Nicht der Plan B, sondern Plan A: Die geballt-närrische Frauen-Power im Rathaus von Weil der Stadt. Foto: /Simon Granville

Bei der „narreten Sitzung“ im Rathaus von Weil der Stadt nimmt der Siebenerrat der Narrenzunft AHA Stadtobere und Kommunalpolitik aufs Korn.

Donnerstagabend in Weil der Stadt: Auf dem Marktplatz ist es fast menschenleer, von Fasnet und Schmotzigem Dunschtig keine Spur, abgesehen von den vielen bunten Wimpeln. Doch halt, oben im Rathaus glitzert bunter Deko-Tand aus hell erleuchteten Fenstern. Schon lange vor Beginn der „narreten Sitzung“ des Siebenerrats hat das Narrenvolk den Saal gestürmt.

Erste narrete Sitzung seit Ausbruch der Coronapandemie

Einige Frauen, die wie schon bei der letzten närrischen Sitzung im Jahr 2020 die weibliche Sicht auf die Fasnet einbringen wollen, sitzen auf dem Boden. Beim Einmarsch von Narrenkapelle, AHA-Ballett und Siebenerrat halten sie Pappschilder hoch mit ihren „Forderungen“: „Wir geben Männern (k)eine Chance“, „Mit Glitzer geht alles besser“ oder auch „Frauen sind nicht der Plan B“, sondern natürlich der Plan A.

Doch von dieser weiblich-närrischen Aufmüpfigkeit lassen sich die in traditionelles Schwarz-Rot-Gold gekleideten Oberen der Narrenzunft AHA wenig beeindrucken. Das Gremium unter Führung von Zunftmeister Daniel Kadasch und dem zweiten Zunftmeister Tobias Reim hat eine närrische Tagesordnung mit vielen Punkten „abzuarbeiten“. Ganz oben steht die Begrüßung der „abgesetzten Regierung“, sprich von Bürgermeister Christian Walter – für den 32-jährigen Stuttgarter ist es nach der Coronapandemie die erste reguläre Weiler Fasnet – und den Ersten Beigeordneten Jürgen Katz.

Er sei noch jung und stecke in der Blüte seines Bürgermeister-Lebens, sagte der Zunftmeister mit Blick auf Walter. Und er sei bei vielem ein Vorbild, etwa beim Feiern. Da wisse er, wie man es macht, und beim Heimgehen sei er auch eher einer der Letzten. Der Siebenerrat habe überlegt, ihm als Juxorden eine Krawatte oder schwarze Halbschuhe zu schenken – der sportliche Bürgermeister tritt oft mit Sneakern auf, so auch an diesem Abend.

Beschlossene Sache: der Bürgermeister muss umziehen

Stattdessen gab es ein großes Lob der Narren für den Verwaltungschef der Keplerstadt: Er habe seinen ersten „richtigen“ Narrensprung super gemeistert und sei wohl selber überrascht gewesen, wie viele Narren es hier gibt. Dementsprechend wird gefordert, dass der Schultes jetzt endlich richtig nach Weil der Stadt ziehen soll. Dann könne man sein Dienstfahrrad verkaufen und das 49-Euro-Ticket streichen. Es versteht sich von selbst, dass bei der Abstimmung alle Räte dafür sind. Einstimmig fällt der Beschluss, Christian Walter und Jürgen Katz den Zunftorden zu verleihen.

Einen Verdienstorden der Narrenzunft erhält Franz Decker, der mit seinem Most wieder für das Fasnets-Getränk sorgt. „280 Liter – eine unglaubliche Ökobilanz, der Franz, der kann’s“, heißt es dazu. Und Karl-Friedrich Blumhardt von der Gruppe „Alte Sägg“ – zu den ehemaligen Zunftoberen zählt sich jetzt auch Ex-Vorsitzender Michael Borger – erklärt: „Der beschte Moscht isch immer noch der, der nix koscht.“ Dann ruft der Zunftmeister das heikle Thema Frauenquote im Rathaus auf, um die es ja nicht so gut bestellt sei.

Auf seine Bemerkung, dass die Narrenzunft mehr Frauen habe, kommt aus dem Publikum der Zwischenruf: „Und wie viele im Siebenerrat?“ „Keine, und des bleibt so, weil sich’s bewährt hat“, lautet die prompte Antwort der närrischen Herren. Zahlreiche „Lost Places“ in der Stadt werden ebenso durch die Narrenbrille betrachtet („außerhalb der Fasnet ist die ganze Stadt ein Lost Place“) wie die Digitalisierung im Rathaus („Jetzt sind die digitalen Wasserzähler intelligenter als mancher Stadtbeamte…“).

Der Mangel an Ökopunkten, die für die städtischen Bauvorhaben nötig sind und die man auswärts zukaufen muss, könne unkonventionell gelöst werden, meint Gerhard Buhl: „Wenig Fläche, große Träume, die Lösung heißt kleine Bäume.“ Er schlägt das Anpflanzen von Bonsai-Wäldern vor und Christian Walter wird ein riesengroßer Ökopunkt übergestülpt. Schließlich ereifern sich die Stadtratschen Johanna und Dietlinde alias Johannes Lutz und Dieter Stotz übers Energiesparen und den drohenden Blackout. Da fällt ihnen nur noch das Trostlied „Heile, heile Gänsle …“ ein, in das das Publikum kräftig einstimmt.

Stadtspitze geht unter die Singer-Songwriter

Und dann brauchen Walter und Katz noch fasnetsgerechte Namen. Für den Bürgermeister wird sich nach reiflicher Überlegung und zahlreichen Vorschlägen für die Variante „schmaler Chris“ entschieden, analog zu seiner schlanken Figur und zum schmalen Stadt-Haushalt, der Beigeordnete heißt vor dem Hintergrund der neuen Katzenschutzverordnung bis Aschermittwoch Jürgen Kater.

Die beiden steuern am Schluss ein Lied mit dem Titel „’s isch a hards Brod“ bei – mit Jürgen Katz an der E-Gitarre – das das schwere Los der Stadtoberen beschreibt, wenn es auch akustisch nicht recht zum närrischen Volk durchdringt. Im Text heißt es etwa „Jeder woiß es besser – elle send se gscheid, des bissle Amdsverweser – damid ischs ned so weid“ und weiter: „Elles schlechd, elles druckd, nix machsch rechd, ’s isch verruckd. Wenig Geld, wenig Zeid, ’s isch ned bloß luschdig, glaubed’s no ihr Leid“

Und später am Abend ist der Marktplatz dann doch noch voller Menschen. Die Hexen haben Feuer gemacht und jeder, der will – oder auch nicht – kann drüber springen.