapaden inzwischen verloren habe.