Bei den Aufräumarbeiten, wie hier in Wolfsölden, packten alle mit an – auch die, die nicht so schwer betroffen waren. Foto: Werner Kuhnle

Nach dem Starkregen am Mittwoch ist nun Aufräumen angesagt. Bei der Beseitigung der Schäden durch die Überflutungen packen viele Helfer mit an. Doch es wurden auch Vorwürfe in Richtung der Bürgermeister laut, zu wenig für den Schutz bei solchen Regenfällen getan zu haben.

Die Meteorologen hatten gewarnt: Am Mittwoch drohten Unwetter mit Starkregen und vereinzeltem Hagel, es könne aber auch Gebiete geben, in denen gar nichts passiere. Wer in Affalterbach und Kirchberg an der Murr auf Letzteres gehofft haben sollte, hatte sich mächtig getäuscht. Beide Gemeinden traf es hart. In Affalterbach war erneut vor allem der Ortsteil Wolfsölden betroffen, aber auch in Birkhau wurden Keller geflutet und Gärten verwüstet. An der Mühle in Wolfsölden wurde die Straße beschädigt, auch an der frisch hergerichteten Brücke in Steinächle wurden die Platten weggerissen, als das Wasser vom Kirschenhardthof herunterschoss. Und ausgerechnet bei einer Firma für Wasser- und Rohrnetztechnik seien die schlammigen Fluten auf zwei Meter Höhe gestiegen, berichtete Bürgermeister Steffen Döttinger am Donnerstag.

In Kirchberg kam das Oberdorf mit vollgelaufenen Kellern und verschlammten Autos mit einem dunkelblauen Auge davon, im unteren Dorf dagegen riss es die Mozartstraße auf und überschwemmte das Gewerbegebiet in der Kalkwerkstraße. Auch die Bahnlinie wurde unterspült und ein Erdrutsch verschüttete die Gleise. Erdrutsche und Überschwemmungen gab es auch auf den Straßen im Raum Affalterbach, Erdmannhausen und Kirchberg, was zu zeitweiligen Sperrungen führte. Die S-Bahn hingegen wird auch in den nächsten Tagen nur bis und nach Marbach fahren, teilte ein Bahnsprecher mit. Am Donnerstag würden erst einmal die Schäden begutachtet; vorher könne man nicht sagen, wie lang die Reparatur dauere. Bis dahin würden ab Marbach Ersatzbusse eingesetzt.

Ein kleiner Bach bei Wolfsölden wurde zum breiten Fluss. Foto: Werner Kuhnle

Enorme Wassermassen ergossen sich in einer knappen Stunde über dem Gebiet: „Es waren 92 Liter pro Quadratmeter“, sagte der Affalterbacher Rathauschef. Schon am Abend zuvor hatte der Feuerwehrkommandant Sascha Hänig resümiert: „Da hätte man viele Regenrückhaltebecken gebraucht, um das aufzufangen.“ Das Problem: Das Wasser, das vor allem das tiefer gelegene Wolfsölden flutete, sei aus zwei Richtungen gekommen, sagte Döttinger. Vom Stauchgraben und auch aus einem weiteren, näher am Ortsteil Birkhau gelegenen Tal.

Die Anwohner, die sich, kaum dass die Flut abgezogen war, mit Gummistiefeln, Schaufeln, Schneeschippen und allem anderem irgendwie Brauchbarem ausgerüstet hatten, um den Schlamm und das Geröll zu beseitigen, sind frustriert und zum Teil auch erbost. „Die Gemeinde macht halt nix, seit Jahren schon, die Leute hier werden nicht gehört“, sagte ein junger Mann aus Wolfsölden, der seinen Nachbarn geholfen hatte. Eine Frau monierte, der Bürgermeister erzähle immer wieder, der Bau von Regenrückhaltebecken sei an den Grundstückseigentümern gescheitert, die nicht verkaufen wollten – da habe aber seit 16 Jahren keiner eine Anfrage bekommen.

