Die ersten modernen Menschen kamen vor rund 45 000 in das Gebiet des heutigen Baden-Württembergs. Während der letzten Eiszeit war die Schwäbische Alb wieder fast menschenleer. Vor 19 500 Jahren kehrte der Homo sapiens wieder zurück, wie eine neue Studie der Universität Tübingen belegt.
Nach den unwirtlichen Bedingungen der letzten Eiszeit in Mitteleuropa vor 27 000 bis 19 000 Jahren wurde die Schwäbische Alb rund 3000 Jahre früher wieder besiedelt als bisher gedacht.
Die alte Schätzung besagte, dass moderne Menschen vor rund 16 500 Jahren in die Region zurückgekehrt seien. Neue Daten aus zwei Fundstätten im Lonetal belegen nun, dass Menschen dort bereits vor rund 19 500 Jahren Spuren hinterließen.
Prähistorische Fundstätte Vogelherdhöhle
Das hat eine Studie von Benjamin Schürch, Gillian Wong, Elisa Luzi und Nicholas Conard von der Universität Tübingen ergeben. Das Forscherteam nutzte dafür Befunde aus der Vogelherdhöhle und der Fundstätte Langmahdhalde, um die Wiederbesiedlung räumlich und zeitlich genauer nachzuvollziehen. Die Studie ist in der Fachzeitschrift „Journal of Archaeological Science Reports“ veröffentlicht worden.
Die Vogelherdhöhle wurde zuerst 1931 durch den Archäologen Gustav Riek von der Universität Tübingen ausgegraben. Die Arbeiten mussten innerhalb eines kurzen Zeitraums abgeschlossen werden, sodass die Schichtlagen nicht systematisch erfasst wurden. Spätere Grabungen, auch im Abraum aus der Höhle, führte Nicholas Conard mit seinem Team durch.
Spuren aus dem Magdalénien
„Die Fundstätte ist vor allem durch die figürlichen Kleinkunstwerke aus der Kultur des Aurignacien bekannt, die vor rund 42 000 bis 35 000 Jahren vorherrschte“, berichtet Benjamin Schürch. „Aber es gibt auch Spuren aus dem Magdalénien, einer archäologischen Kulturstufe vor rund 19 000 bis 14 000 Jahren mit Werkzeugen wie Kratzern und Sticheln aus Stein, aber auch Speerspitzen aus Geweih.“
Der Felsüberhang Langmahdhalde liegt nur etwa zwei Kilometer von der Vogelherdhöhle entfernt. Diese Fundstätte wurde von 2016 bis 2024 unter der Leitung von Conard ausgegraben und die Schichtenlage dokumentiert.
19 500 Jahre alte Pfeilspitzen
Die Forscher unterzogen tierische Überreste aus dem Vogelherd, die von Menschen bearbeitet wurden, sowie organisches Material aus der Langmahdhalde einer Radiokarbondatierung. Bei dieser Methode macht man sich zunutze, dass organisch gebundener Kohlenstoff-14 präzise berechenbar zerfällt. Sein Anteil in organischen Proben gibt daher Auskunft über das Alter der beprobten Artefakte.
„Die ältesten dieser Spuren, die Menschen hinterlassen haben, konnten so in der Vogelherdhöhle auf ein Alter von rund 19 500 Jahren datiert werden. In der Langmahdhalde scheinen sich die Menschen nach der Eiszeit zum ersten Mal wieder vor 17 900 bis 17 000 Jahren aufgehalten zu haben“, erklärt Schürch.
Kulturelle Hinterlassenschaften
Die Forscher haben an beiden Ausgrabungsstätten die kulturellen Hinterlassenschaften analysiert. Dazu nutzten sie aus dem Magdalénien der Vogelherdhöhle zum Beispiel Projektilspitzen aus Geweih und Stein. Durch Analysen der Überreste von Kleinstfaunen an der Langmahdhalde konnten sie auch das Klima der Region vor rund 19 000 Jahren rekonstruieren.
„Da die Fundstätten geografisch so dicht zusammenliegen, konnten wir die umfangreicheren Funde aus dem Vogelherd mit der genauer dokumentierten Schichtabfolge in der Langmahdhalde zueinander in Bezug setzen. Nur so konnten wir ein umfassenderes Bild gewinnen“, resümiert Gillian Wong.
Vereinzelt hätten moderne Menschen die Schwäbische Alb zwar schon in der ausgehenden Eiszeit wiederbesiedelt, so die Archäologin. „Dauerhaft ließen sie sich aber erst wieder vor rund 16 500 Jahren in der Region nieder.“