Was genau mit Jamal Khashoggi geschah, ist bis heute ungeklärt. Foto: AP/Hasan Jamali

Im Mordfall Khashoggi ist ein Verdächtiger gefasst – Saudi-Arabien protestiert. Anders als vor drei Jahren schweigt die Türkei.

Paris - Auf dem Bildschirm eines französischen Grenzers am Flughafen Charles de Gaulle in Paris leuchtete am Dienstag ein Alarmsignal auf, als er den Pass eines saudischen Passagiers kontrollierte. Khalid Al-Otaibi wollte von Paris nach Riad fliegen, stattdessen wurde er unter dem Verdacht festgenommen, an der Ermordung des saudischen Dissidenten und Journalisten Jamal Khashoggi beteiligt gewesen zu sein. Während Menschenrechtler die Festnahme begrüßen, wollen die beteiligten Staaten die Affäre schnell aus der Welt schaffen.

Khashoggi war im Oktober 2018 im saudischen Konsulat in Istanbul getötet worden. Nach Erkenntnissen von US-Geheimdiensten und UNO-Ermittlern wurde er von einem Killerkommando ermordet, das aus Riad eingeflogen war. Der saudische Thronfolger Mohammed bin Salman, der keinen Widerspruch zu seiner Politik duldet, soll der Auftraggeber sein. Khashoggi hatte den Kurs des Prinzen in der „Washington Post“ kritisiert.

Mohammed bin Salman ist wieder ein gefragter Gesprächspartner

Drei Jahre nach der weltweiten Entrüstung über den Mord ist Mohammed bin Salman heute wieder ein gefragter Gesprächspartner internationaler Politiker. Nur wenige Tage vor der Festnahme in Paris besuchte der französische Präsident Emmanuel Macron den Thronfolger – als erster westlicher Staatsmann seit Khashoggis Tod.

Saudi-Arabien will deshalb verhindern, dass der Fall Khashoggi nach der Festnahme von Paris wieder Schlagzeilen macht. Die Regierung in Riad erklärte zu der Festnahme, es handele sich um eine Verwechslung: Der in Paris festgenommene Mann habe nichts mit dem Khashoggi-Mord zu tun. Alle Verantwortlichen für das Komplott seien in Saudi-Arabien verurteilt worden. Nachprüfen lässt sich das nicht, denn der Prozess in Saudi-Arabien war nicht öffentlich. Die Namen der Verurteilten wurden nie bekannt gegeben.

Der Verdächtige soll einer saudischen Eliteeinheit angehören

Otaibi, der einer Eliteeinheit der saudischen Streitkräfte angehören soll, wird mit internationalem Haftbefehl gesucht, den die Türkei beantragt hatte: In Istanbul läuft ein Prozess gegen 26 Angeklagte wegen des Khashoggi-Mordes; keiner der Beschuldigten ist vor Gericht erschienen, denn Saudi-Arabien lehnt ihre Auslieferung ab. Wie Otaibi trotz des Haftbefehls unerkannt nach Frankreich einreisen konnte, ist unbekannt.

Laut UN-Ermittlungen gehörte Otaibi zu dem 15-köpfigen Killerkommando in Istanbul und hielt sich während des Mordes an Khashoggi in der Residenz des saudischen Generalkonsuls auf – damit nicht unmittelbar am Tatort im Konsulatsgebäude. Khashoggis Leiche wurde nach dem Mord vom Konsulat in die Residenz gebracht. Laut Medienberichten wurde die Leiche zersägt und in einem Säurebad aufgelöst. Die USA setzten Otaibi wegen seiner mutmaßlichen Verstrickung auf eine Sanktionsliste.

Heute hofft die Türkei auf finanzielle Hilfe aus Riad

Unmittelbar nach dem Mord hatte die Türkei die Hinweise auf eine Verwicklung der saudischen Führung benutzt, um Druck auf Riad zu machen. Die Festnahme von Paris sollte Ankara freuen – doch die türkische Regierung schwieg. Anders als vor drei Jahren bemüht sich die Türkei heute um eine Wiederannäherung an die Golf-Staaten, weil Präsident Recep Tayyip Erdogan wegen der türkischen Krise finanzielle Hilfe braucht.

Die französische Polizei erklärte, sie habe die Identität des Festgenommenen noch nicht endgültig geklärt. Sollte es sich um den gesuchten Otaibi handeln, hat Ankara 40 Tage Zeit, von Frankreich die Auslieferung des Verdächtigen zu verlangen. Ob die Türkei den Antrag stellen wird, ist aber unklar. Der Istanbuler Khashoggi-Prozess wird Ende Februar fortgesetzt.

Während Saudi-Arabien und womöglich auch die Türkei den Fall möglichst diskret behandeln und neuen Wirbel um den Fall Khashoggi vermeiden wollen, sehen Menschenrechtler nach der Festnahme die Chance auf eine ehrliche Aufarbeitung des Verbrechens. „Das könnte ein echter Durchbruch sein“, kommentierte Agnes Callamard, Generalsekretärin von Amnesty International, die sich auf ihrem vorherigen Posten als UN-Ermittlerin mit dem Fall Khashoggi befasst hatte. Die Journalistenvereinigung RSF will in Frankreich eine Strafanzeige gegen Otaibi erneuern, um Ermittlungen anzustoßen.