Kontrolle an der Zufahrt: Die Todesschüsse im Mercedes-Werk wirken noch immer nach. Foto: IMAGO Eibner Foto/Dennis Duddek

Nach den Schüssen im Mercedes-Werk geht die Arbeit für die Ermittler nun erst richtig los. Eine große Anzahl von Zeugen muss vernommen werden. Bis zu einer Anklage ist es noch ein weiter Weg.

Der 53-jährige Tatverdächtige sitzt in Untersuchungshaft, die kriminaltechnischen Spuren sind gesichert – doch für die 17-köpfige Ermittlungsgruppe Halle geht jetzt die aufwendige Fleißarbeit erst richtig los: „In dieser Woche kommen die Zeugenvernehmungen nach und nach in Gang“, sagt Yvonne Schächtele, Sprecherin des zuständigen Polizeipräsidiums Ludwigsburg, „und das wird einige Zeit in Anspruch nehmen.“

Wer hat was gesehen bei den tödlichen Schüssen auf zwei 44-jährige Arbeitskollegen und Landsleute, die der 53-jährige türkische Mitarbeiter eines externen Logistikunternehmens auf dem Gelände des Mercedes-Werks in Sindelfingen am Donnerstag abgefeuert hat? Am Freitag hatte die Polizei erst einmal die Namen und Daten der Zeugen erfasst, diese aber noch nicht eingehender befragt. „Die Betroffenen standen ja noch unter dem Eindruck der Situation“, sagt die Polizeisprecherin. Das soll nun aber in den nächsten Tagen in Gang kommen.

Kripo ermittelt „mit Ruhe und Genauigkeit“

Wasserstandsmeldung dazu sind nicht zu erwarten. Schließlich handele es sich um „eine größere Anzahl von Zeugen, die da zu befragen sind“, so Sprecherin Schächtele. Und die Befragungen müssten auch erst einmal terminiert werden. Bei der Organisation geht es tatsächlich viel aufwendiger zu als bei einem 90-Minuten-Fernsehkrimi. „Die Ermittlungsarbeit“, so Yvonne Schächtele, „muss außerdem mit Ruhe und Genauigkeit gemacht werden.“

Ruhe und Genauigkeit sind auch bei der Stuttgarter Staatsanwaltschaft angesagt. Dass der Haftbefehl gegen den 53-Jährigen, der noch am Tatort vom Werkschutz gestellt und von der Polizei festgenommen worden war, lediglich auf Totschlag statt auf Mord lautet, hat im Umfeld für Irritationen gesorgt. Dabei ist das, was im Haftbefehl steht, nicht unbedingt gleichbedeutend mit dem, was am Ende der Ermittlungen als Anklage formuliert wird.

Wann ist ein Mord ein Mord?

„Der Haftbefehl für eine Straftat setzt einen dringenden Tatverdacht voraus“, sagt Staatsanwaltssprecher Aniello Ambrosio, „er ist also eine Momentaufnahme.“ Dabei könne nur beurteilt werden, was an Erkenntnissen bereits „hinreichend gesichert“ sei. Bei einem Mordvorwurf müssten diverse Merkmale vorhanden sein. Ein Mörder sei nach Paragraf 211 Strafgesetzbuch, „wer aus Mordlust, zur Befriedigung des Geschlechtstriebs, aus Habgier oder sonst aus niedrigen Beweggründen, heimtückisch oder grausam oder mit gemeingefährlichen Mitteln oder um eine andere Straftat zu ermöglichen oder zu verdecken, einen Menschen tötet“.

Nach dem derzeitigen Stand der Ermittlungen gebe es bisher nicht hinreichend gesicherte Erkenntnisse, weshalb die Staatsanwaltschaft vorerst von einem Totschlag ausgeht. Was aber nicht heißen muss, dass später in der Anklage nicht doch eine Verurteilung wegen Mordes gefordert wird. Doch dazu hat die Ermittlungsgruppe Halle der Böblinger Kripo zunächst einmal einiges an Spuren und Aussagen zusammenzutragen.