Die Band Noisepollution (Foto zeigt einen Auftritt aus dem Jahr 2020) kommt nun doch nicht in den Hirschgarten. Foto: /Christian Mateja

Im Kornwestheimer Hirschgarten gibt es seit Jahren regelmäßig Livemusik. Damit ist nun erst einmal Schluss. Grund ist eine Beschwerde aus der Nachbarschaft.

Ein lauer Sommerabend, ein kühles Bier und gute Musik – für solch unbeschwerte Stunden kommen zahlreiche Gäste in den Kornwestheimer Hirschgarten. Wenn wieder einmal Musikabend ist, machen einige Nachbarn das Fenster auf oder kommen raus auf den Balkon, um der Band zuzuhören. So erzählt es der Inhaber Mitko Pelovski. Bis um 20 Uhr spielen die Bands an zwei Tagen im Monat. Nur einmal, vor etwa vier Wochen, ist es halb neun geworden. „Die Gäste haben immer wieder ‚Zugabe‘ gerufen“, sagt Pelovski, „was hätte ich machen sollen? Auf die Uhr schauen und unterbrechen?“ Das hätte ihm vermutlich viel Ärger erspart. Denn über die Zugabe hat sich sofort jemand aus der Nachbarschaft beschwert.

„Ich war so enttäuscht“, sagt Mitko Pelovski. Er hat nun fast allen Bands abgesagt, die dieses Jahr noch im Hirschgarten spielen wollten. Nur am 11. September kommen noch ein paar Musiker mit Banjo und Gitarre. Sie werden während des Auftritts durch die Reihen gehen, damit sie jeder hören kann. Denn sie dürfen nicht mit Mikrofon oder Verstärker auftreten.

Schuld daran ist ein alter Vertrag zwischen Mitko Pelovski und der Stadt Kornwestheim. Der sieht vor, dass im Hirschgarten zweimal im Monat zwischen 16 und 20 Uhr Veranstaltungen stattfinden dürfen, und das ohne Verstärker.

Laute Musik war nie das Ziel

Der Fall ist etwas verzwickt, deshalb der Reihe nach: Der Hirschgarten gehört der Stadt, und alle fünf Jahre gibt es eine Ausschreibung, auf die sich interessierte Pächter melden können. Anfang 2019 hat Mitko Pelovski den Zuschlag bekommen und den Biergarten übernommen. Gegenüber unserer Zeitung erzählt Pelovski, dass es ihm von Anfang an wichtig war, im Hirschgarten Musik, Vorlesungen und andere Veranstaltungen anzubieten. Deshalb habe er mit dem damaligen Ersten Bürgermeister, Dietmar Allgaier, einen Pachtvertrag ausgearbeitet, der den Umfang dieser Veranstaltungen regelt. Pelovski wollte nie laute Musik oder lärmende Veranstaltungen machen. „Deshalb haben wir das Wort ‚Akustik‘ in den Vertrag geschrieben, aber das hat es nicht richtig getroffen“, sagt der Wirt, „ich hatte Sorge, dass das später, wenn Dietmar Allgaier mal nicht mehr da ist, Probleme geben könnte. Aber er meinte nur, dass wir ja wissen, was wir mit ‚Akustik‘ meinen.“

So ist es jahrelang gut gegangen. Zwar habe Pelovski Mikrofone genutzt, aber es sei nie laut gewesen. Und um 20 Uhr war stets Schluss. „Ich bin der Stadt nicht böse“, sagt er, „aber man könnte vielleicht ein bisschen Fingerspitzengefühl haben.“

Andere Gäste im Biergarten als früher

Damit spielt Mitko Pelovski auf die Innenstadtbelebung an, an der die Stadtverwaltung schon lange arbeitet. Er findet, dass das kulturelle Programm im Hirschgarten ein wichtiger Beitrag zu einer belebten Stadt ist. „Ich bin sowieso hier, ich will etwas Schönes für die Leute machen“, sagt er. Außerdem habe er in den vergangenen Jahren dazu beigetragen, den Biergarten und die Nachbarschaft aufzuwerten. Der Hirschgarten liegt direkt am Bahnhof und war früher, noch aus anderer Hand geführt, eine Anlaufstelle für Menschen, die trinken wollten. Viel trinken. „Wenn die aus dem Biergarten rausgelaufen sind, haben sie auf der Straße noch Lärm gemacht“, sagt Pelovski, der direkt gegenüber dem Biergarten seit Langem ein Irish Pub führt. Mittlerweile kämen ganz andere Menschen zu ihm: Familien, Intellektuelle, so sagt es der Inhaber.

Die Stille im Hirschgarten schlägt in Kornwestheim bereits Wellen. Pelovski erzählt, dass seine Gäste die Musik vermissen. Er selbst sagt: „Das nimmt uns die Freude in Kornwestheim.“ Auch Elvira Saverschek, die einst CDU-Stadträtin und Citymanagerin war, sieht die Entwicklung kritisch. „Man fragt sich, ob die Stadtverwaltung überhaupt eine ‚Event- und Aufenthaltsqualität‘ in der Innenstadt fördern möchte, wenn sie auf ihrem eigenen Grundstück, dem Hirschgarten, die gewünschte und viel beschworene Aufenthaltsqualität boykottiert“, schreibt sie in einem offenen Brief an die Stadt. Sie versteht nicht, warum der Gemeinderat nicht „alle Anstrengungen“ unternimmt, um dem Hirschgarten wieder freie Bahn zu verschaffen.

Stadt hält Hirschgarten für wichtig

Die Stadt selbst betont, dass ihr der Hirschgarten sehr wichtig sei, auch im Hinblick auf die Innenstadtbelebung. „Das ist ein Filetstück für uns“, sagt Bürgermeisterin Martina Koch-Haßdenteufel. Denn der Hirschgarten zieht Besucher an, und genau das will die Stadt. Deshalb will sie, so die Bürgermeisterin, dem Inhaber keine Steine in den Weg legen. „Aber es gibt eben auch die Nachbarschaft“, sagt Koch-Haßdenteufel, „wir müssen den Spagat schaffen zwischen der Belebung der Stadt und dem Schutz der Nachbarn.“

Nach der Sommerpause will der Gemeinderat darüber beraten, ob Mitko Pelovski künftig länger – vermutlich bis 21 Uhr – und mit Verstärker Musik machen darf. Wenig später steht dann die Entscheidung an, ob Pelovski den Hirschgarten überhaupt weiter führen wird. Denn sein Pachtvertrag läuft Ende 2023 aus. Um sich finanziell von der Coronakrise zu erholen, wird sich der 59-Jährige bewerben und hoffen, dass er noch einmal fünf Jahre bleiben darf.