Ende September wurde der Laden in Kleinbottwar eröffnet. Wegen zu vieler Diebstähle hat der Betreiber nun das Sortiment reduziert – zumindest vorübergehend. Foto: Avanti/Ralf Poller

Aus den Selbstbedienungs-Läden verschwinden zuletzt vermehrt Waren. So auch in der Filiale in Kleinbottwar (Kreis Ludwigsburg). Wie sieht es bei Kaufland & Co. aus?

Für viele Bewohner kleiner Dörfer sind sie ein echtes Stück Lebensqualität: die Tante-M-Läden. Wo sich sonst kein Lebensmittelladen ansiedeln möchte, weil es sich wegen der Personalkosten nicht rechnet, setzt Christian Maresch, der Erfinder von Tante M, auf Selbstbedienung und Selbstbedienungskassen und recht langen Öffnungszeiten. In jüngerer Zeit haben in einigen Filialen einige offenkundig jugendliche Kunden das mit der Lebensqualität auf dem Dorf anders verstanden: als Selbstbedienung, ohne an der Kasse zu zahlen. Auch im Steinheimer Stadtteil Kleinbottwar.

Knabberzeug und Energydrinks sind verschwunden. „Die wurden palettenweise rausgetragen“, ärgert sich Maresch. Überwachungskameras zeigen die Täter. Doch wer mit Maske und Käppi den Laden betritt, der wird trotzdem nicht als Dieb entlarvt.

Die Lieblingsprodukte der Diebe wurden aus dem Sortiment genommen

Seit 30. September hat die Filiale offen. Dass die Diebstähle so kurz nach Eröffnung des Ladens und dann auch noch in diesem Umfang passiert sind, hat Maresch überrascht – obwohl ein gewisser Schwund immer einkalkuliert werde, sagt er. Die Konsequenz: Die Lieblingsprodukte der Langfinger wurden aus dem Sortiment genommen und durch einen Hinweis ersetzt, warum sie zumindest vorerst nicht mehr erhältlich sind. Das sei eine relativ radikale Entscheidung, ist sich Maresch bewusst. Viele ehrliche Kunden seien enttäuscht. „Aber das ist das Mittel, das am schnellsten hilft und auch Aufmerksamkeit erregt – und darauf kommt es uns mit Blick auf die Sozialkontrolle an.“

Ob die Diebstähle mit gestiegenen Preisen zusammenhängen? „Möglich“, meint Maresch. „Ich habe mich in der Tat gefragt, ob die kein Taschengeld mehr kriegen oder ob es nicht reicht.“ Auffallend sei jedenfalls die Häufung der Diebstähle in den vergangenen zwei bis drei Monaten. „Vor zwei bis drei Jahren hatten wir das Thema noch nicht.“

Geklaut wird auch in anderen Filialen der über ganz Baden-Württemberg verteilten Läden. „Das Thema Energydrinks hatten wir schon immer, das ging aber meist nur zwei Wochen“, hat Maresch beobachtet. Diebstähle seien nicht auf eine bestimmte Region zurückzuführen, sondern auf die Wirtschaftslage.

Doch wie ist es in anderen Lebensmittelläden? Bei Kaufland machen „Ladendiebstahlsfeststellungen weit weniger als ein Promille unserer Kundenkontakte aus, der weitaus größte Teil unserer Kunden ist ehrlich“, sagt Kaufland-Pressesprecherin Alisa Götzinger. Bei Lidl will man sich zum Thema Diebstähle nicht äußern – und auch die Polizei kann keine genaue Erhebung der vergangenen Monate liefern, da „die Statistik nicht zwischen unterschiedlichen Läden und Geschäften unterscheidet“, so Polizei-Sprecherin Yvonne Schächtele.

Dass zum 30. November der Tante-M-Laden in Neckarwestheim dichtgemacht wird, hänge nicht mit Diebstählen zusammen – obwohl es die dort auch gegeben hat. In Neckarwestheim habe man einen Versuch mit einer halbjährigen Probezeit gestartet, da es im Ort auch einen Supermarkt gebe, in dem man ein paar Cent günstiger einkaufen könne. Maresch: „Das lockt die Schnäppchenjäger.“ Und weil die Nachfrage geringer gewesen sei als erhofft, habe man viele Produkte aus dem Kühlregal wegwerfen müssen.

In Neckarwestheim schließt die Tante-M-Filiale

Von dem Konzept ist der Firmengründer trotz dem Aus in Neckarwestheim und den Diebstählen nach wie vor überzeugt. Inzwischen wurde die erste Filiale in Rheinland-Pfalz eröffnet. „Wir halten daran fest, die Nachfrage ist sehr groß“, versichert er. Seit etwa anderthalb Jahren komme täglich ein neuer Wunsch nach Eröffnung eines Ladens, tatsächlich eröffnen könne man derzeit wöchentlich zwei.

Und die Filiale in Kleinbottwar? Sie bleibt, eventuell wird auch das Sortiment wieder aufgestockt. Langfinger sollten sich dennoch nicht zu früh freuen: „Wir sind vermehrt versteckt präsent, auch zu ungewöhnlichen Tageszeiten.“ Und wer erwischt wird, zahlt zumindest schon mal 100 Euro Bearbeitungsgebühr – von dem Ärger einer Anzeige und dem ruinierten Ruf im Ort ganz zu schweigen.

Was ist Tante M?

Das Konzept
 Bei Tante M können die Kunden sieben Tage die Woche, 365 Tage im Jahr von 5 bis 23 Uhr einkaufen. In den Filialen gibt es kein Verkaufspersonal. Kassiert wird selbstständig an der SB-Kasse. Der Standort-Schwerpunkt liegt auf Ortschaften zwischen 700 und 4000 Einwohnern, die nur noch eine eingeschränkte oder gar keine Nahversorgung mehr haben. Betreiber Christian Maresch hatte 2019 als Einzelkämpfer begonnen, inzwischen beschäftigt er rund 40 Mitarbeiter über alle Filialen verteilt.

Die Standorte
 Zurzeit gibt es 34 Tante-M-Läden – die meisten davon in Baden-Württemberg, einzelne in Bayern und Rheinland-Pfalz. Im Landkreis Ludwigsburg gibt es Filialen in Kleiningersheim, Winzerhausen, Kleinbottwar, Schöckingen und Höpfigheim.