Mögliche Schutzmaßnahmen sollen geprüft werden

Steffen Döttinger bestätigt Letzteres: „Wir wollten schon vor 16 Jahren Regenrückhaltebecken bauen, da gab es bereits fertige Pläne. Damals lehnten die Grundstückseigentümer ab, und wir haben dann tatsächlich nicht mehr gefragt. Jetzt soll die Idee wieder aufgegriffen werden. Dazu müssen wir aber erst prüfen, was das Richtige ist und wo Regenrückhaltebecken sinnvoll sind.“

Die Murr bei Kirchberg. Foto: Werner Kuhnle

Dass die Gemeinde nichts getan hat, um Wolfsölden vor Starkregen zu schützen, stimmt so nicht. Nach dem schlimmen Unwetter vor fünf Jahren, bei dem ein Regenwasserkanal im Hang oberhalb der Mühle brach – und damals fielen „nur“ 70 Liter je Quadratmeter – wurde etliches in die Technik investiert – insgesamt 450 000 Euro.

Diese Investition habe sich dieses Mal auch ausgezahlt, lobte der Kreisbrandmeister Andy Dorroch. Die Rohre hielten, und die Flutrinne verhinderte Schlimmeres. „Beim letzten Mal stand das Wasser noch im ersten Stock, dieses Mal nur im Keller“, sagte Dieter Gössler, dessen Haus nahe der Mühle steht, als er am Abend erschöpft, resigniert und mit Schlammspritzern auf der Kleidung auf den Stufen zu seinem Haus saß.

Dennoch ist das für ihn nur ein schwacher Trost. Inzwischen brauche er gar keinen solchen Starkregen mehr, um Angst um sein Hab und Gut zu haben. „Da reicht schon normaler Regen. Und ich frage mich immer wieder, wo ich einen Dummen finden kann, der mein Haus kauft.“

Hilft ein Regenrückhaltebecken?

Aus seiner Sicht ist die einzige Lösung die, über die auch in Affalterbach nachgedacht wird: Regenrückhaltebecken. Doch wie viel bringen die? In Kirchberg wälzten sich trotz eines Regenrückhaltebeckens im oberen Bereich des Neubaugebiets Rappenberg IV und privaten Zisternen braune Fluten durch den Ort. Anwohner des Mühlwingert, deren Garagen und Keller mit Wasser vollgelaufen waren, konfrontierten den Bürgermeister Frank Hornek am Mittwochabend, als er sich ein Bild vom Ausmaß der Schäden machte, mit der Aussage, wegen der Flächenversiegelung durch das Neubaugebiet habe es sie schwerer getroffen als früher. Doch der Rathauschef widersprach. „Hätten wir dort oben noch Äcker und landwirtschaftliche Nutzung, würde das Oberflächenwasser noch mehr den Berg herunterschießen.“

Die Helfer in Zahlen

Feuerwehr, THW, DRK hatten alle Hände voll zu tun. Der stellvertretende Affalterbacher Kommandant Nicolaj Scholtisek, der den Einsatz geleitet hat, zieht Bilanz:

  • In Spitzenzeiten waren 120 Feuerwehrleute im Einsatz 
  • Wolfsölden war am stärksten betroffen.
  • 30 bis 40 Keller mussten ausgepumpt werden.
  • Zur Unterstützung waren Feuerwehrleute aus Remseck, Ludwigsburg, Möglingen, Marbach und Erdmannhausen gekommen.
  • Die Drohnengruppe aus Besigheim war mit Erkundungsmaßnahmen beschäftigt.
  • Das THW half beim Freiräumen der Straßen.
  • Das DRK kümmerte sich um die Verpflegung.  

Auch die nicht oder weniger betroffenen Nachbarn boten ihre Hilfe in verschiedener Form an. Und auch ein nahe gelegener Supermarkt spendierte einiges an Speisen und Getränken.