Gemeinsam platzieren Astrid Grauel und Rainer Selig einen Nistkasten in der Böschung. Foto: Jürgen Bach

Siebenschläfer haben eine Ampel in Leonberg lahm gelegt, weil sie sich dort eingenistet hatten. Für die geschützten Nagetiere hat der Nabu in der Nähe des Leonberger Kinos eine neue Heimat gefunden.

In orangene Warnwesten gehüllt schlagen sie sich durch das Unterholz, erklimmen steile Böschungen, trotzen dem Autoverkehr und balancieren eine Leiter zwischen Bachufer und Baumstamm: Auf der Suche nach den perfekten Standorten für mehrere Nistkästen nehmen Astrid Grauel und Rainer Selig vom Leonberger Naturschutzbund (Nabu) einiges an Kletterei in Kauf. Für fünf hölzerne Vogelhäuschen suchen sie rund um die Kreuzung von Südrandstraße und Neuer Ramtelstraße in Leonberg (Kreis Böblingen) einen Platz.

Dabei sind die Vogelhäuser gar nicht für Vögel angedacht – sondern für Siebenschläfer, die sich in dem Gebiet im südlichen Ramtel wahrscheinlich gerade auf Nistplatzsuche befinden, wie der Nabu vermutet. „Wir haben die Eingangslöcher einfach etwas größer gebohrt“, erklärt Astrid Grauel. Für richtige Siebenschläfer-Nistkästen, sogenannte Kobel, beträgt die Lieferzeit gerade vier Monate. Die Siebenschläfer stören sich an den zweckentfremdeten Vogelhäuschen recht wenig. Denn an der Leonberger Straßenkreuzung hatten sie sich zunächst in einem viel ungewöhnlicheren Ort eingenistet – im Inneren eines Ampelpfahls.

Die Ampel wird zur Penthouse-Wohnung

Eine „Penthouse-Wohnung“ sei dieses temporäre Zuhause für die Siebenschläfer gewesen, berichtet Wildtierpflegerin Mary Gensler, die beim Aufhängen der Nistkästen ebenfalls mit von der Partie ist. In der warmen, trockenen Kunststoffisolierung der Ampel haben sich die „Siebis“, wie sie die Tiere liebevoll nennt, wohl pudelwohl gefühlt. Und sie waren sicher vor ihren natürlichen Feinden, also Mardern, Füchsen und Hauskatzen. Der Nabu vermutet, dass die Geräte unterirdisch verkabelt sind und die Siebenschläfer sich durch diese Hohlräume in die Ampel quetschen konnten. Weil es schlicht im Weg war, hatten die Tiere ein Kabel angenagt und damit die Ampel beschädigt. In der Folge hatte es einen Unfall gegeben.

Tierschutz und Verkehrssicherheit müssen Hand in Hand gehen

Als Tierschützer und Nabu-Mitglieder Anfang dieser Woche nach dem Nest in der Ampel schauen wollten, waren die Siebenschläfer bereits ausgezogen. „Sie haben uns echt veräppelt“, berichtet Gensler. „Sie sind aus der einen Ampel raus und einfach in die nächste.“ Auch dort sind die Siebenschläfer nun nicht mehr, die Isolierung wurde inzwischen in beiden Ampeln entfernt. Denn auch wenn man den unter Naturschutz stehenden Siebenschläfern ein Zuhause geben würde – in der Ampel können sie auch zum Schutze der Autofahrer nicht bleiben. „Es ist wichtig für uns, dass die Tiere einen Ort zum Nisten haben, aber auch, dass die Verkehrssicherheit gewährleistet ist“, erklärt Sebastian Küster, Sprecher der Stadt Leonberg. „Es muss eben beides gemeinsam gehen.“

Die Leibspeise sind Weintrauben

Und das soll jetzt mit den neuen Nistkästen passieren. In einem Radius von etwa hundert Metern hängen Astrid Grauel und Rainer Selig die Häuschen auf, in einem großen Kreis um das ehemalige Siebenschläfer-Zuhause in der Ampel. Am besten hängen die Kästen in zwei Metern Höhe, erklärt Grauel. „Aber die Siebenschläfer sind da nicht ganz so empfindlich.“ Anschließend füllen die beiden Nabu-Mitglieder die Behausungen mit Futter. Heimisches Obst, Haselnüsse und Sonnenblumenkerne essen die Nagetiere. Ihre Leibspeise: Weintrauben.

Ob in die neuen Kästen auch tatsächlich Siebenschläfer einziehen, wird erst kontrolliert, wenn die Siebenschläfer sich in ihren achtmonatigen Winterschlaf verabschiedet haben. Diesen verbringen die Nagetiere eingebuddelt in bis zu einem Meter Tiefe. Die Nistplätze in Ramtel sind nicht die einzigen im Leonberger Stadtgebiet: In Vogelhäuschen am Waldfriedhof etwa machen es sich regelmäßig Siebenschläfer gemütlich.

Einfangen verboten

Weil Menschen immer mehr in den Lebensraum von vielen Tieren wie den Siebenschläfern eindringen, suchen sich die Nager häufiger alternative Nistplätze – etwa in Gartenhäuschen oder unter Dachgiebeln von älteren Häusern. Graben sich die Siebenschläfer für ihren Winterschlaf in Gärten ein, laufen sie Gefahr, im Frühjahr vorzeitig ausgebuddelt zu werden, wenn die menschlichen Bewohner mit der Frühjahrsbepflanzung starten. Auch in Regentonnen ertrinken die Siebenschläfer immer wieder, berichtet Mary Gensler. Als Wildtierpflegerin nimmt sie regelmäßig verwaiste Siebenschläfer auf, wenn diese in freier Wildbahn gefährdet wären. Wer ein Nest findet, sollte auf gar keinen Fall Lebendfallen aufstellen, mahnt sie. Weil die Tiere unter Artenschutz stehen, ist das ohne eine Genehmigung der Unteren Naturschutzbehörde verboten.

Nachtaktive Nager

Geschützte Art
 Siebenschläfer gehören zur Familie der Bilche, sind verwandt mit dem Eichhörnchen und stehen unter Artenschutz. Ohne behördliche Erlaubnis dürfen die nachtaktiven – und deshalb oft ziemlich lauten – Nager deshalb nicht bekämpft werden.

Ruhemodus
 Obwohl sie ihren Namen dem angeblich sieben Monate dauerndem Winterschlaf zu verdanken haben, schlummern die Siebenschläfer etwas länger, von Mitte September bis Ende Mai. In dieser Phase schlägt ihr Herz nur etwa fünf Mal pro Minute.