Till Lindemann steht für seinen Umgang mit Frauen in der Kritik. Foto: dpa/Malte Krudewig

Die Vorwürfe gegen den Sänger Till Lindemann von Rammstein haben offenbar Folgen für die Konzerte der Band in München. Die sogenannte Row Zero – die Fanreihe vor der Absperrung an der Bühne – und Aftershow-Partys wird es nicht mehr geben.

Nachdem die Europatour der deutschen Band Rammstein von schweren Vorwürfen des Machtmissbrauchs gegen die Band und ihren 60-jährigen Frontmann Till Lindemann überschattet wird, stehen nun im Rahmen dieser Tournee vier Konzerte im Münchner Olympiastadion von diesem Mittwoch an auf dem Programm. Doch diese werden nicht wie geplant stattfinden: Eine sogenannte Row Zero (die Reihe null, einen speziellen Bereich vor der Bühne) und Aftershow-Partys wird es nicht geben.

Das bestätigte die Olympiapark GmbH gegenüber unserer Zeitung am Montag. „Eine Absage der Konzerte steht aber nicht im Raum“, erklärte der Sprecher Tobias Kohler. Auch ein sogenanntes Awareness-Konzept werde wohl aktuell ausgearbeitet. „Wir würden das sehr begrüßen“, sagt Kohler. Bei anderen Veranstaltungen habe man bereits erfolgreich mit Awareness-Teams gearbeitet, die bei übergriffigem Verhalten oder sexualisierter Gewalt Unterstützung anbieten.

Münchner Grüne wollen Row Zero für künftige Konzerte verbieten

Der Veranstalter Propeller Music reagiert mit dieser Änderung wohl auf die Kritik an Rammstein und den zunehmenden politischen Druck. Die Münchner Grünen hatten zuvor gefordert, die Row Zero zu verbieten. Von dort sollen junge Frauen für den Backstage-Bereich von Rammstein rekrutiert worden sein, dort soll es dann zu sexuellen Übergriffen gekommen sein. Laut einem fraktionsübergreifenden Antrag der Grünen/Rosa Liste, der Linken, der Partei und der ÖDP-Liste im Münchner Stadtrat sollte außerdem geprüft werden, ob bei Konzerten sogenannte Safe Spaces eingerichtet werden können, bei denen Frauen in Not Hilfe erhalten. Die Stadträte wollen prüfen, ob man diese Maßnahmen verpflichtend vorschreiben kann – auf Kosten der Veranstalter. Nach Angaben der Grünen-Fraktion entscheidet die Stadtspitze, wann über den Antrag abgestimmt wird. Die nächste Vollversammlung des Stadtrats ist erst am 28. Juni angesetzt.

Anlass für die Überlegungen in München, wie Konzerte und Festivals künftig sicherer gestaltet werden können, sind die aktuellen Berichte rund um Rammstein. Nach dem Tourauftakt der Band am 22. Mai in Litauens Hauptstadt Vilnius erhob die Irin Shelby Lynn schwere Vorwürfe gegen Rammstein in den sozialen Medien.

Ihren Aussagen zufolge soll eine Mitarbeiterin der Band sie und andere junge Frauen ausgewählt haben und ihnen Backstage-Zugang versprochen haben. Dort habe Sänger Till Lindemann Sex mit ihr haben wollen und sei wütend geworden, als sie ablehnte. Zudem äußerte sie den Verdacht, dass ihr Drogen verabreicht worden sein könnten.

Daraufhin berichteten auch andere Frauen in den sozialen Netzwerken von sexuellen Übergriffen und Machtmissbrauch rund um die Band Rammstein. Der Rechercheverbund des NDR und der „Süddeutschen Zeitung“ sowie die „Neue Zürcher Zeitung“ veröffentlichten weitere Aussagen von Konzertbesucherinnen, in denen von Rekrutierungen für Aftershow-Partys aus der Row Zero heraus und von Übergriffen die Rede war.

In den sozialen Netzwerken nahm die Band dazu Stellung. „Die Vorwürfe haben uns alle sehr getroffen, und wir nehmen sie außerordentlich ernst“, schrieben Rammstein auf Instagram. Dass die Fans sich sicher fühlen könnten, sei der Band wichtig – „vor und hinter der Bühne“. Weiter hieß es: „Wir verurteilen jede Art von Übergriffigkeit und bitten euch: Beteiligt euch nicht an öffentlichen Vorverurteilungen jeglicher Art denen gegenüber, die Anschuldigungen erhoben haben. Sie haben ein Recht auf ihre Sicht der Dinge.“ Zugleich betont die Rockgruppe, auch sie habe ein Recht – nämlich darauf, „ebenfalls nicht vorverurteilt zu werden“.

Rammstein streitet Vorwürfe ab

Zuvor hatte die Band Rammstein in einem ersten Statement wenige Tage davor abgestritten, dass sich die Vorwürfe in ihrem Umfeld zugetragen haben. „Uns sind keine behördlichen Ermittlungen dazu bekannt“, hieß es in der knappen Stellungnahme.

Rammstein geben in München im Olympiastadion vier Konzerte, die ausverkauft sind. In Berlin sind im Juli drei weitere, ebenfalls ausverkaufte Auftritte geplant. Dass die Konzerte aufgrund der Vorwürfe abgesagt werden, ist unwahrscheinlich, solange die Staatsanwaltschaft nicht offiziell gegen Rammstein ermittelt. Bisher soll die Polizei von Vilnius nach Informationen der „Welt am Sonntag“ Shelby Lynn angehört und ein Aktenzeichen angelegt haben. Ob jedoch auch Ermittlungen gegen Rammstein aufgenommen werden, ist noch nicht bekannt.

Der Veranstalter Propeller Music und die Olympiapark GmbH, ein Tochterunternehmen der Stadt München, gehen weiterhin davon aus, dass die Konzerte wie geplant stattfinden können. Eine Absage könnte hohe Schadenersatzforderungen nach sich ziehen. Enttäuschte Fans, die nun doch kein Konzert von Rammstein besuchen wollen, haben allerdings kein Recht darauf, ihre Tickets zurückzugeben und die Kosten vom Veranstalter zurückzufordern. Die Eintrittskarten sind personalisiert und können deshalb auch nicht ohne Weiteres weitergegeben werden.